Kairo/Essen. In nur wenigen Wochen steht für das DHB-Team die Olympia-Qualifikation an. Bundestrainer Gislason fordert mehr Zeit für die Vorbereitung.
Platz zwölf, die schlechteste WM-Platzierung einer deutschen Handball-Nationalmannschaft in der Geschichte. Es gibt nicht viel zu beschönigen nach diesen Auftritten in Ägypten. So mäßig die Leistung auch war: Die Vorstellung sollte nicht als Maßstab für den deutschen Handball herangezogen werden. Eine Analyse.
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Das 23:23 (11:12) gegen Polen am Montagabend war der enttäuschende Schlusspunkt des Turniers. Ein darüber hinaus glückliches Remis, denn das DHB-Team verschenkte in der Schlussminute den Ballbesitz und hatte Glück, dass Torhüter Andreas Wolff in der letzten Sekunde einen Wurf vom Kreis parierte.
Schleppender Angriff, unsichere Abwehr
Dabei war das letzte Hauptrundenspiel für die Spieler die Gelegenheit, sich erhobenen Hauptes von der WM zu verabschieden. Und um Selbstvertrauen für die Olympia-Qualifikation im März aufzubauen. Das gelang nicht, vielmehr traten die Schwächen dieses Teams erneut deutlich hervor: ein schleppender, fehlerbehafteter Angriff und eine unsichere Abwehr. Das reichte zu ordentlichen Spielen gegen Uruguay und Brasilien. Gegen stärkere europäische Mannschaften aber wurde ein Klassenunterschied deutlich.
Auch Routiniers erreichten nicht Normalform
Die Basis war ohnehin keine gute. Bundestrainer Alfred Gislason musste auf mehrere Leistungsträger verzichten, doch ausgerechnet einige der Routiniers konnten ihrem Ruf nicht gerecht werden. Torwart Andreas Wolff etwa. Für ihn hatte das Spiel gegen Polen so vielversprechend begonnen. In der dritten Minute hielt er einen Siebenmeter und den Nachwurf noch dazu. Das war es dann. Wolf reihte sich ein in die Tristesse der ersten Halbzeit.
Vor der WM hatte Gislason von einer klaren Reihenfolge der Torhüter gesprochen. 1a, 1b und 1c: Andreas Wolff, Johannes Bitter, Silvio Heinevetter. Weil Wolff sein Weltklasseformat nicht erreichte, trug Bitter die Hauptlast, Heinevetter ergänzte. Doch hinter einer löchrigen, nicht eingespielten Abwehr war keiner der drei Torhüter in entscheidenden Phasen ein Rückhalt.
Gegen Ungarn und Spanien wie auch gegen Polen zeigte sich, dass der Innenblock der größte Unsicherheitsfaktor des DHB-Teams war. Johannes Golla und Sebastian Firnhaber packten zu, wann immer sie einen Gegenspieler erwischten. Doch weil die Abstimmung fehlte, klappten selbst die grundsätzlichen Dinge einer Abwehrarbeit nicht: Übergeben und Übernehmen etwa, oder die Verteidigung von Sperre/Absetzen. „Da fehlt noch einiges“, gestand Gislason ein. Die Lücken, die Hendrik Pekeler, Patrick Wiencek und auch Block-Spezialist Finn Lemke durch ihre Absagen gerissen hatten, konnten in der Kürze der Zeit nicht ansatzweise gestopft werden.
Das Not-Team hatte jedoch kaum Gelegenheit, zu einer Einheit zu werden. Gislason blieben nur wenige Trainingseinheiten und einzig die beiden EM-Qualifikationsspiele gegen Österreich, um seine Ideen einzustudieren. Das zweite Vorrundenspiel gegen Kap Verde fiel aus, es war als weiterer Test eingeplant.
Weber blühte auf der Mitte auf
Allenfalls im Angriff schaffte es das DHB-Team phasenweise, als Kollektiv zu wirken. Deutschland fehlt ein Rückraumschütze mit Weltklasseformat, hat mit Julius Kühn und Paul Drux aber zwei Spieler, die mit Einzelaktionen Spiele entscheiden können. Gegen Spanien und Polen machten sie zu wenig aus ihren Chancen, insbesondere Kühn blieb blass. Dafür war Philipp Weber auf der Mitte der Gewinner: Unter Gislason blühte er als Spielmacher auf.
Kapitän und Linksaußen Uwe Gensheimer hingegen wird das Turnier wohl schnell abhaken wollen: Genervt von der öffentlichen Kritik zeigte er ungewohnte Schwächen im Abschluss.
Brutaler Zeitdruck in den kommenden Wochen
Nun wächst der Druck. In nur sechs Wochen (12. bis 14. März) spielen die deutschen Handballer in Berlin um die Olympia-Qualifikation. Gegen Rekord-Europameister Schweden, den EM-Vierten Slowenien und Algerien geht es um zwei Tickets. „Dann müssen wir liefern“, sagte DHB-Vizepräsident Bob Hanning, der allerdings schon im Spiel gegen Polen in der Halbzeitpause den Anspruch erhoben hatte, um Olympia-Gold zu kämpfen.
Bundestrainer Alfred Gislason klagt indes über den brutalen Zeitdruck. „Ich habe nur vier Trainingstage, bevor die Spiele losgehen“, sagte er und schlug vor, den Bundesliga-Spieltag davor zu verlegen. Gislason drohte nicht, er warnte diplomatisch: „Diese Woche in Berlin ist ja nicht gerade unwichtig.“