Wien. Österreich trifft im EM-Achtelfinale auf Italien. Wir haben darüber mit Österreichs Rekordnationalspieler Andreas Herzog gesprochen.

In seiner geliebten Geburtsstadt Wien ist Anderas Herzog schon seit Tagen aktiv. Saisonvorbereitung beim FC Admira/Wacker, seinem Stammverein, bei dem er einst das Fußballspielen erlernte und für den er nun als Coach tätig ist. Der 52-Jährige, früher Profi bei Werder Bremen und Bayern München, verfolgt natürlich trotz der täglichen Trainingsarbeit intensiv die Europameisterschaft. „Ich sehe alle Spiele, wenn es zeitlich möglich ist.“ Besonderes Augenmerk legt der Rekordnationalspieler in der Alpenrepublik (103 Länderspiele) natürlich auf die Nachfolger im Nationaltrikot. Herzog spricht im Interview von einer Leistungssteigerung der Foda-Elf, sieht die Mannschaft auch gegen Italien (Samstag, 21 Uhr/ZDF) nicht chancenlos und lobt die neue, alte Rolle von David Alaba als Abwehrchef.

Erstmals hat die österreichische Mannschaft die Zwischenrunde bei einer Europameisterschaft erreicht. Überrascht Sie dieser Achtungserfolg, Andreas Herzog?

Andreas Herzog: Die Testspiele waren nicht so gut, so dass viele Zweifel am Leistungsvermögen aufgekommen sind. Auch bei mir, wie ich zugeben muss. Die Mannschaft hat sich beim Turnier nun enorm gesteigert und ist verdient in die K.o.-Runde eingezogen. Wir haben schon einen guten Kader beisammen, viele erfahrene Spieler, die sich in der Bundesliga bewährt haben. Insofern bin ich nicht so arg überrascht.

Was ist noch möglich? Im Achtelfinale wartet mit Italien ein starker Gegner?

Herzog: Für mich stellen die Italiener bislang die beste Elf des Turniers. Sie haben mich überzeugt.  Unsere Mannschaft wird es schwer haben gegen einen der Turnierfavoriten, doch sie ist beileibe nicht chancenlos. Um weiterzukommen, ist indes eine nochmalige Leistungssteigerung notwendig.

Franco Foda, der deutsche Trainer des Austria-Teams, ist vor der EM arg in die Kritik geraten. Konnten Sie die Vorbehalte gegen den Coach nachvollziehen?

Herzog: Foda ist ein Kollege, den ich achte. Von daher verbietet es sich, über seine Arbeit zu urteilen. Wie ich es verfolgt habe, setzte die Kritik ein, als es in den Vorbereitungsspielen nicht lief. Sie hat sich vor allem an der  0:4-Niederlage gegen Dänemark entzündet.

Glauben Sie, dass sich nun sein Standing bei den Fans wieder gebessert hat?

Herzog: Die Erfolge sprechen für Franco Foda. Die Mannschaft hat sich für das Turnier qualifiziert, was schon als positiv bewertet werden muss und in der Vergangenheit nicht immer gelungen ist. Nun die Premiere mit dem Einzug in die nächste Runde. Die Fans werden dieses Resultat seiner Arbeit zu würdigen wissen.

Vor dem EM-Start galt die Torwartposition als größte Schwachstelle in der Foda-Elf. Nun hat sich Daniel Bachmann bewährt. Ist er die klare Nummer eins?

Herzog: In der Tat taten sich auf dieser Position die größten Fragezeichen auf. Bachmann bekam bei den Tests die Chance, sich zu zeigen. Diese hat er eindrucksvoll genutzt, einen recht guten Eindruck hinterlassen,  den er beim Turnier bestätigt hat. Die vor Wochen vorhandene Unsicherheit bezüglich  der Wahl eines Keepers ist gewichen. 

Sind Sie erstaunt, dass David Alaba, der immer von einem Platz im Mittelfeld geträumt hat, wie bei den Bayern seine gewohnte Rolle im Abwehrzentrum eingenommen hat?

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Herzog: Ich hatte damit gerechnet, weil er an dieser Stelle doch am wertvollsten für die Truppe ist. Als Chef der Defensive ist Alaba nicht zu ersetzen, so ist er ein Leistungsträger, kann die anderen anleiten und führen. Und die Alaba-Rolle bringt noch andere Vorteile mit sich für das gesamte Team.

Welche?

Herzog: Andere Spieler können auf ihren angestammten Positionen nominiert werden. Ich denke dabei in erster Linie an die drei Bundesliga-Akteure Xaver Schlager, Marcel Sabitzer und Konrad Laimer, die im Mittelfeld gut harmonieren und  ihre Fähigkeiten einzubringen verstehen.

Wie beurteilen Sie den bisherigen Auftritt des auch aus der Bundesliga bekannten Sonderlings Marco Arnautovic?

Herzog: Bei allen Eskapaden, Marco ist ein wichtiger Mann, ein Stürmer, der nicht zu ersetzen ist. Dies wurde deutlich im zweiten Spiel, bei der 0:2-Niederlage gegen die Niederlande, als er gesperrt fehlte. Marko mit seinen Qualitäten und seiner Unberechenbarkeit steigert das Potenzial in der Offensive enorm. Wobei ich ergänzen möchte: Auch Florian Grillitsch, der im ersten Spiel noch nicht berücksichtigt worden ist, spielt jetzt eine gute Rolle.

Schlussfrage: Was halten Sie vom Modus?

Herzog: Zielt die Frage auf die unterschiedlichen Ländern, in denen gespielt wird?

Sicherlich auch…

Herzog: ... ich stufe den Spielplan als total ungerecht ein. Deutschland mit drei Heimspielen in München, Dänemark absolviert die Vorrunde in Kopenhagen, Italien alle Partien in Rom und so weiter. Dieser nicht zu leugnende Heimvorteil ist unfair gegenüber anderen Nationen. Österreich musste zweimal nach Bukarest und einmal nach Amsterdam. Und die Schweizer hat es noch heftiger erwischt, die sind weit vorn beim Miles-and-More-Programm.

Und die bei 24 Startern nötige Regelung, dass die vier besten Drittplatzierten weiterkommen?

Herzog: Alles viel zu kompliziert, weil lange nicht feststeht, wer in der nächsten Runde auf wen trifft. Damit hat sich die Uefa keinen Gefallen getan.