München. Nach dem Rauswurf beim TSV 1860 München könnte die Profikarriere von Kultstürmer Sascha Mölders ein unrühmliches Ende finden
Als der TSV 1860 München vor sechs Wochen beim Einzug ins Achtelfinale des DFB-Pokals einen seiner wenigen großen Tage der jüngeren Vergangenheit erlebte, erfüllte Sascha Mölders die ihm zugedachte Rolle nahezu in Perfektion. Geschickt schirmte der Stürmer Bälle immer wieder ab und verteilte sie, er wuchtete sich in viele Zweikämpfe und gewann diese auch oft. Und er lief für einen Spieler seines Alters und seiner Leibesfülle erstaunlich viel und schnell. Nicht nur wegen seiner Torvorlage trug er wesentlich zum 1:0-Sieg des Drittligisten gegen den Bundesliga-Absteiger FC Schalke 04 vor 15.000 Zuschauern bei. Im ausverkauften Münchner Stadion an der Grünwalder Straße jubelten die Löwen-Fans dem 36 Jahre alten „Fußballgott“ zu, bei dem man seit Jahren zusehen kann, wie das Trikot immer mehr am Bauch spannt. Mölders genießt auch deshalb Kultstatus, weil er sich selbstironisch zur „Wampe von Giesing“ ernannt hat.
Es knallt bei 1860 München
Nun ist der Spaß allerdings vorbei, und er endete am späten Montagnachmittag mit einem großen Knall. „Bis auf Weiteres“ werde Mölders nicht im Kader stehen, teilte der TSV 1860 nach „einer fortlaufenden Analyse der Entwicklung der vergangenen Wochen“ knapp mit. Zudem wurde Oliver Beer, einer von zwei Assistenten des Cheftrainers Michael Köllner, ins Nachwuchsleistungszentrum versetzt. Doch es ist natürlich die Suspendierung von Kapitän Mölders, die für Aufsehen sorgt. „Ich bin schockiert“, schrieb der Stürmer auf Instagram, er wünsche der Mannschaft nur das Beste.
Das „Erdbeben von Giesing“
Dem Vernehmen nach kommt das „Erdbeben von Giesing“, wie es die Münchner Abendzeitung nannte, gar nicht so überraschend. Interne Spannungen hatten sich schon länger aufgebaut. Bereits vor dem Pokal-Coup gegen Schalke war Mölders für zwei Ligaspiele auf die Bank gesetzt worden. Es war ein Warnsignal. Zuletzt wurden die Leistungen der Mannschaft und ihres Kapitäns immer dürftiger. Am vergangenen Samstag verloren die Löwen gegen den Tabellenführer 1. FC Magdeburg 2:5, zur Pause hatten sie bereits 0:5 zurückgelegen. Kritisiert wurde, dass Mölders eine teilnahmslose Körpersprache an den Tag gelegt und sich aus der Verantwortung gestohlen habe. Den Aufstieg hatten sie sich beim TSV 1860 zum Ziel gesetzt, doch nun sind sie der Abstiegszone in der Tabelle näher als der zweiten Liga.
Im Verein wurde es zudem schon länger nicht gerne gesehen, dass sich Mölders mehreren Nebenjobs widmete, darunter als DAZN-Experte und Kicker-Kolumnist sowie als Amateurcoach beim SV Mering in seinem Wohnort bei Augsburg. Vor allem aber wird ihm angelastet, seiner Vorbildfunktion nicht gerecht geworden zu sein. Immer wieder soll auf ihn eingewirkt worden sein, besser auf sein Gewicht zu achten. Mölders habe sich uneinsichtig gezeigt, heißt es, und er habe gegenüber den Kollegen und dem Trainerteam einen rauen Umgangston an den Tag gelegt. Sogar von einem „toxischen Temperament“ ist nun die Rede.
Kultstürmer aus dem Ruhrgebiet
Das alles klingt derzeit nicht danach, als könne sich die besondere Geschichte dieses Kultstürmers aus dem Ruhrgebiet beim TSV 1860 noch zu einem Happy End wenden. 2016 war er vom FC Augsburg aus der Bundesliga zu den Sechzgern gekommen und hatte seither 82 Tore und 54 Vorlagen in 212 Spielen beigesteuert. Mit seinen 22 Toren hatte er in der Vorsaison als Torschützenkönig der dritten Liga dafür gesorgt, dass der TSV 1860 lange auf die Rückkehr in die zweite Liga hoffen durfte. Mit der selben Anzahl von Toren hatte Mölders den chronisch chaotischen Kultklub bereits 2017/18 von der Regionalliga zurück in den Profifußball geschossen. Doch nun könnte es das womöglich plötzlich gewesen sein mit der Profikarriere von Mölders.
Stürmer mit der Statur eines Kreisligakickers
Die Herzen der Fans waren ihm auch deshalb immer zugeflogen, weil sie sich in ihm wiederfanden. Es fügte sich ins Bild, dass der Stürmer mit der Statur eines Kreisligakickers Bilder seiner geliebten Wurstsemmeln in den sozialen Netzwerken postete und freimütig davon berichtete, nach den Spielen auch anderweitig kulinarisch zu sündigen, darunter mit manch einem Weißbier. Mölders gab gerne den Gegenentwurf zum optimierten Profifußball. Er vermarktet sich auch selbst als solcher, was im Verein ebenfalls nicht gern gesehen worden sein soll. In seinem eigenen Online-Shop verkaufte Mölders T-Shirts als „Wampe von Giesing“ und „Torwampenkönig“. Das ging so lange gut, wie die Leistung stimmte. Wie beim Pokal-Coup gegen Schalke, bei dem Mölders seinen Kultstatus auch damit mehrte, dass er den Namen des Gegners auf seinem Trikot infantil mit Tape überklebt hatte. „Ich tue mich als Essener Junge schwer, wenn Schalke 04 auf meinem Trikot steht“, erklärte Mölders. Das Publikum hatte wieder was zu lachen. Nun trauert es, nicht nur in Giesing.