Gelsenkirchen. Christian Gross sieht sich als Derby-Spezialist. Vor seiner Revier-Premiere gegen Dortmund bedauert er am meisten das Fehlen der Fans.
“Etwas”, orakelte Christian Gross am Tag vor dem Derby, “muss ja noch geheim bleiben”, aber ein bisschen konnte er doch schon erzählen. Und als Schalkes Trainer von Dschidda am Roten Meer schwärmte und auch von Kairo, ging es nicht etwa um den letzten Urlaub, sondern um Fußball-Kämpfe zwischen zwei Erzrivalen. Christian Gross hat schon in allen möglichen Ecken dieser Erde Derbys erlebt, und überall sei die Brisanz extrem: “Zwei Klubs, die eine hohe Rivalität haben und sich grundsätzlich nicht mögen.”
Schalke-Trainer Gross: Vor den Fernsehern wird es laut werden
Mit solchen Worten stimmt der weit gereiste und erfahrene Schweizer seine Schalker auf das Duell an diesem Samstagabend (18.30 Uhr/ Sky) in der Arena gegen Borussia Dortmund ein. Dass es für ihn persönlich das erste Revier-Derby dieser Art ist, spielt keine Rolle - er weiß auch so, wie die Uhren ticken. “Leider, leider fehlen die Zuschauer”, sagt Gross: “Aber die Fans werden vor dem Fernsehen mitfiebern und auch anfeuern. Es wird selten so lautstark zugehen vor den Fernsehern wie dieses Mal.”
Man mag in dieser Woche wenig vom Derby-Kribbeln vernommen haben, weil die Probleme des Alltags die Vorfreude auf das Spiel überdeckt haben. Doch bei Schalkes Trainer hat sich das Kribbeln rechtzeitig eingestellt.
Mehr als das traditionelle Kräftemessen
Tatsächlich ist das Derby ja diesmal auch mehr als das traditionelle Kräftemessen zwischen Königsblau und Schwarz-Gelb, das den Fans der siegreichen Mannschaft ein schönes nächstes halbes Jahr beschert. Im Februar 2021 geht’s für Schalke ums sportliche Überleben in der Bundesliga, und Gross zählt zu den Menschen, die noch an die Chance darauf glauben. “Wir haben die Punkte wesentlich mehr nötig als die Dortmunder. Wir müssen alles tun, um nicht abzusteigen.”
Die Ausgangslage des BVB ist nicht so angespannt, aber auch alles andere als komfortabel: Denn die Dortmunder sind ebenfalls weit hinter ihren Ansprüchen zurück - nur eben auf einem ganz anderen, höheren Niveau. “Sie müssen auch Anschluss finden, um ganz oben dabei zu sein”, verdeutlicht Schalkes Trainer: “Für beide Teams ist die Ausgangslage sehr speziell.” Dass der BVB am Mittwochabend noch in der Champions League in Sevilla ran musste, wertet Gross nicht als Vorteil für Königsblau: “Die Dortmunder sind es gewohnt, Mittwoch und Samstag zu spielen - ich denke nicht, dass das einen großen Unterschied macht.” Eher wähnt er den BVB nach dem 3:2 in Sevilla “beflügelt durch den Auswärtssieg”.
Schalke wird aller Voraussicht nach mit derselben Mannschaft antreten, die zuletzt bei Union Berlin (0:0) zwar ordentlich gespielt, aber viel zu wenig Torgefahr entwickelt hat. Doch Möglichkeiten zum Wechseln gibt es kaum, da mit Huntelaar, Uth, Sané, Nastasic, Rönnow, Paciencia, Skrzybski und Ludewig unverändert acht Spieler verletzt fehlen. Dass beim BVB alleine Erling Haaland so viele Tore geschossen hat wie bei Schalke die komplette Mannschaft (nämlich 15), ist nicht gerade ein Muntermacher für Königsblau. Aber auch nichts, was Gross vorab den Mut nimmt: “Er muss ja nicht in jedem Spiel treffen…”
Der 66 Jahre alte Schweizer, das merkte man ihm am Freitag an, freut sich auf dieses Spiel - er war gewissermaßen schon in Derby-Form. “Mir gefallen solche Spiele, es sind spezielle Spiele”, schmunzelte er und berichtete von diesen Duellen, die er schon erlebt hat in seiner langen Karriere als Trainer. “Grundsätzlich kenne ich Derbys, ich kenne sie in der Schweiz, ich kenne sie in Ägypten, ich kenne sie in Saudi Arabien vor X-Tausend Zuschauern ausgetragen.” Viele seien emotional gewesen, ob nun mit seinem früheren Klub Dschidda am Roten Meer in Saudi-Arabien, ob mit Zamalek SC im ägyptischen Kairo oder ganz früher mit Grasshoppers Zürich in der Schweiz gegen den FC Zürich. Wie viele dieser Derbys es in seiner Karriere schon waren, hat er nicht gezählt, aber als Derby-Spezialist mag er schon durchgehen: “Meistens ging ich als Sieger vom Platz.”
Man wird sehen. An diesem Samstagabend in der Arena.