Marktoberdorf. Die Laufbahn von DFB-Angreifer Kevin Volland begann in Marktoberdorf. Seine Mutter Anita erinnert sich an die Anfänge.
Der Weg zum Vereinsgelände des FC Thalhofen führt vorbei an drei Schulen – darunter die Realschule, die Kevin Volland bis zur achten Klasse besucht hat. In der Ferne glitzern die Alpengipfel, auf denen auch jetzt im Juni noch Schnee liegt. Ein malerisches Ambiente, in dem Volland seine Kindheit verbrachte, ehe er mit 15 ins Fußballinternat von 1860 München wechselte, um dort seinen Traum von einer Profikarriere voranzutreiben. „Kevin war kein schlechter Schüler. Aber seinen Ehrgeiz hat er mehr in den Sport gesteckt“, erinnert sich seine Mutter.
Gitarreneinlage mit Joshua Kimmich
Anita Volland sitzt im Vereinsheim des Bezirksligisten Thalhofen, einem Ortsteil von Marktoberdorf, und spricht über den älteren ihrer beiden Söhne – der Mitte Mai in den Kader für die Fußball-Europameisterschaft berufen worden war. Nach viereinhalb Jahren Pause im Nationalteam. Die Nominierung habe auch ihn überrascht, sagt Kevin Volland, der noch eine drei Jahre jüngere Schwester hat. Am 28. Mai um die Mittagszeit trudelte er zusammen mit dem Gladbacher Florian Neuhaus im Quartier der DFB-Auswahl in Seefeld ein – mit der klaren Einstellung: „Der Erfolg der Mannschaft steht über allem.“
Er wolle „alles reinhauen“ und über seine absehbare Rolle als Ersatzspieler nicht murren, gab der 28-Jährige vor Turnierbeginn den gut gelaunten Teamplayer – und füllt seine Ankündigung seitdem mit Leben. So sorgte er bei einer gemeinsamen Gitarreneinlage mit Joshua Kimmich und Serge Gnabry, Gesang inklusive, kürzlich für entspannte Unterhaltung in der DFB-Herberge. Und als Volland am vergangenen Mittwoch gegen Ungarn zu seinem zweiten Kurzeinsatz bei der EM kam, riss er Leon Goretzka, den Schützen zum achtelfinalbringenden 2:2-Endstand, beim Torjubel vor Begeisterung zu Boden.
Abschied von Bayer Leverkusen
Für Joachim Löw war die Körperkraft des gebürtigen Marktoberdorfers ein zentraler Aspekt bei dessen Berufung – neben den 16 Toren, die Volland in der zurückliegenden Saison für die AS Monaco in der Ligue 1 erzielte. „Wir waren sicher, dass er uns mit seiner starken Physis, seinem Durchsetzungsvermögen und seiner Torgefahr bereichert“, beschreibt der Bundestrainer Vollands Qualitäten – die sich schon in früher Jugend zeigten, und die der Angreifer nach seinem Wechsel von Leverkusen nach Monaco im Sommer 2020 weiter ausgebaut hat.
Zum Tragen kommen dabei auch die Gene seines Vaters Andreas Volland, einem früheren Eishockey-Nationalspieler. Als Grundschüler spielte Kevin Volland, parallel zum Fußball, mit dem er schon mit knapp drei Jahren in Thalhofen angefangen hatte, beim EV Füssen Eishockey, zusammen mit seinem jüngeren Bruder Robin. Trotz des Eishockeytalents war Fußball aber Vollands große Leidenschaft. Und seine robuste Statur ein wichtiger Trumpf – spielte und trainierte er doch von Kindesbeinen auf mit den ein Jahr älteren Jungs.
EM-Ticket dank Monaco-Wechsel
„Kevin war immer schon ein bisschen kräftiger, dadurch konnte er mit den Größeren gut mithalten“, berichtet seine Mutter – während Herbert Weißenbach die Spielweise des jungen Volland beschreibt. „Vor allem in der dörflichen Fußballjugend stehen Stürmer vorne drin, warten auf den Ball und machen die Tore. Das ist absolut nicht Kevins Stil. Er hat eher hinten den Ball geholt und dann mit sich selber Doppelpässe gespielt“, rekapituliert der Jugendkoordinator des FC Thalhofen, der sich zu der Runde im Vereinsheim gesellt hat.
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Mit am Tisch sitzen auch Sylvia Beutel, die Schwester von Vollands Mutter, die erzählt, wie der kleine Kevin früher bei den Hausaufgaben gleichzeitig unter dem Tisch mit dem Ball jongliert hat – und Rajko Lätzig. Vollands Stiefvater, erster Vorsitzender des Klubs, bekam vor rund 15 Jahren manchmal den Groll seiner Lebensgefährtin zu spüren, wenn er beim Kicken mit den beiden Volland-Buben im Garten die Ellenbogen mal wieder zu sehr eingesetzt hatte.
Es war der private Teil der rustikalen Fußballlehre im Allgäu, die Kevin Volland durchlaufen hat, ehe er über die Profi-Stationen 1860 München, Hoffenheim und Leverkusen vor einem Jahr an der französischen Riviera landete. Eine Entscheidung, über die Rajko Lätzig sagt: „Wenn er den Wechsel nach Monaco nicht gemacht hätte, wäre er jetzt bei den EM nicht dabei. Hätte er die 16 Tore aus der letzten Saison für Leverkusen geschossen, hätte das wieder keinen interessiert.“