Garmisch-Partenkirchen. Beim Neujahrsspringen wurde Severin Freund Dritter, Peter Prevc gewann - und übernahm die Führung in der Gesamtwertung der Vierschanzentournee.

Severin Freund strahlte als Dritter überglücklich, obwohl sein großer Konkurrent Peter Prevc beim Neujahrsspringen allen weit davongeflogen war. „Wenn mir vor der Saison jemand gesagt hätte, dass ich hier auf dem Podest stehe, hätte ich das blind unterschrieben. Das war mein mit Abstand bester Wettkampf in Garmisch“, kommentierte Freund. Er freute sich im Fahnenmeer von 25.000 deutschen Fans über den ersten Podestplatz auf seiner „Angstschanze“ bei der Vierschanzentournee. Obwohl er stolze 15,9 Punkte auf den überragenden Slowenen Prevc verloren hatte.

Seine Führung in der Gesamtwertung der 64. Vierschanzentournee hat Freund als Auftaktsieger von Oberstdorf damit verloren. Aus seinem Vorsprung von 7,3 Zählern ist bei Halbzeit des Skisprung-Grand-Slams ein Rückstand von 8,6 Punkte geworden. Das sind umgerechnet knapp fünf Meter, mit denen der deutsche Vorflieger ins dritte Tourneespringen am Sonntag (14 Uhr/live in ZDF und Eurosport) in Innsbruck geht. „Natürlich hätte ich die Gesamtführung gern behalten. Aber jetzt ist Peter wieder der Gejagte. Es sind noch zwei Wettkämpfe, da kann noch viel passieren. Es ist wirklich ein faszinierendes Duell“, sagte Freund. Der Champion weiß genau, dass er bislang bei den meisten Großereignissen gegen Prevc triumphiert hat – ob nun bei der Skiflug-WM 2014, der Nordischen Ski-WM 2015 oder dem Gesamtweltcup im vergangenen Winter.

Severin Freund hatte auf der wohl von ihm ungeliebtesten Anlage im gesamten Weltcup-Zirkus tief in die Trickkiste gegriffen. Wie Sven Hannawald bei seinem legendären Grand-Slam-Sieg vor 14 Jahren – dem bis dato letzten deutschen Tournee-Gesamtsieg – hatte er auf die Qualifikation für das Neujahrsspringen verzichtet. Die seitdem legendäre Startnummer 50 zierte diesmal Severin Freund. Doch alles Taktieren half am Ende nichts – Prevc holte sich mit der überragenden Bestweite von 136 Metern im zweiten Sprung seinen zehnten Weltcupsieg und wurde von den Teamkollegen anschließend durch die Arena getragen.

Zufriedene Zwischenbilanz

„Der zweite Sprung von Severin war nicht perfekt und das hat Peter Prevc gnadenlos ausgenutzt. Trotzdem ist es ein Superergebnis von Severin. Ich wollte schon immer mal aus Garmisch rausfahren und um den Sieg bei der Vierschanzentournee kämpfen“, zog Bundestrainer Werner Schuster eine weitgehend zufriedene Zwischenbilanz. Das wird erst mit Blick auf die letzten Ergebnisse von Freund beim Sprung ins Neue Jahr so richtig verständlich.

Im letzten Jahr war Freund nur auf Platz zehn gelandet, vor zwei Jahren nicht mal im zweiten Durchgang – die Olympiaschanze in Partenkirchen gehört wahrlich nicht zu den Lieblingsbakken von Severin Freund. Allerdings hatte er in diversen Trainingslehrgängen im vergangenen Sommer in Blickweite der Zugspitze gewohnt akribisch an seinen Schwächen gearbeitet. Einmal war sogar ein echter Adler als Motivation dabei – und bei der Deutschen Meisterschaft triumphierte Freund mit 40 Punkten Vorsprung vor der Konkurrenz.

Freunds beste Vorstellung in Garmisch-Partenkichen

„Wenn er dieses Niveau anbietet ist er vorn dabei“, hatte Schuster vor dem Springen erklärt. Und Freund zeigte seine beste Vorstellung. Er legte im letzten K.o.-Duell im ersten Durchgang trotz eines nicht perfekten Absprungs 133,5 Meter vor und ging in Führung. Prevc, der zuvor alle Sprünge auf der Olympiaschanze klar dominiert hatte, flog anschließend exakt auf die gleiche Weite und ging mit einem Vorsprung von 1,4 Zählern in den zweiten Durchgang. Dort legt „Lucky Loser“ Freund 132,5 Meter vor – und fiel damit noch um einen Platz hinter den Norweger Kenneth Gangnes zurück. Prevc behielt die Nerven und zog davon: „Für solche Momente mache ich diesen Sport.“

Das deutsche Team konnte sich über die stärkste Teamleistung seit Hannawalds Triumph im Jahr 2002 freuen. Richard Freitag wurde Sechster, Andreas Wank landete auf Platz elf und Andreas Wellinger belegte Platz 14. In der Gesamwertung liegen drei Deutsche unter den besten Zehn – Richard Freitag und Andreas Wank belegen die Ränge neun und zehn. Alles steht jedoch im Schatten des großen Duells zwischen Severin Freund und Peter Prevc. So gut wie sicher ist, dass nach sieben Gesamttriumphen in Folge die österreichische Siegesserie bei der Vierschanzentournee reißen wird: Michael Hayböck hat in der Gesamtwertung bereits 21,1 Punkte Rückstand auf Spitzenreiter Prevc.