Essen. Wenn die Fußball-Bundesliga in ihre 50. Saison startet, liegt eine atemberaubende Entwicklung hinter ihr. Nicht nur unter finanziellen Gesichtspunkten. Die Liga ist längst ein Bindemittel in einer zunehmend auseinander driftenden Gesellschaft. Ein Kommentar
Bei seinem Amtsantritt 1963 propagierte Bundeskanzler Ludwig Erhard, der Vater des Wirtschaftswunders, „Wohlstand für alle“. Als im selben Jahr die Fußball-Bundesliga in ihre erste Saison startete, konnte niemand ahnen, dass sich vor der 50. Spielzeit, die am Freitag mit dem Spiel des Deutschen Meisters Borussia Dortmund gegen Werder Bremen (20.30 Uhr live im DerWesten-Ticker) beginnt, vor allem für eine Berufsgruppe das Versprechen des Adenauer-Nachfolgers im Übermaß erfüllt haben würde. 1200 Mark betrug seinerzeit das monatliche Grundgehalt eines Bundesliga-Kickers, heute sind eine Million Euro jährlich eher Durchschnitt denn Ausnahme.
Bundesliga ist zu beinahe täglichem Unterhaltungsgut geworden
Die Spieler sind fraglos die Hauptprofiteure einer atemberaubenden Entwicklung. Die – wenngleich hohen – Zuschauereinnahmen (wieder einmal wurde ein neuer Dauerkarten-Rekord aufgestellt!) sind dabei zu einer beinahe vernachlässigenswerten Größe geschrumpft angesichts der explodierenden Einnahmen durch TV-Rechte, Trikotwerbung und Fanartikel-Verkauf. Die boomende Ball-Szene jedoch auf ihre finanziellen Aspekte zu verkürzen, wäre falsch.
Einst der Sport der Massen, hat der Fußball in Deutschland heute den Sprung in die allerhöchsten Kreise geschafft und sich als Bindemittel für eine ansonsten immer weiter auseinander driftende Gesellschaft erwiesen. Ob horrende Spielergehälter (in Hartz-IV-Zeiten!), käufliche Kicker bzw. Schiedsrichter, Wettmafia, Hooligans oder die scheibchenweise Zerstückelung der Spieltage, die anfangs nur einen Anstoßtermin kannten (Samstag, 15.30 Uhr): Nichts und niemand hat der Bundesliga dauerhaft schaden können. Sie ist zu einem beinahe täglichen Unterhaltungsgut geworden, mit dem die Fernseh-Anstalten ihre Quoten aufzupäppeln pflegen.
Ohne die Bundesliga wäre das Land ärmer
Die Zeiten, in denen es in Gesprächsrunden auf Partys als „cool“ galt, fußballerische Unkenntnis demonstrativ zur Schau zu stellen, sind definitiv vorbei. Wer damit kokettiert, Bastian Schweinsteiger oder Marco Reus nicht zu kennen, manövriert sich ins Abseits. Beim Fußball mitreden zu können, ist schon lange nicht mehr ein Alleinstellungsmerkmal der Unterschicht. Dazu gehört das Verständnis für die Bedeutung der Stehplätze, um deren Erhalt etwa die englischen Fans ihre deutschen Kollegen beneiden.
Wie wichtig einem eine Sache ist, wird dann deutlich, wenn Gefahr in Verzug ist. Insofern ist gerade der aktuelle Schulterschluss zwischen Politik und Sport bei der Abwehr der zuletzt wieder zunehmenden Bedrohung des Fußballs durch gewaltbereite oder einfach nur euphorisierte und zügellose Zuschauer (Beispiel: Aufstiegsspiel der Düsseldorfer Fortuna) ein Indiz für den enormen Stellenwert der Bundesliga. So populär die in diesem Zusammenhang gestellten Forderungen nach einer Kostenbeteiligung der Vereine an (teuren) Polizeieinsätzen auch sein mögen, sie ignorieren die direkten und indirekten Einnahmen, die der Staat und die Städte durch das Ball-Spektakel generieren.
So oder so gilt: Ohne die 50 Jahre junge Bundesliga wäre dieses Land ärmer.