Rio de Janeiro. Bastian Schweinsteiger wurde von den Argentiniern im WM-Finale brutal zusammengetreten. Doch selbst ein Schlag ins Gesicht und eine blutende Wange konnte den Chef des deutschen Teams nicht stoppen. An seinem Kämpferherz richtete sich das Team in den letzten Minuten der Verlängerung auf.

Mit einer Deutschlandfahne als Wickelrock und im Trikot mit den Unterschriften der deutschen Ex-Weltmeister stand Bastian Schweinsteiger in den Katakomben des legendären Maracanã. Die Wunde unter seinem rechten Auge war sichtbare Erinnerung an den wohl größten und hingebungsvollsten Kampf seiner Karriere. Und den mit dem größten Erfolg. "Hier wollte ich mit aller Gewalt so weit wie möglich kommen. Ich war froh, dass der Bundestrainer am Anfang meine Gesundheit ein bisschen geschont hat", erinnerte der 29-Jährige, als der WM-Sieg perfekt war, an seinen anfangs schweren WM-Sommer.

Sehr genau muss Schweinsteiger Bundestrainer Joachim Löw vor dem Finale zugehört haben. "Wir haben vor dem Spiel gesagt: Ihr müsst heute so viel geben wie noch nie in eurer Karriere. Dann werdet ihr das erreichen, was ihr noch nie hattet, nämlich diesen Pokal mit nach Hause zu nehmen", berichtete Löw nach dem 1:0-Triumph gegen Argentinien in Rio de Janeiro.

Generation 100+ krönt sich mit dem Weltmeister-Titel

Besonders richtete Löw seinen Appell wohl an die Generation 100+ um Bayern-Profi Schweinsteiger, der zu der Handvoll Spieler gehört, die schon vor oder seit Löws DFB-Start zur Nationalmannschaft gehören. "Wenn es überhaupt irgendjemand verdient hat, dann diese Mannschaft mit Philipp Lahm, Bastian Schweinsteiger, Per Mertesacker, Lukas Podolski, Miroslav Klose", zählte Löw auf - und nannte wohl nicht ohne Zufall genau jene Akteure, die unter ihm die Schallmauer von 100 Länderspielen für Deutschland durchbrochen haben und in Rio de Janeiro den so heiß ersehnten Titel gewannen.

"Sie waren zu meiner Zeit die ganzen zehn Jahre dabei. Wir waren das eine oder andere Mal enttäuscht, aber heute gab es nur einen verdienten Sieger, diese Mannschaft", sagte Löw. "Wir wussten genau, dass Champions irgendwann diesen letzten Schritt machen, die Sache zu Ende bringen. Wir haben immer daran geglaubt."

Siegeswille von Schweinsteiger ist Sinnbild seiner Generation

Schweinsteiger hatte in seinem 108. Länderspiel dazu einen Beitrag geleistet, der nur mit dem Prädikat Weltklasse zu beschreiben war. Ein Lauf- und Zweikampfpensum der Extraklasse lieferte der gerade noch 29-Jährige - dabei wurde bis kurz vor dem Turnierbeginn noch die Brasilien-Teilnahme generell angezweifelt.

Die Patellasehne war massiv gereizt. Wieder einmal schien der Körper Schweinsteiger zu signalisieren, dass es für eine hohe Belastung wie ein WM-Turnier in Brasilien nicht mehr reicht. Doch der Mittelfeldchef kämpfte sich in das Turnier, spielte in sechs Partien immerhin 504 Minuten. Er überzeugte besonders gegen die USA, quälte sich gegen Algerien unter Krämpfen bis in der Verlängerung und wurde mit seinem Einsatz und seiner Leidensfähigkeit gegen Argentinien zum Sinnbild des unbedingten Siegeswillens seiner Generation - im sechsten Anlauf bei einem großen Turnier.

Schweinsteiger von Mascherano mit Tritten zugesetzt

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"Alle Spieler in dieser Mannschaft haben alles gegeben, angeführt natürlich von einem überragenden Bastian Schweinsteiger und einem überragenden Philipp Lahm, die ein unglaubliches Laufpensum geleistet haben", sagte Löw. Schweinsteiger wurde von Javier Mascherano mit Tritten zugesetzt, Sergio Agüero traf ihn bei einem Luftduell mit der Hand im Gesicht. Nur wenige glaubten, der Mittelfeldrenner würde bis zum Schlusspfiff durchhalten. Blut lief ihm übers Gesicht, doch als Kevin Großkreutz schon zur Einwechslung bereit stand, kehrte Schweinsteiger unter dem Jubel der Fans zurück.

Lohn war der WM-Pokal und auch ein Trophäen-Bild mit Lukas Podolski, mit dem er 2004 noch unter Rudi Völler bei der verkorksten EM in Portugal als Hoffnungs-Duo "Poldi & Schweini" debütierte. Es folgten dritte Plätze bei WM 2006, 2010 und EM 2012 und ein Vize-EM-Titel nach verlorenem Finale gegen Spanien 2008.

Die WM hat Spuren hinterlassen

Die DFB-Karriere ist für Schweinsteiger noch nicht vorbei. Eine weitere WM wäre noch möglich, deutete er an. Aus dem 100+-Quintett ist nur für Klose ein Auftritt 2018 in Russland wohl grundsätzlich ausgeschlossen - auch wenn Löw aus der Feierlaune heraus meinte, dass "dem Miro alles zuzutrauen" sei.

Doch die WM hat Spuren hinterlassen. Bei den Feierlichkeiten in einem Nobelhotel am Partystrand von Ipanema wollte sich Schweinsteiger vor der Rückkehr nach Deutschland am Dienstag mit dem WM-Empfang auf der Berliner Fanmeile zurückhalten. "Ich bin auch leer. Es wird eine lange Nacht, ich lasse Leuten wie Kevin (Großkreutz) den Vorrang. Die können das noch besser. Ich versuche mehr, den Moment zu genießen." (dpa)