Essen. Der Einfluss der finanzstarken Bundesliga-Klubs wird immer größer. Schalke 04 baut eine neue Abteilung auf. Borussia Dortmund wird wohl folgen.

Es gab Zeiten, da konnte auch Bodo Menze nicht viel mit Fußball anfangen – sobald dieser von Frauen gespielt wurde. Menze war damals Stützpunkttrainer des Fußballverbands Niederrhein in Duisburg. Es waren die 80er-Jahre, vereinzelt wurden Frauenfußballteams gegründet, aber irgendwie wirkten sie noch exotisch in der deutschen Fußballlandschaft. Menze trainierte also männliche Teams, seine Meinung zum Frauenfußball damals: „Ich war kein Freund davon.“ Einige Jahre später ging Bodo Menze zum FC Schalke, er baute in Gelsenkirchen das Nachwuchsleistungszentrum auf. In der sogenannten Knappenschmiede entwickelten sich Talente wie Manuel Neuer, Mesut Özil, Benedikt Höwedes oder Julian Draxler zu Nationalspielern. Mittlerweile ist Bodo Menze 67 Jahre alt. Und er ist verantwortlich dafür, dass bald Mädchen und Frauen Fußball spielen werden. Beim FC Schalke 04. Zeiten ändern sich.

Der FC Schalke hatte sich in den 70er-Jahren im Frauenfußball versucht, im neuen Jahrtausend gab es für kurze Zeit eine Kooperation mit dem 1. FFC Recklinghausen. Dass es nun bald ernsthaftes Bemühen um Fußballfrauen im königsblauen Trikot geben wird, sieht Menze auch als „gesellschaftliche Entwicklung, der wir uns nicht verschließen wollen“. Die Resonanz interessierter Spielerinnen sei „unfassbar“, doch auf Schalke soll es gemächlich zugehen: Es wird eine Frauenmannschaft und ein U17-Mädchenteam geben, beide starten in der Kreisliga. Es gibt keine großen Ambitionen, keine Träume vom Start in der Bundesliga. Zumindest noch nicht. „Wir wollen nicht morgen mit dem VfL Wolfsburg konkurrieren“, stellt Menze klar. „Es geht um gesellschaftliche Breite, um Spaß am Fußball. Wir sind keine Gefahr für die anderen Frauenfußballvereine in der Umgebung.“ Nur einen Traum hat er: Dass seine Fußballerinnen ihre Spiele in der altehrwürdigen Glückaufkampfbahn bestreiten können.

Verschwunden sind der FCR Duisburg und Brauweiler Pulheim

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Doch Zeiten ändern sich, und im Frauenfußball tun sie dies geradezu rasant. Vorbei sind die Zeiten, in denen Klubs wie Umeå IK aus Schweden und Fortuna Hjørring aus Dänemark im Finale der Champions League stehen. In denen vergleichsweise unbekannte Klubs oder reine Frauenfußballvereine die Titelvergabe mitbestimmen. Vergangenes Jahr spielten Olympique Lyon und der FC Barcelona um den Titel der Königsklasse. In der Bundesliga sind Institutionen wie der FCR Duisburg 2001 oder der FFC Brauweiler Pulheim 2000 verschwunden, an ihrer Stelle spielen der MSV Duisburg und 1. FC Köln. Der 1. FFC Frankfurt, einst der wohl beste Frauenfußballklub der Welt, wird künftig als Eintracht Frankfurt auf Torejagd gehen. Frauenfußball wird zwar nicht direkt zur Männerdomäne, aber längst sind es die ressourcenstarken Großvereine aus dem männlichen Bereich, die den weiblichen Fußball verändern. „Die Kooperation mit einem Männerverein ist grundsätzlich sinnvoll, um den Frauenfußball dort unterzubringen, wo die besten Strukturen und Möglichkeiten bestehen“, sagt Siegfried Dietrich, langjähriger Manager des 1. FFC Frankfurt und Vorsitzender im DFB-Ausschuss Frauen-Bundesligen. Zusammenschlüsse seien auch ein „wichtiges Signal für die Wettbewerbsattraktivität in der Liga und in den Pokalwettbewerben“, betonte der 63-Jährige, der überzeugt ist: „Unser Champions-League-Titel 2015 war wahrscheinlich der letzte Sieg eines eigenständigen Frauenfußballklubs.“

DFB-Präsident Keller begrüßt die Entwicklung

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Es ist eine Entwicklung, die auch von DFB-Präsident Fritz Keller begrüßt wird. „Ich hoffe, dass weitere Klubs dem Vorzeigemodell der beiden Frankfurter Vereine folgen und dadurch den Frauenfußball sportlich, gesellschaftlich und wirtschaftlich voranbringen.“ Keller (63) trieb die Entwicklung der weiblichen Abteilung in seiner Zeit als Präsident des SC Freiburg voran, und immer wieder forderte er auch von Klubs wie dem FC Schalke und Borussia Dortmund, sich dort zu engagieren. Schalke hat den ersten Schritt getan, auch Borussia Dortmund stülpt schon mal die Schuhe über. Vergangene Woche endete eine Online-Umfrage unter Mitgliedern und Fans, in der es um ein mögliches BVB-Engagement im Frauenfußball ging. Sollte es einen Aufbau einer Mannschaft in der Kreisliga geben? Wäre eine Kooperation mit einem bestehenden Team wünschenswert? Oder soll eine Lizenz gekauft werden, um direkt höherklassig anzugreifen? Es sind einige der Fragen, die die BVB-Verantwortlichen in eine Richtung lenken sollen. „Wir werden nun auswerten und dann entscheiden, wie wir weiter verfahren“, erklärt der zuständige Geschäftsführer Carsten Cramer. „Wir merken in jedem Fall, dass das Thema viele Menschen interessiert.“

Könnte irgendwann also auch Borussia Dortmund in der Bundesliga spielen? Neben Schalke und den derzeitigen beiden Frauen-Großmächten FC Bayern und VfL Wolfsburg? Zeiten ändern sich, aber es gibt sie noch , die reinen Frauenvereine. Den SC Sand. Turbine Potsdam, wo künftig aber Hertha BSC unter die Arme greifen wird. Und: die SGS Essen, Fünfter der jüngst beendeten Bundesligasaison und vor knapp zwei Wochen Finalist im DFB-Pokal. „Der Anschluss an einen Männer-Verein kann doch nicht das Allheilmittel sein“, sagt deren Vorsitzender Ulrich Meier (69). Über Jahre haben wir unter Beweis gestellt, dass wir gute Spielerinnen hervorbringen, dass wir aus Talenten gestandene Bundesligaspielerinnen machen können.“ Sechs SGS-Spielerinnen wurden in den vergangenen zwei Jahren zu deutschen Nationalspielerinnen, bei der WM im vergangenen Jahr waren die Essenerinnen in der Überzahl. Alle spielen künftig bei den ganz großen Klubs. So räumt auch Meier ein: „Wir werden unseren Weg unbeirrbar weiter bestreiten und Talente ausbilden. Aber die finanziellen Mittel, sie zu halten, stehen uns nicht zur Verfügung.“