Breslau. Nach der 29:32-Niederlage gegen Spanien zum EM-Auftakt muss an diesem Montag im zweiten Gruppenspiel gegen Schweden ein Sieg her.
Als Christian Dissinger sich in die Luft schraubte und das 3:2 der deutschen Handball-Nationalmannschaft gegen Spanien erzielte, wechselten einige Zuschauer auf den Tribünen in Breslaus Jahrhunderthalle vielsagende Blicke. Es war schon der zweite Treffer des 2,02 Meter großen Rückraumspielers in vier Minuten. Vier weitere sollten folgen, damit war Dissinger der beste deutsche Werfer bei der 29:32-Niederlage im ersten deutschen Spiel der Europameisterschaft gegen die favorisierten Spanier.
„Ich bin ganz unbekümmert in das Spiel gegangen“, sagt Dissinger. So will er trotz der ersten Enttäuschung auch die zweite Partie am Montagabend (20.15 Uhr/ARD) gegen Schweden angehen, obwohl DHB-Vizepräsident Bob Hanning warnt: „Gegen Spanien war es von der Herangehensweise her einfacher als gegen Schweden.“
Der schwere Weg eines Talents
Gegen Spanien erwartete nämlich niemand einen Sieg der deutschen Auswahl. „Wenn man ganz ehrlich ist, hatte man nach den ganzen Verletzungen vorher eher befürchtet, dass es ein Desaster geben könnte“, sagt DHB-Präsident Andreas Michelmann. Das konnte die Mannschaft abwenden, indem sie sich nach einem 11:18-Rückstand zurückgekämpft hatte. Gegen die Schweden, die sich zum Start mit 23:21 gegen Slowenien durchsetzten, stehen die jungen deutschen Akteure nun mehr unter Druck. „Das Spiel wollen wir gewinnen. Wenn wir ans Verlieren denken, verlieren wir auch“, sagt Dissinger.
Mit 24 Jahren gehört Christian Dissinger zu der neuen Generation von Spielern, für die die Handball-EM in Polen ein Entwicklungsschritt ist auf dem Weg zu dem vom deutschen Verband angestrebten Ziel Olympiagold 2020. Gegen Spanien absolvierte der gebürtige Ludwigshafener erst sein achtes Länderspiel, dabei galt er bereits nach der Junioren-WM 2011 als großes Rückraum-Talent. Deutschland gewann Gold. Dissinger, damals 19, wurde zum wertvollsten Spieler des Turniers gewählt und kurz darauf vom damaligen Bundestrainer Martin Heuberger erstmals für den erweiterten Kader der Senioren nominiert – wenige Tage später riss er sich das Kreuzband im linken Knie. Da spielte er gerade beim Schweizer Meister und Champions-League-Teilnehmer Kadetten Schaffhausen. Dissinger hatte sich bewusst für diesen Weg entschieden, da er befürchtete, in der Bundesliga als junger Spieler nicht genügend Spielanteile zu bekommen.
Anderthalb Jahre später riss das rechte Kreuzband. Dissinger hatte gerade einen Vertrag beim spanischen Spitzenklub Altético Madrid unterschrieben, der aber wenige Monate später pleite ging. „Da hatte ich schon die Gedanken aufzuhören, weil ich einfach das Licht am Ende des Tunnels nicht mehr gesehen habe“, sagt er. Wieder kämpfte er sich zurück – nun spielt er beim THW Kiel, wo er vor wenigen Tagen eine Vertragsverlängerung bis 2020 erhielt. „Ich weiß, dass ich viel Potenzial habe“, sagt Dissinger.
Bundestrainer kennt den Gegner
Dieses Potenzial war gegen Spanien deutlich zu sehen. Genau wie das der anderen jungen Handballer, von denen alle bis auf Martin Strobel, 29, und Carsten Lichtlein, 35, gerade ihre erste EM spielen. „Wir haben eine spektakuläre Mannschaft, eine Wundertüte, keiner rechnet so wirklich mit uns“, sagt Dissinger.
Ähnliches trifft aber auch auf die Schweden zu, die im Rückraum einen Altersdurchschnitt von 23,5 Jahren haben. „Die sitzen im gleichen Boot wie wir“, sagt Dagur Sigurdsson. „Wir müssen zusehen, dass wir stabiler spielen.“ Zumindest die Analyse fällt dem Bundestrainer vergleichsweise leicht, die Hälfte der schwedischen Mannschaft spielt in der Bundesliga. „Das spart mir die Hälfte der Zeit“, sagt er. Wie die Deutschen zeigte Schweden zum Auftakt eine schwankende Leistung, lag nach der ersten Hälfte 16:9 vorn, gab die Partie dann aber beinahe noch aus den Händen. Christian Dissinger hatte sich nur diese erste Hälfte angesehen. „Das war vielleicht ganz gut so“, sagt er.