Essen. Außer Kontrolle geratene Fans von Fortuna Düsseldorf fluteten im Relegationsspiel das Feld. In einer Situation, da nicht nur Wut und Ärger, sondern auch Freude und Jubel bis zum Chaos eskalieren, sind alle gefordert, die sich die schönen Seiten dieses Spiels bewahren wollen. Ein Kommentar.
Der aktuelle Hit der „Toten Hosen“ verheißt Gänsehaut-Feeling und ist nicht umsonst von den Dortmunder Meisterfußballern zu ihrem Lieblingslied erkoren worden. An „einem Tag wie diesen“ in der Düsseldorfer Arena werden die bekennenden Fortuna-Fans um Bandleader Campino bei der Kreation ihres Songs freilich nicht gedacht haben. Statt Freude pur dominierten Schock und Sorge, als das Spielfeld von außer Kontrolle geratenen Fortuna-Fans geflutet wurde.
Spätestens nach diesen Bildern ist klar: Dem Volkssport Fußball, der bisher vor allem durch Gewaltexzesse und (Wett-)Betrug in Verruf geriet, droht von einer Seite Gefahr, die niemand für möglich gehalten hätte. Angesichts jeder Form von Randale in und außerhalb der Stadien ist reflexartig davon die Rede, dass es sich hier ja nicht um Fußballfreunde handele, sondern um Chaoten, die den Fußball lediglich als Bühne für ihre Aggressionen missbrauchen. Ein Erklärungsmuster, das weder für die Ausschreitungen frustrierter Fans nach dem Zweitliga-Abstieg des Karlsruher SC noch für den Rasensturm freudetrunkener (aber immerhin nicht aggressiver) Fortuna-Anhänger herhalten kann.
Alle Beteiligten müssen wieder Bodenhaftung bekommen
Wenn der Fußball aber nicht nur Feinde fürchten muss, sondern sogar seine Freunde, präziser: deren hemmungslose Zuneigung, dann bekommt er ein Problem, das über die Hooligan-Thematik hinausgeht. In einer Situation, da nicht nur Wut und Ärger, sondern auch Freude und Jubel bis zum Chaos eskalieren, sind alle gefordert, die sich die schönen Seiten dieses Spiels bewahren wollen. Nicht zuletzt die Medien. Wenn die ganze Szene am Rad dreht – darf man sich da wundern, wenn auch die Fans irgendwann komplett durchdrehen?
Es ist höchste Zeit, dass alle an diesem Millionenspiel Beteiligten wieder Bodenhaftung bekommen. Dazu gehört, bei der Kommentierung der Düsseldorfer Vorfälle die Kirche im Dorf zu lassen. Wer wie Anwalt Christoph Schickhardt die Hertha-Spieler zu „Helden“ macht, die sich in „Todesgefahr“ befunden hätten, gibt sich der Lächerlichkeit preis. Dabei hätte der Verein nach einer Katastrophensaison noch ein versöhnliches Zeichen setzen können. Wenn er denn der Versuchung widerstanden hätte, aus den chaotischen Szenen womöglich noch Kapital zu schlagen. Zur Erinnerung: Ein Spielabbruch mit negativen Konsequenzen ausschließlich für die Berliner war bereits vor den finalen Vorkommnissen zu rechtfertigen, als aus der Hertha-Kurve massenhaft Leuchtraketen und Rauchbomben aufs Spielfeld flogen.
Vor diesem Hintergrund hat sich die Bild-Zeitung den Preis für den Treppenwitz des Jahres verdient, indem sie das „Recht auf Gerechtigkeit“ für Hertha reklamiert – verbunden mit der Idee, die Liga aufzustocken. Ja, geht’s noch?