Düsseldorf. Das Warnsignal nach den Vorkommnissen beim Relegationsspiel zwischen Düsseldorf und Hertha sagt: Nicht nur Chaoten glauben inzwischen, im Stadion machen zu können, was sie wollen. In England hat man die Stehplätze abgeschafft, den Rest besorgen horrende Eintrittspreise. Ein Kommentar.

Die letzte Partie dieser Bundesliga-Saison ist gespielt. Zurück bleibt die pure Ratlosigkeit. Lebensgefährliche Bengalos aus der Hertha-Kurve, Düsseldorfer Fans, die vor dem Abpfiff den Rasen stürmen. Was war das im Düsseldorfer Stadion? Ein Herdentrieb, geboren aus besinnungsloser Begeisterung? Ein Skandal? Eine Schande? Am Ende lässt einen die entscheidende Frage, die weit über diesen Abend hinaus geht, ratlos zurück: Warum läuft im deutschen Fußball in den letzten Monaten so viel aus dem Ruder?

Denn im Grunde sollte es ja kaum schöner sein als heute, sich die Bundesliga anzuschauen. Die Stadien sind modern und komfortabel, die Preise trotzdem moderat. Man hat Zäune und Gitter abgebaut und seit der Weltmeisterschaft 2006 so viele Familien wie nie zuvor in die Stadien gelockt.

Warnsignal aus Düsseldorf

Und dann das: 1000 Grad heiße Bengalos und Explosionen auf dem Platz und den Rängen sind nicht mehr die Ausnahme, sondern fast schon die Regel. Spieler werden vor der Wohnungstür bedroht oder in ihrer Freizeit zusammen geschlagen, Fans dritt- und viertklassiger Vereine nehmen Autobahnraststätten auseinander, Verrückte drängen Fan-Busse des Gegners von der Autobahn und bewerfen sie mit Steinen.

Was den aktuellen Fall Düsseldorf angeht: Es waren zwar keine Radalierer, die den Rasen gestürmt haben. Aber ob Tausende sich und andere aus Freude oder Dummheit gefährdet haben, macht nicht den entscheidenden Unterschied. Das Warnsignal aus Düsseldorf sagt: Nicht nur Chaoten glauben inzwischen, im Stadion machen zu können, was sie wollen.

Darüber hinaus hat sich in bestimmten Fan-Kreisen das Denken durchgesetzt, zu kurz zu kommen. Den Ultras, die hinter der Zündelei stecken, geht es angeblich darum, den wahren Kern des Fußballs gegen den überbordenden Kommerz zurück zu erobern – wie auch immer dieser Kern aussehen soll. Tatsächlich aber scheint es mehr und mehr um massive Einflussnahme auf das Spiel zu gehen.

Der Fußball hat nach Vorfällen wie in Düsseldorf immer wieder darauf hingewiesen, dass er als Bühne missbraucht wird, als Projektionsfläche für gesellschaftliche Probleme herhalten muss. Aber das wird seiner Eigenverantwortung immer weniger gerecht, weil diese Bühne, weil dieses Spiel inzwischen so überlebensgroß geworden ist. Nun steht er da mit einem Problem, für das niemand ein Patentrezept besitzt. Es gibt die, die härteres Durchgreifen fordern; es gibt die, die auf Dialog setzen. Bislang hat man von allem ein bisschen versucht. In der Konsequenz drohen Liga, Vereine, Politik und Polizei von einer Entwicklung überholt zu werden, die in die falsche Richtung geht.

In England hat man die Stehplätze abgeschafft

Es ist kein Trost, dass Deutschland mit diesen Problemen nicht alleine steht. In England hat man längst die Stehplätze abgeschafft, Karten gibt es nur noch gegen Vorlage des Ausweises. Den Rest besorgen horrende Eintrittspreise. Jetzt herrscht Ruhe, in jeder Hinsicht, denn auch die Stimmung ist hin. Noch will niemand englische Verhältnisse. Die bittere Pointe: Die, die sie vehement ablehnen, brocken sie uns gerade ein.