Frankfurt/Mainz. .
Trainer Thomas Tuchel steht mit Tabellenführer FSV Mainz 05 auf der Sonnenseite. Doch sein Zaun-Jubel am vergangenen Spieltag hat dem Coach viel Kritik eingebracht.
Thomas Tuchel kann zur Zeit machen, was er will - es klappt. Bei einem Benefizspiel zu Gunsten der Haiti-Kinderhilfe wechselte sich der Erfolgscoach von Überraschungs-Tabellenführer FSV Mainz 05 selbst ein und traf prompt für sein „Business Team“. Sein Ausflug auf das Spielfeld brachte Tuchel zumindest mehr Lob ein als sein Abstecher auf den Tribünenzaun nach dem 4:2-Sieg der Mainzer gegen 1899 Hoffenheim vor anderthalb Wochen.
Wegen seiner spontanen Party mit den Fans und dem „Humba Täterä“-Jubel per Megaphon steht der 37 Jahre alte Sympathieträger auch nach der Länderspiel-Pause und vor dem Heimspiel am Samstag gegen den Hamburger SV (15.30 Uhr/live bei Sky und Liga total!) in der Kritik. Kollegen wie HSV-Coach Armin Veh oder Bayern Münchens Sportdirektor Christian Nerlinger ätzten gegen „Aufsteiger“ Tuchel.
FSV-Manager kann Aufregung nicht nachvollziehen
FSV-Manager Christian Heidel kann die Aufregung über den Zaun-Jubel nicht nachvollziehen und weist die Lästermäuler in die Schranken. „Ich tue mich schwer, wenn sich Vertreter anderer Klubs so äußern. Als Jürgen Klopp noch unser Trainer war, stand er 25 Mal da oben. Das hat keinen gestört. Das alles hängt jetzt sicher auch mit dem gestiegenen Interesse an Mainz 05 zusammen“, sagte Heidel dem Sport-Informations-Dienst (SID) und kündigte an: „Wenn es in dieser Saison weiter Anlass gibt, trage ich Thomas eigenhändig auf den Zaun. Die Bayern gehen auf den Balkon - wir gehen auf den Zaun.“
Nerlinger hatte zuvor die deutlichste Kritik geübt: „Ich habe Herrn Tuchel nach dem Sieg gegen Hoffenheim auf dem Fangzaun gesehen und mir gedacht, dass es um den auch noch ruhiger wird. So etwas macht man nicht: Als Trainer gehe ich nicht in die Kurve und singe“, sagte Nerlinger und erhielt Unterstützung von Veh: „Der erlebt auch noch andere Zeiten. Als junger Trainer glaubt man, das passiert nicht. Aber er wird es erleben.“
Die Kontrahenten nehmen Mainz inzwischen ernst
Klingt nach Neid der zur Zeit abgeschlagenen Konkurrenz auf die Himmelstürmer aus Mainz. Auf jeden Fall nehmen die Kontrahenten den FSV inzwischen ernst. Kein Wunder, mit sieben Siegen in sieben Spielen stürmte der selbsternannte Karnevalsverein völlig überraschend an die Tabellenspitze und hat 13 Punkte Vorsprung auf Titelverteidiger FC Bayern.
Der frühere Bundesliga-Profi Thomas Doll kann die kritischen Kommentare nach Tuchels Aktion indes nicht verstehen. „Es ist lächerlich, wenn man sich über so etwas aufregt. Da ist auch ein bisschen Neid dabei, das haben wir in Deutschland generell ab und zu“, sagte der einstige Hamburger und Dortmunder Trainer Doll bei Sport1.
Auch Leverkusens erfahrener Coach Jupp Heynckes hat Verständnis für seinen fast dreißig Jahre jüngeren Kollegen aus Mainz: „Ich würde so was in der richtigen Situation ebenfalls tun, warum nicht? „, erklärte Heynckes: „So wie Thomas Tuchel das macht, finde ich das absolut sympathisch.“ Der 65-Jährige wies zudem darauf hin, dass Tuchel von den FSV-Anhängern unaufhörlich dazu aufgefordert worden war, auf den Zaun vor der Fankurve zu steigen und per Megaphon zu singen. Heynckes: „Er hat sich ja schließlich nicht einfach so dahingestellt.“
Tuchel sieht die Situation gelassen
Tuchel selbst sieht die Situation ganz gelassen. „Das auf dem Zaun war eine Aktion aus Respekt gegenüber den Fans, die das gefordert haben. Wann und ob ich es das nächste Mal mache, weiß ich nicht“, sagte Tuchel, der nicht nachtragend ist: „Als ich in Augsburg in der Jugen gespielt habe, habe ich Armin Veh kennengelernt. Es ist kein besonderes Verhältnis entstanden. Aber ich kann mir nicht vorstellen, dass Veh mich kränken wollte.“
Die Gefahr, dass Tuchel abhebt, besteht ohnehin wohl kaum. Bislang tat es der abseits des Feldes eher ruhige Familienvater erst zweimal dem kultigen Mainzer Ex-Coach Jürgen Klopp gleich und kletterte auf den Zaun vor dem Fanblock. In der vergangenen Saison nach dem 3:0 gegen den SC Freiburg im Oktober 2009 war Tuchel erstmals der Aufforderung der Anhänger nachgekommen - und hatte sich in luftiger Höhe feiern lassen. (sid)