Essen. Der Wattenscheider Thomas Goller hat sich nach langwierigen Verletzungen zurückgekämpft. Bei den Weltmeisterschaften in Berlin startet er über 400 Meter Hürden. Doch zum vollkommenen Glück fehlt ihm etwas - es hat mit seiner sprintenden Freundin Sina Schielke zu tun.
Leidenszeit ist Bewährungszeit. Leidenszeit bringt die wahren Qualitäten eines Sportlers hervor. Hält er durch oder gibt er auf? Thomas Goller (TV Wattenscheid) hat nie aufgegeben. Auch wenn sein Körper oft der größte Gegner war.
Bei den Deutschen Meisterschaften in Ulm hat er sich über 400 Meter Hürden erstaunlich souverän in 49,20 Sekunden für die Weltmeisterschaften in Berlin (15.-23. August) qualifiziert. „Dieses Happy End macht mich überglücklich“, sagt der 31-Jährige.
Schmerz-Jahre
Die Leidenszeit zog sich nun über acht Jahre hin, die Erfolge erzielte er im anderen Jahrtausend. Seit dem Jahr 2000 ist er nun ein einziges Mal unter 50 Sekunden geblieben. An der Achillessehne zwickte es gewaltig. Zwei Operationen folgten, nichts wurde besser. Bis endlich jemand feststellte, dass Schmerz-Ort und Schmerz-Auslöser ganz weit auseinander lagen.
Die Goller-Karriere
Vor gut zehn Jahren hatte die vielversprechende Karriere von Thomas Goller begonnen. Bei der U23-Europameisterschaft gewann er 1999 Gold.
Und als er nach 48,54 Sekunden die Ziellinie überquert hatte, tönte er damals laut, dass er den deutschen Rekord von Harald Schmid (47,48 sec) brechen wolle: „Ich war damals absolut davon überzeugt. Jetzt weiß ich, was es bedeutet, 47-er Zeiten zu laufen.“
Seine persönliche Bestmarke hat bis heute Gültigkeit. Thomas Goller weiß nur zu gut, wie viele Leute ihm diese Rückkehr nicht mehr zugetraut hatten, die ihn komplett aufgegeben hatten: „Ich selbst habe immer geglaubt, dass ich zurückkommen werde.“ Die Ziele für die WM sind klar gesteckt: Das Halbfinale will er erreichen, für „das Finale müsste ich mindestens eine halbe Sekunde noch drauflegen.“
Der Rücken war schuld: Verschobene Wirbel sorgten für eingeklemmte Nerven, der Schmerz meldete sich nur an der schwächsten Stelle. Dieser jemand, der ihn wieder auf die Bahn brachte war die Sportphysiotherapeutin Gabi Lantermann sowie ihr Lebensgefährte und Physiotherapeut Calogero Alaimo Di Loro. Ihr Spezialgebiet: Bio-Feedback.
Was steckt hinter Bio-Feedback?
Die Methode des Bio-Feedbacks sei bemüht, die Funktionen des Körpers dem Bewusstsein zugänglich zu machen, so Thomas Goller. Er nennt es eine „geistige und gezielte Ansteuerung in der Muskulatur durch die Konzentration auf einen bestimmten Muskel.“ Durch genaue Messungen könnten Schwachpunkte kontrolliert und systematisch aufgewertet werden.
Seit er mit dem Physio-Duo zusammenarbeitet, geht es bergauf. In der Halle wurde er Deutscher Meister über 400 Meter und er schaffte es mit der 4 x 400-Meter-Staffel zur Hallen-Europameisterschaft: „Ab da hat mich das Konzept noch mehr überzeugt.“
Kritik zwischen den Zeilen an Wattenscheid?
Während er von den beiden schwärmt, sind seine Worte über den TV Wattenscheid deutlich zurückhaltender. Das Bemühen, eine positiv klingende Aussage zu treffen, ist herauszuhören: „Ich finde gut, dass man mir in der harten Zeit keine Steine in den Weg gelegt hat.“ Das Dilemma: Wer Leistung bringt, bekommt Unterstützung, wer keine bringt, muss allzu oft selbst schauen, wie er wieder auf die Beine kommt. „Ein schwieriger Fall“, sagt auch Goller nachdenklich.
„Ich verstehe es schon, dass man nicht auf mich gesetzt hat.“ Parallel aber musste der Sport aber Geld abwerfen: „Es ist nun ein knallhartes Geschäft.“ Denn mittlerweile sind Thomas Goller und seine Freundin Sina Schielke Eltern einer elfmonatigen Tochter.
Nytra & Bayer sind aber das neue Traumpaar
Während das „neue Traumpaar der Leichtathletik“, Hürdensprinterin Carolin Nytra und ihr weitspringenden Freund Sebastian Bayer, in Ulm gemeinsam ihre Erfolge feierten, musste Thomas Goller auf seine sprintende Freundin Sina Schielke verzichten. Sie wird während der WM möglicherweise für zwei bis drei Tage nach Berlin fahren, um ihren Freund anzufeuern. „Wenn es denn passt“, sagt die Sprinterin, die wie ihr Freund trotz zahlreicher Rückschläge wieder angreifen will. Ihr Comeback hat sie am 26. Juli in Zeulenroda mit ausbaufähigen 11,75 Sekunden über 100 Meter gegeben.
Viele schütteln mittlerweile den Kopf darüber, bringen hämische Kommentare wie Schielke sei die Anna Kournikova der Leichtathletik: gute Figur, etwas Talent, wenig Erfolg. Aber ihr Freund Thomas Goller ist derzeit der beste Beweis, dass der starke Glaube an die eigenen Fähigkeiten Früchte tragen kann. Berlin könnte für ihn ein schöner Schlusspunkt sein. 1998 gewann er in eben jenem Olympiastadion seine erste nationalen Titel bei den Männern.
Doch Thomas Goller könnte sich noch ein weiteres Jahr im Hürdenwald vorstellen. Schließlich steht 2010 in Barcelona eine Europameisterschaft an. Und in der europäischen Bestenliste steht Goller derzeit auf Rang zwei. Wenn das kein Ansporn ist ...