Gelsenkirchen. .
Den Trainer Fritz Sdunek und den Weltmeister Vitali Klitschko verbindet mehr als der Erfolg im Boxgeschäft. Frank Lamers hat mit Sdunek und Klitschko gesprochen.
Der eine ist Weltmeister des World Boxing Council, des Boxverbandes, dessen Gürtel vor ihm Muhammad Ali, Mike Tyson und Lennox Lewis getragen haben. Der andere hat viele zu Welttiteln geführt, von Artur Grigorian über Dariusz Michalczewski bis hin zu Zsolt Erdei. Doch nach Krebs, nach Herzproblemen und einer Hüftoperation hat er sich entschieden, nur noch einen Mann zu trainieren. Den Mann, mit dem er seit 1996 arbeitet und mit dem ihn mehr verbindet als Ringe. Frank Lamers hat mit Fritz Sdunek, dem Trainer, und mit Vitali Klitschko, dem Weltmeister, gesprochen. Über Fisch, Respekt und den letzten Gong.
Herr Klitschko, können Sie sich noch an Ihren ersten Grillabend bei Fritz Sdunek erinnern?
Klitschko: Gute Frage. Wir haben so oft gegrillt, ich glaube, ich weiß es nicht mehr. Aber am schönsten war es 1997 in Houston, vor dem Kampf von Evander Holyfield gegen Michael Moorer. Das war ein Fisch!
In der Boxszene sind Sie bekannt für schöne Grillabende, Herr Sdunek. Hat ein Grillabend auch einen sportlichen Sinn?
Sdunek: Die Jungs werden lockerer. Ich habe gegrillt. Oder ich habe Fische geräuchert. Du hast meinen geräucherten Aal doch nur so weggegessen, Vitali! Und ich habe das schon immer bewusst gemacht. Es ging mir auch darum, in einer Einzelsportart die Verbindung untereinander zu fördern. Und in früheren Jahren war ich beim Universum-Boxstall ja nicht mit Vitali allein, da waren zum Teil 13, 14 Boxer bei mir.
Ist das eine Stärke von Fritz Sdunek, Herr Klitschko? Dass er die Verbindung zwischen Trainer und Sportler stark machen kann?
Klitschko: Fritz ist nicht mein erster, nicht mein zweiter, nicht mein dritter Trainer. Ich hatte meine Erfahrungen mit Trainern, bevor ich zu Fritz gekommen bin. Und die größte Stärke von Fritz ist: Er versucht nicht, den Sportler zu ändern. Er nimmt den Sportler und versucht, seine Art und Weise zu verbessern. Er versucht, die Stärken zu stärken. Und er ist ein guter Psychologe. Alle haben Vertrauen zu ihm. Er ist ein Kumpel.
Gefällt Ihnen diese Einschätzung, Herr Sdunek? Der Trainer als Kumpel?
Sdunek: Ach, das kommt darauf an, wie man es auslegt. Ich bin schon Papa Fritz genannt worden, auch schon Mama Fritz, Klucke Fritz, Kumpel Fritz. Das ist mir aber völlig egal. Ich messe meine Autorität nicht über die Anrede: Herr Sdunek. Entscheidend ist für mich der Respekt, den man mir entgegen bringt.
Klitschko: Ich glaube, wenn man nicht echt ist, dann fällt früher oder später einmal die Maske herunter. Ich habe zu Fritz noch genau das gleiche Verhältnis wie damals, als ich 1996 zu ihm gekommen bin. Er ist nur grau geworden. Und ein paar graue Haare hat er wegen mir.
Hat sich in den vergangenen 14 Jahren Ihr Führungsstil, Ihr Stil als Trainer denn nie verändert, Herr Sdunek?
Sdunek: Am Anfang, als ich Wladimir und Vitali trainiert habe, gab es für sie schon mal Geldstrafen. Aber nur wegen ihrer Unpünktlichkeit. Das ging dann in die Mannschaftskasse. Aber den harten DDR-Führungsstil, den konnte man hier im Westen nicht durchziehen (Anm. d. Red.: Sdunek stammt aus Mecklenburg-Vorpommern und studierte an der Deutschen Hochschule für Körperkultur in Leipzig). Einmal habe ich erfahren, dass Ralf Rocchigiani beim Zocken in Berlin war. Ich bin hingefahren, habe mich zweieinhalb Stunden neben ihn gesetzt, ganz still. Dann hat er sein Geld genommen und ist mit zurück nach Hamburg ins Gym gekommen. Ralf hat wohl gedacht: Einen Trainer, der so verrückt ist, den kann man nicht im Stich lassen.
Sie haben sich dazu entschlossen, nur noch Vitali zu trainieren. In obskure Zockerbuden müssen Sie wohl nicht mehr?
Sdunek: Nein. Dafür steht der Trainingsplan für Vitali jetzt schon fest, und zwar bis zum 29. Mai, bis zum Kampf gegen Albert Sosnowski. Das nenne ich eine sozialistische Planwirtschaft. Das haben wir gelernt. Bei Wladimir und Vitali ist es aber gut, dass man alles durchsprechen kann. Bei Vitali müssen wir natürlich aufpassen. Er hatte eine Rückenoperation, ist nicht mehr der Jüngste. Deshalb trainieren wir jetzt auch viel im Wasser.
Sie sprechen von Wladimir, als wäre er noch dabei. Herr Klitschko, hat es das familiäre Verhältnis nicht sehr belastet, als sich Ihr Bruder 2004 von Fritz Sdunek getrennt hat?
Klitschko: Wir sind ja keine Zwillinge. Aber Wladimir hat Respekt vor Fritz. Er hat damals einen europäischen Stil geboxt, und er wollte etwas ändern, er wollte sich einen amerikanischen Stil aneignen. Wladimir hat dann mit Fritz gesprochen, und Fritz hat gesagt: Der Beste in Amerika ist Emanuel Steward. Und Emanuel ist jetzt der Trainer von Wladimir.
Und doch war es ein Bruch...
Klitschko: Menschlich hat es sicher ein bisschen weh getan für Fritz. Aber, Hut ab vor Fritz. Das Verhältnis ist noch immer gut. Wladimir ruft Fritz an. Er hört auf seine Analysen. Weil er Respekt hat.
Das Paar Vitali Klitschko und Fritz Sdunek ist zusammen geblieben. Wie lange wird diese Beziehung noch andauern?
Klitschko: Wir bleiben Freunde...
Sdunek: ...bis einer den Löffel nimmt.
Klitschko: Ich bin glücklich mit Fritz. Und ich glaube, er ist auch glücklich mit mir...
Sdunek: ...und zwar bis zum letzten Gongschlag.
„Das wird kein Spaziergang“
Sie steigen am 29. Mai in der Schalker Arena zwischen die Ringseile, um ihren Weltmeistertitel zu verteidigen, Herr Klitschko. Wie sind Sie ausgerechnet auf Albert Sosnowski als neuem Gegner gekommen?
Klitschko: Ich brauchte einen Gegner, der nicht weglaufen will, der hungrig ist. Und das brauchen auch die Zuschauer. Spannung. Mit Sosnowski haben wir die beste Möglichkeit, diese Spannung zu erzeugen.
Der Pole ist zwar Europameister. Aber in Deutschland hat er keinen Namen, der im Vorfeld für Spannung sorgen könnte.
Klitschko: Andrzej Golota ist auch Pole und ein Schwergewicht. Und er ist zigmal bekannter in Deutschland als Sosnowski. Aber Experten wissen, Golota ist hinter dem Berg. Sosnowski dagegen ist sicher kein Ali. Aber der Name Vitali Klitschko war auch nicht so bekannt, bevor ich von Lennox Lewis die Chance bekommen habe, gegen ihn zu boxen. Ich war unbekannt, und er hat mir die Chance gegeben, meine Fähigkeiten zu zeigen. Das war genau die Situation, die ich heute mit Albert Sosnowski habe. Und, bedenken Sie. Er hat 48 Kämpfe als Profi, mehr als ich (Anm. der Red.: 41). Das wird kein Spaziergang.