Düsseldorf.
Nach neunmonatiger Pause ist Wladimir Klitschko wieder erfolgshungrig und zeigt Eddie Chambers die Zähne. Am Samstagabend geht’s in Düsseldorf um die Weltmeisterschaft im Schwergewichts-Boxen.
Musik dröhnt aus den Boxen eines Düsseldorfer Autohauses. Es ist laut. Zu laut für den Weltmeister. „Ein wenig leiser“, bittet Wladimir Klitschko, mit dem Boxhandschuh winkend, um Ruhe. Zwischen all den aufgereihten schwäbischen Luxuslimousinen soll schließlich jeder hören können wie es klingt, wenn die ukrainische A-Klasse des Schwergewichts seinem Coach Emanuel Steward beim Showtraining ein paar Fäuste auf die Pratzen knallt.
Stewards Platz wird am Samstagabend „Fast“ Eddie Chambers einnehmen. Der wieselflinke Herausforderer wird die Schläge seines 33-jährigen Gegenübers nicht nur zu hören, sondern auch zu spüren bekommen. Vor erwarteten 51 000 Zuschauern in der Düsseldorfer Arena will Wladimir Klitschko erneut den Ton angeben.
Dafür hat sich der WBO-, IBF- und IBO-Weltmeister im bereits traditionellen Trainingslager vor der winterlichen Kulisse im österreichischen Going wochenlang geschunden. An der Düsseldorfer Rheinuferpromenade sonnt sich der jüngere der beiden Klitschko-Brüder nun wenige Tage vor dem Kampfabend in den ersten zaghaften Frühlingsausläufern und auf dem Zenit seiner Karriere. Noch nie habe er sich so überlegt, so schnell und so erfahren gefühlt. „Die Pause hat mir gut getan“, sagt er mit auskurierter Schulter, in der er sich bei seinem letzten K.o.-Sieg vor 61 000 Zuschauern auf Schalke gegen Ruslan Chagaev eine Sehne angerissen hatte.
Doch das ist nur die eine Seite. Die andere zeigt einen rastlosen, einen ausgehungerten Weltmeister. Nach der unfreiwilligen, neunmonatigen boxerischen Null-Diät habe er wieder richtig Appetit bekommen. Es juckt ihm in den Fäusten. Sie knurren, lechzen geradezu nach neuen Gegnern. Sehr zum Leidwesen seiner Sparringspartner. Der Brite Michael Sprott, die amerikanischen Profis Jonathan Banks und Kasim Howard sowie der US-Amateur Mike Hunter können ein Lied davon singen. Allesamt gute Boxer und doch nicht mehr als genügsame Chambers-Imitatoren. Sorgfältig ausgewählt aufgrund ihrer Größe und ihrer Schnelligkeit. In Österreich bekamen sie den Ehrgeiz des Weltmeisters schmerzhaft zu spüren. Mehrfach musste Steward das Sparring vorzeitig abbrechen, nachdem Klitschko seine Kampfstatisten „überhart“, so sein Trainer, traktierte.
Vor vier Jahren zählte auch noch Eddie Chambers zu ihnen. Zwei Tage lang ließ er sich von Klitschko vor dessen Kampf in New York gegen Calvin Brock weichklopfen. Rückschlüsse aus dieser Zeit sind überflüssig. Chambers hat sich laut Klitschko enorm weiterentwickelt.
Ohnehin ist die Kampf-Choreographie bereits geschrieben. Gegen den 1,98 Meter großen Klitschko bleibt dem 13 Zentimeter kleineren Chambers angesichts der geringeren Reichweite nur die Feuerwehr-Taktik: Schnell rein, schnell raus und dabei aufpassen, dass von oben nichts herabstürzt.
Eine Erfahrung, die er und sein Team erst kürzlich außerhalb der Ringseile durchleben mussten. Auf dem Weg nach Deutschland brach im Cockpit des in seiner Wahl-Heimatstadt Philadelphia gestarteten Flugzeugs ein Brand aus. Der 27-Jährige und sein Team kamen mit einem Schock und einem unplanmäßigen Zwischenstopp in Boston davon.
Ansporn und Bürde
Nicht erst seit diesem Zwischenfall ist Philadelphia für den 27-Jährigen ein unbequemes Pflaster. Neben der Filmfigur Rocky Balboa aus dem gleichnamigen Box-Epos hat die Stadt der brüderlichen Liebe an Amerikas Ostküste viele namhafte Faustkämpfer hervorgebracht. „Das ist für mich ein Ansporn aber zugleich auch eine große Bürde“, bekennt Chambers.
Nach den Worten seines Trainers Rob Murray Sr. sei bereits die Kindheit in Pittsburgh von Druck geprägt gewesen. Chambers sei in armen Verhältnissen und ohne Heizung aufgewachsen. Sogar die Schuhe seiner Mutter musste er auftragen.
Wladimir Klitschko lassen die Kindheitsgeschichten seines Gegners kalt. Für ihn zählt nur eins: „Er will den Klitschkos die Titel wegnehmen, das werde ich nicht erlauben.“ Denn trotz aller Erfolge ist der Champion eben noch lange nicht satt.