Warendorf. Wegen der anhaltenden Dopingdebatte um den deutschen Reitsport hat die Reiterliche Vereinigung hart durchgegriffen und den Spitzen-Kader aufgelöst. Der viermalige Olympiasieger im Springreiten, Ludger Beerbaum, wurde gesperrt. Er hatte in einem Interview Regelverstöße zugegeben.
In einem bislang beispiellosen Akt hat die Deutsche Reiterliche Vereinigung (FN) in der Doping-Debatte durchgegriffen. Die FN löste sämtliche Spitzen-Kader der olympischen Disziplinen Springen, Dressur und Vielseitigkeit auf und sperrte zudem den viermaligen Olympiasieger Ludger Beerbaum (Riesenbeck) für alle Nationenpreise. Beerbaum hatte mit seinen jüngsten Aussagen zum Umgang mit Medikationen bei Pferden für einen Eklat gesorgt.
Damit riskiert die Reiterliche Vereinigung, dass sie zurzeit ohne Top-Kader dasteht und für Championate wie Europameisterschaften keine Mannschaften zur Verfügung hat. Unabhängig davon ist allerdings die Nominierung für die Nationenpreise, die Bundestrainer Otto Becker nach Leistungen vornehmen soll.
"Schritt Richtung Glaubwürdigkeit"
"Mit der Auflösung der Kader möchten wir einen wichtigen Schritt Richtung Glaubwürdigkeit unternehmen. Bevor ein Reiter wieder in den Kader aufgenommen werden kann, muss er sich der Sonderkommission stellen und sich zu seiner Einstellung sowie seinem Verhalten als Spitzenreiter äußern", sagte FN-Präsident Breido Graf zu Rantzau.
Verärgert zeigte sich Dressurreiterin Heike Kemmer, die als stellvertretende Aktivensprecherin an der Sitzung teilnahm. "Im Namen aller Reiter habe ich zum Ausdruck gebracht, dass wir mit der Entscheidung nicht einverstanden sind. Warum nimmt man nicht die Reiter aus dem Kader, die verdächtigt werden?", sagte die zweimalige Mannschafts-Olympiasiegerin im Hamburger Abendblatt.
DOSB-Generaldirektor Michael Vesper begrüßte die Entscheidung der FN. "Ich halte es für sinnvoll, dass die Reiterliche Vereinigung jetzt einen harten Schnitt macht und mit Hilfe unabhängiger Fachleute umfassende Aufklärung anstrebt", sagte der frühere Grünen-Politiker.
"Ich sehe viel Positives an der Entscheidung"
"Ich sehe viel Positives an der Entscheidung. Endlich werden alle Beteiligten von einer unabhängigen Kommission befragt und berurteilt", sagte Ludger Beerbaum dem Sport-Informations-Dienst (SID). Bezüglich seiner Suspendierung für den Nationenpreis war Beerbaum jedoch verärgert. "Da hätte ich mir eine andere Formulierung gewünscht. Vielleicht hätte man sagen können, dass meine Teilnahme ruht." Altmeister Paul Schöckemöhle (Mühlen) reagierte zufrieden: "Ich bin positiv überrascht und finde es richtig, dass endlich Ordnung geschafft wird."
Bei der Sonderkommission handelt es sich um eine unabhängige Kommission des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB), die Verbandsfunktionäre und Reiter anhören und deren Einstellung zu aktuellen Doping- und Manipulationspraktiken überprüfen soll. Reiter haben erst nach Anhörung und Beurteilung durch die Kommission wieder eine Chance, in die Spitzen-Kader zurückzukehren. Die Kommission nimmt Anfang Juni ihre Arbeit auf, erste Ergebnisse werden innerhalb eines Monats erwartet.
Beerbaum sorgte für Wirbel
Ludger Beerbaum hatte am Wochenende in einem Interview zugegeben, in der Vergangenheit beim Umgang mit Medikationen nicht immer die Regeln eingehalten zu haben. "Im Laufe der Jahre habe ich mich darin eingerichtet, auszuschöpfen, was geht. In der Vergangenheit hatte ich die Haltung: Erlaubt ist, was nicht gefunden wird. Das ist heute nicht mehr aufrechtzuerhalten", sagte der 45-Jährige und sorgte damit für großen Wirbel.
Präsidium und die Geschäftsführung Sport der FN hatten am Donnerstag mehrere Stunden getagt und die jüngsten Vorfälle ausgewertet. Dabei standen die Verbands-Bosse unter großem Druck. Die öffentlich-rechtlichen TV-Sender hatten bereits einen Abbruch der Verhandlungen über die Verlängerung des TV-Vertrages angedroht. Der Vertrag, der am Jahresende ausläuft, bringt dem Verband eine Millionen Euro pro Jahr.
Neben den Aussagen Beerbaums hatten zuletzt Hinweise über weitere Manipulationen im deutschen Springreit-Lager bei Olympia 2008 für Aufsehen gesorgt. So wurde Marco Kutschers Pferd Cornet Obolensky in Hongkong unangemeldet behandelt. Zudem soll Christian Ahlmanns Pferd Cöster, das ohnehin schon für einen Doping-Fall bei Olympia gesorgt hatte, weitere Medikationen erhalten haben. Während die FN ihre Ermittlungen aus Mangel an Beweisen eingestellt hat, sind die Untersuchungen des Weltverbandes FEI noch nicht abgeschlossen.