Duisburg. Der Abstieg des MSV Duisburg ist ein weiteres Kapitel in der Geschichte der tief gefallenen Traditionsklubs. Wir blicken auf andere NRW-Fälle.

Der MSV Duisburg reist auf seiner Profifußball-Abschiedstournee noch einmal in den Osten. Am Samstag (13.30 Uhr/MagentaSport) tritt das Bundesliga-Gründungsmitglied bei Dynamo Dresden an. In der kommenden Saison werden sich die Trips der Zebras dann auf den Westen beschränken. Der Vizemeister von 1964 erleidet den tiefsten Fall seiner langen Vereinsgeschichte, ab Ende Juli werden die Meidericher erstmals eine Spielzeit als Viertligist bestreiten, sollten sie die Lizenz dafür erhalten. Ihr Abstieg ist die Folge einer finanziellen und sportlichen Abwärtsentwicklung. Lange vor dem MSV sind schon einige andere NRW-Traditionsklubs abgestürzt – aus zum Teil ähnlichen Gründen, wie ihre Geschichten zeigen.

SG Wattenscheid 09

Schlagzeilen machte Wattenscheid zuletzt, als das Lohrheidestadion, die Heimat des ehemaligen Bundesligisten, nach dem Umbau blaue und auch weiße Sitzschalen erhalten sollte. Damit waren zwei Missstände aufgedeckt. Zum einen, dass die für den Umbau zuständige Stadt Bochum nur wenig für die Belange des ehemaligen Bundesligisten übrig hat. Sonst hätte sie die an den Stadtrivalen VfL erinnernde Kombination wohl zu einem frühen Zeitpunkt vom Tisch gefegt. Zum anderen fiel der Verein wieder einmal im Zuge eines – diesmal provinziellen – Skandals auf. Skandale waren aber lange das tägliche Geschäft des Vereins nach der Ära des inzwischen verstorbenen Klaus Steilmann. Er hatte mit finanzieller Wucht den Klub bis in die Bundesliga katapultiert, ohne sein Engagement lief danach nur noch wenig. 2019 erfand sich der Verein neu, jetzt gibt er weniger Geld aus, als vorhanden ist, und wurde in der Außendarstellung beständig. In der Oberliga Westfalen schaffte Wattenscheid am vergangenen Wochenende den Klassenerhalt und verhinderte einen erneuten Abstieg – diesmal in Liga 6.

Wattenscheid-Trainer Hannes Bongartz (r.) und Mäzen Klaus Steilmann im Jahr 2003. 
Wattenscheid-Trainer Hannes Bongartz (r.) und Mäzen Klaus Steilmann im Jahr 2003.  © imago

Rot-Weiß Oberhausen

Die große RWO-Blütezeit begann 1969, als Trainer Adi Preißler und Präsident Peter Maaßen den Klub in die Bundesliga führten. Vier Spielzeiten erlebten die Oberhausener um ihren Torjäger Lothar Kobluhn in der höchsten Spielklasse, hart traf den Klub der Zweitliga-Lizenzentzug 1988, als der Verein 1,7 Millionen D-Mark Schulden hatte und nach dem Zwangsabstieg bis in die Viertklassigkeit durchgereicht wurde. Später folgten Fahrstuhljahre, in der 2. Liga spielten die Oberhausener zuletzt 2011. Die wirtschaftlichen Zwänge als Regionalligist bekommt auch RWO zu spüren. Präsident Hajo Sommers musste mehrmals den Rotstift ansetzen, also Mittel zusammenstreichen, um die Liquidität des Klubs zu sichern. Die Rot-Weißen werden nun zum 13. Mal hintereinander zwar einen einstelligen Tabellenplatz in der Regionalliga belegen, aber zum Aufstieg reicht es bislang nicht.

Torjäger von Rot-Weiß Oberhausen: Lothar Kobluhn 1971.
Torjäger von Rot-Weiß Oberhausen: Lothar Kobluhn 1971. © imago

KFC Uerdingen

1985 waren die Seidenstädter erster Pokalsieger im Berliner Olympiastadion, schlugen den FC Bayern mit 2:1. Nur dadurch ereignete sich in der darauffolgenden Saison das Wunder von der Grotenburg: Im Viertelfinale des Europapokals der Pokalsieger hatten die Uerdinger Fußballer, die damals noch den Namen des dahinterstehenden Konzerns und Geldgebers Bayer trugen, das Hinspiel gegen Dynamo Dresden mit 0:2 verloren. In der heimischen Grotenburg-Kampfbahn fegte das Team um die Funkel-Brüder Friedhelm und Wolfgang aber Dynamo mit 7:3 aus dem Stadion. Als sich Bayer 1995 als Sponsor zurückzog, begann der Abstieg. An kaum einem anderen Verein ließe sich die Fatalität der Abhängigkeit von lediglich einem Geldgeber besser symbolisieren als am KFC Uerdingen, der die Rechtsnachfolge der Fußball-Abteilung von Bayer 05 Uerdingen antrat. In der jüngeren Vergangenheit wurde es wild: Da ging es um Machthaber oder um Steuerhinterziehung. 2022 stieg der Klub in die Oberliga ab, steht jetzt aber vor der Regionalliga-Rückkehr.

März 1986 in Uerdingen: Wolfgang Funkel (l.) und Matthias Herget nach dem 7:3 gegen Dresden. 
März 1986 in Uerdingen: Wolfgang Funkel (l.) und Matthias Herget nach dem 7:3 gegen Dresden.  © imago

Wuppertaler SV

1972 stieg der Wuppertaler SV in die Bundesliga auf, ein Jahr später gelang die Qualifikation für den Uefa-Cup. Dann begann der Abstiegskampf. Drei Jahren im Oberhaus folgten fünf in der 2. Liga, nach einer Saison in der Oberliga Niederrhein hat der WSV seine sportliche Heimat nun in der Regionalliga West gefunden. Geblieben sind das schmucke Stadion am Zoo und eine aktive Fanszene. Von dem früheren Glanz ist aber wenig übrig.

Westfalia Herne

In der Saison 2023/24 holte Westfalia Herne das Double: den Kreispokal und die Meisterschaft in der Landesliga Westfalen, verbunden mit dem Aufstieg in die sechsthöchste Spielklasse. Das klingt nach Provinzfußball, ist es auch. Vor allem vor dem Hintergrund der Geschichte am Schloss Strünkede, wo zwischen 1975 und 1979 Zweitliga-Fußball gespielt wurde. Auch hier spielte ein Mäzen eine große Rolle: Dank der finanziellen Unterstützung von Erhard Goldbach sah es in Herne lange rosig aus, die Profi-Abteilung wurde sogar ausgegliedert. Doch das nach außen großzügige Engagement entpuppte sich als Darlehen, die 3,4 Millionen Euro waren nur geliehen. Das brachte Westfalia, den Klub, bei dem der 66er Vize-Weltmeister Hans Tilkowski zur Torwartikone aufstieg, in große Schwierigkeiten. Den Beginn einer Achterbahnfahrt, die schon einmal in die Landesliga führte, markierte übrigens eine Steuer-Razzia

ETB Schwarz-Weiß

1974 wurde der Pokalsieger von 1959 der Nordstaffel der neu gegründeten 2. Bundesliga zugeteilt, 1976 und 1977 verspielte der ETB im Frühling seine aussichtsreiche Position im Kampf um den Bundesliga-Aufstieg. Den Wendepunkt für die Entwicklung des Klubs markierte dann das Jahr 1978, als Präsident Wolfgang Schmitz nicht mehr genug Geld für den Stadtrivalen von Rot-Weiss Essen aufbringen konnte. Der ETB gab deshalb freiwillig seine Zweitliga-Lizenz ab, seit mittlerweile zwölf Jahren ist er Fünftligist. Den Schwarz-Weißen bleibt ihre Erinnerung an erfolgreichere Zeiten.

Der Pokalsieger 1959 kommt aus Essen: ETB Schwarz-Weiß gelingt in Kassel der größte Erfolg der Vereinsgeschichte.
Der Pokalsieger 1959 kommt aus Essen: ETB Schwarz-Weiß gelingt in Kassel der größte Erfolg der Vereinsgeschichte. © Horstmüller

Fortuna Köln

Der Traditionsklub aus der Kölner Südstadt misst sich in der Gegenwart mit Kontrahenten wie dem FC Gütersloh oder der zweiten Mannschaft des SC Paderborn. 1973 hießen seine Gegner Bayern München oder Borussia Mönchengladbach. Die glorreichen Zeiten der Fortuna sind mit einem Namen verbunden: Hans Löring, den alle nur Jean nannten. Der Patriarch ermöglichte als Klubpräsident mit seinem finanziellen Engagement den Erfolg, feuerte 1999 mal Trainer Toni Schumacher in der Halbzeitpause. 26 Jahre lang hielt er den Klub in der 2. Bundesliga, 2001 musste er mit der Fortuna jedoch Insolvenz anmelden. Löring gab sein Amt ab, erkrankte und starb im März 2005. Ohne ihn ging es mit dem DFB-Pokalfinalisten von 1983 bergab, 2004 konnten die Spieler nicht mehr bezahlt werden. Die Kölner spielten ab 2014 zwar wieder in der 3. Liga, stiegen aber 2019 wieder ab.

Die Profifußball-Rückkehrer

Es gibt auch NRW-Vereine, die zwar einen dramatischen Absturz erlebten, aber in jüngerer Vergangenheit die Rückkehr in der Profifußball schafften. Rot-Weiss Essen, der Deutsche Meister von 1955, war nach der Insolvenz 2010 und dem damit verbundenen Zwangsabstieg sogar für eine Saison Fünftligist, spielt aber seit 2022 wieder in der 3. Liga. In dieser Saison mischte RWE sogar im Aufstiegsrennen mit, am Ende könnte die Mannschaft von Trainer Christoph Dabrowski noch Platz vier erreichen.

Aufstiegsjubel: die Aachener Sasa Strujic (M.) und Marcel Johnen.
Aufstiegsjubel: die Aachener Sasa Strujic (M.) und Marcel Johnen. © imago

In der neuen Saison treffen die Essener auf Alemannia Aachen. Die Schwarz-Gelben bejubelten nach elf Jahren Siechtum in der Regionalliga und zwei Insolvenzen kürzlich den Drittliga-Aufstieg. Zu einem West-Duell mit Preußen Münster wird es vielleicht aber nicht kommen, weil die Westfalen, die zuletzt von 2020 bis 2023 Viertligist waren, ganz dicht vor ihrem Zweitliga-Comeback stehen. Das soll am kommenden Samstag (13.30 Uhr/Magenta Sport) im Heimspiel gegen die SpVgg Unterhaching gelingen.