Dortmund. Die ersten Plätze im DFB-Aufgebot für die Heim-EM sind vergeben. Nico Schlotterbeck ist dabei. Andere Dortmunder haben es schwer.

Bei Nico Schlotterbeck war die Überraschung nicht ganz so groß wie bei den Zuschauerinnen und Zuschauern der Tagesschau. In weißen Lettern auf blauem Grund vermeldete Deutschlands wichtigste Nachrichtensendung am Sonntagabend, dass Schlotterbeck in den Kader der Nationalmannschaft für die Heim-Europameisterschaft berufen wird. Der Plan vom Deutschen Fußball-Bund sieht vor, bis Donnerstag auf unkoventionelle Weise und in Häppchen portioniert das Team für das Turnier zu präsentieren. Schlotterbeck erfuhr von seiner Nominierung schon kurz zuvor. „Unheimlich dankbar“ sei der 24-Jährige dafür.

Die Art und Weise der Verkündung in den Hauptnachrichten überraschte. Dass Borussia Dortmunds Innenverteidiger im Aufgebot für die EM stehen wird, das schon deutlich weniger. Bundestrainer Julian Nagelsmann (36) reagierte damit auf den sensationellen Einzug des BVB ins Champions-League-Finale, in dem der BVB am 1. Juni Real Madrid herausfordern wird. Während sich die ersten Nationalspieler bereits am 26. Mai im Weimarer Land zur Vorbereitung einfinden, wird Schlotterbeck, erstmals von Nagelsmann berufen, noch in London das größte Spiel seiner bisherigen Karriere absolvieren – und wohl erst in Herzogenaurach zur DFB-Elf stoßen. Wer noch vom BVB?

DFB-Elf: Nagelsmann will wenige Änderungen vornehmen

Vor etwas weniger als zwei Monaten saß Bundestrainer Nagelsmann auf dem Pressepodium im Frankfurter Waldstadion, nachdem die März-Länderspiele in Frankreich (2:0) und die Niederlande (2:1) gewonnen und endlich die Trendwende vor der EM geschafft war. „Falls alle gesund bleiben, werden wir auf jeden Fall nicht zehn Spieler tauschen im Sommer“, versicherte er, und, um keinen Raum für Interpretationen zu lassen, präzisierte er: „Eigentlich auch nicht fünf, vielleicht ein, zwei – plus Verletzte.“

BVB-Profi Mats Hummels (links) und Nico Schlotterbeck.
BVB-Profi Mats Hummels (links) und Nico Schlotterbeck. © DPA Images | Tom Weller

Zwei entscheidende Dinge konnte Nagelsmann zu diesem Zeitpunkt noch nicht ahnen. Erstens, dass sich die Nationaltrainer wenig später bei der Europäischen Fußball-Union (Uefa) dafür eingesetze werden hanen, dass die Kader beim Turnier von ursprünglich 23 Mann doch auf 26 erhöht werden, wenngleich Nagelsmann eher ein Freund des kompakten Aufgebotes ist. Und zweitens, dass Borussia Dortmund in diesem Frühjahr Historisches gelungen ist.

Im März noch verzichtete Nagelsmann auf alle Dortmunder Profis, bloß Niclas Füllkrug (31) spielte konstant ordentlich und damit in den Planungen des Bundestrainers als klassischer Neuner eine wichtige Rolle. Man musste schon intensiv nach Gegenargumenten fahnden, um diese Entscheidungen anzuzweifeln. Denn der BVB spielte eine schwache Hinrunde, er fiel auch in diesem Jahr immer wieder in alte Muster zurück. Die Leverkusener und Stuttgarter Himmelsstürmer erhielten von Nagelsmann den Vorzug.

DFB-Team: Momentum liegt wieder beim BVB

Nun ist das von Nagelsmann häufig beschworene Momentum auf die BVB-Seite gekippt, doch dass neben Schlotterbeck und Füllkrug weitere Dortmunder ist Kader stehen, ist unwahrscheinlich.

Nagelsmann deklarierte das Fehlen von Mittelfeldspieler Julian Brandt (28) im März als „Härtefall“. Seitdem spielt Brandt wieder besser, ist eine tragende Figur beim BVB, sticht aber nicht so heraus, dass er – auch ob großer Konkurrenz in der Offensive – zwingend mit zur EM fahren müsste. Karim Adeyemi (22) begeisterte in den Champions-League-Duellen mit Atlético Madrid und Paris Saint-Germain, ist aber viel zu unbeständig. Und: Für den Überraschungseffekt, gegnerische Abwehrreihen aufzubrechen, hat Nagelsmann schon Stuttgarts Chris Führich (26) auserkoren. Niklas Süle (28) und Emre Can (30) spielen beim DFB derzeit keine Rolle.

Karim Adeyemi (re.) überzeugte beim BVB in der Champions Leauge.
Karim Adeyemi (re.) überzeugte beim BVB in der Champions Leauge. © Ralf Ibing /firo Sportphoto | Ralf Ibing

Bliebe noch: Mats Hummels, einer der Wackelkandidaten. Seit Wochen ragt der Abwehrchef des BVB heraus, seine Erfahrung ist Gold wert, aus sportlicher Sicht wäre eine Nominierung verdient,Die allerdings wird es wohl nicht geben. Dass Schlotterbeck einen der wahrscheinlich vier Innenverteidiger-Plätze neben Antonio Rüdiger (31), Jonathan Tah (28) und Waldemar Anton (27) bekommen hat, ist der nächste Indiz dafür.

DFB-Team: Hummels, Goretzka und Gnabry wackeln

Mit dem meinungsstarken und ultraehrgzeizigen Hummels, 35, würde die im März hochgelobte Hierarchie des Kaders wieder durcheinandergewirbelt werden. Dieses Argument gilt im Übrigens auch für Bayern Münchens wiedererstarkten Leon Goretzka. „Ich habe in den letzten Monaten alles in meiner Macht Stehende versucht, mich von meiner besten Seite zu zeigen“, sagt er. Aber ob es darauf ankommt? Der 29-Jährige fehlte wie Hummels im März. Und für den verletzten Münchener Serge Gnabry (28) hingegen wird Nagelsmann ebenso kaum einen Platz in der Edeloffensive um Jamal Musiala (21), Florian Wirtz (21) und Leroy Sané (28) freihalten.