Dortmund. Borussia Dortmund steht vor dem Finaleinzug der Champions League. Möglich gemacht haben dies Fußballer, die schon Umwege nehmen mussten.

Man konnte sich am späten Mittwochabend fragen, ob es vor einiger Zeit nicht fast wahrscheinlicher gewesen wäre, dass Borussia Dortmund plötzlich blau-weiße Trikots tragen würde, als dass dieser Typ hier in diesem Rahmen vor den vielen Kameras und Mikrofonen stehen würde. Niclas Füllkrug, 31 Jahre alt, vergangene Saison hatte der Angreifer noch gegen den Abstieg von Bremen angeköpft, jetzt sprach er über seinen entscheidenden Treffer im Champions-League-Halbfinale.

Die warme Luft machte Jacken immer noch überflüssig. Der Wind wehte die Gesänge der Fans herrüber, die dabei waren, das Stadion zu verlassen. Füllkrug blinzelte angesichts der grellen Scheinwerfer der Kameras mit den Augen. „Wenn ich mir all das nicht hätte vorstellen können, dann wäre ich nicht hier“, sagte Füllkrug. Er sei stolz auf die Mannschaft, „Wir hatten vorne noch dicke Dinger, wir haben wahnsinnig gut verteidigt.“ Jedoch: Entschieden sei noch nichts.

Ein Unentschieden genügt dem BVB in Paris

Trotzdem, und auch wenn es sich noch etwas unwirklich anfühlt, hat der Königsklassen-Sieger von 1997 die Tür zum Endspiel durch den 1:0-Erfolg gegen die Künstler aus der französischen Hauptstadt weit aufgestoßen. Im Rückspiel am kommenden Dienstag (21 Uhr/Prime) genügt ein Unentschieden, damit sich Dortmund nach London-Flügen umschauen müsste. Im sagenumwobenen Wembley-Stadion wird am 1. Juni das Finale ausgespielt.

Der unerwartete Erfolg in einem herzzerreißenden Duell mit wilden Angriffen, Pfostentreffern und Rettungstaten war eine Kollektivleistung, bei der einzelne herausstachen. Alles Fußballer, die wie Füllkrug schon Umwege zurückgelegt haben, und denen deswegen diese Leistung eine Zeitlang nicht allzu viele zugetraut hätten. Einmal Füllkrug, der Spätberufene. Mats Hummels, die alternde Legende. Jadon Sancho, das ausgerutschte Genie. Und Karim Adeyemi, oft eher Luftikus anstatt Arbeiter.

Diesmal allerdings rannte Adeyemi nach hinten wie noch nie, klammerte sich an Gegenspieler Achraf Hakimi fest. Edin Terzic hatte vor dem Anpfiff lange mit seinem Spieler gesprochen, ihm gezeigt, so berichtete es der Trainer, wie viel Leipzigs Lois Openda im Vergleich zu Adeyemi bei der Dortmunder 1:4-Niederlage gerannt sei. „Heute aber haben wir aber gesehen, dass es kaum jemanden auf dem Planeten gibt, der schneller ist als Karim.“

Jadon Sancho, ein schwebender BVB-Künstler.
Jadon Sancho, ein schwebender BVB-Künstler. © Getty Images | Lars Baron

BVB-Künstler Jadon Sancho - fast so gut wie einst Lionel Messi

Adeyemi wetzte die linke Seite rauf und runter, Sancho schwebte die rechte Außenbahn entlang, entschied zwölf Dribblingversuche für sich. Eine Marke, die zuletzt nur Lionel Messi 2008 (16 erfolgreiche Dribblings) für den FC Barcelona überboten hatte. Sancho war nicht zu greifen, es war die bislang beste Leistung des Engländers, seit ihn Dortmund in diesem Winter von Manchester United ausgeliehen hat. Der Künstler, dessen Talent lange verschüttet gewesen zu sein schien, bewies, wie prägend er sein kann. Und er sammelte Argumente für eine Weiterbeschäftigung, für die Dortmund wohl mehr als 30 Millionen Euro an United bezahlen müsste. Auch ein weiteres Leihgeschäft wäre möglich.

Sanchos Zukunft ist ungeklärt, genauso wie die von Mats Hummels. Die Legende verteidigt am Rande des Karriereendes und schwingt sich doch regelmäßig zu ungeahnten Höhen hinauf. Diesmal fungierte Mats Hummels als Bremsklotz für Superstar Kylian Mbappé. Trotzdem könnte es sein, dass der rasante Mittwochabend das letzte schwarz-gelbe Königsklassen-Heimspiel in Hummels‘ Karriere gewesen war. Dies sei „durchaus eine Möglichkeit“, räumte der Abwehrspieler, dessen Vertrag ausläuft, ein, entschieden werde aber erst am Saisonende. „Ich will sehen, welche Optionen es gibt.“

Zurück zu Niclas Füllkrug, Torheld vom Mittwoch, schon oft haben Verletzungen den 1,89 Meter großen Angreifer zurückgeworfen. Vor zwei Jahren rannte er noch über die Plätze in der Zweiten Liga. Nun hat er das Halbfinal-Hinspiel durch eine gefühlvolle Abnahme und einen wuchtigen Abschluss entschieden. „Wir bleiben demütig“, sagte der Nationalstürmer.

So schön kann ein Halbfinale sein: Der BVB trifft und jubelt.
So schön kann ein Halbfinale sein: Der BVB trifft und jubelt. © dpa | Bernd Thissen

BVB: Es wird noch einmal eine gewaltige Anstrengung vonnöten sein

Denn es wird noch einmal eine gewaltige Anstrengung vonnöten sein, um in nicht mal einer Woche in Paris zu bestehen. Dazwischen liegt am Samstag (15.30 Uhr/Sky) ein Heimspiel gegen Augsburg, dem, da der fünfte Platz bereits zur Champions-League-Qualifikation genügt, keine Bedeutung mehr innewohnt. Das Ziel sei nun Wembley, meinte Hummels. „Und wenn man ins Finale will, muss man auch in Paris bestehen.“ Sogar der Titelgewinn erscheint angesichts der Ausgangslage möglich zu sein. Nur blau-weiße Trikots bleiben in Dortmund unrealistisch.

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