Essen. Die Zusammenarbeit zwischen dem FC Bayern und Ralf Rangnick birgt viel Konfliktpotenzial. Und doch gibt es Gründe, die dafür sprechen. Ein Kommentar

Man weiß gar nicht, wo man anfangen soll, will man all die Risiken und potenziellen Sprengfallen aufzählen, die sich ergeben, sollte Ralf Rangnick Trainer des FC Bayern München werden. Da ist das fachliche Risiko: In der DNA des FC Bayern ist Ballbesitzfußball tief verwurzelt, Rangnicks Ideal vom Fußball dagegen fußt vor allem auf dem Spiel gegen den Ball, auf einer rasanten Jagd nach Ball und Gegner und ebenso rasantem Umschaltspiel. Und dann ist da das eine oder andere menschliche Problem: Uli Hoeneß, noch immer die graue Eminenz in München, hat sich viele Jahre lustvoll gefetzt mit Rangnick, hat ihn als Besserwisser beschimpft und noch mit so manch anderem unfreundlichen Wort belegt.

So wie Hoeneß denken viele, Rangnick ist tatsächlich mit einer großen Überzeugung gesegnet, dass seine Ideen im Zweifel die richtigen sind. Und er bringt ein großes Sendungsbewusstsein mit, das auch jedem mitzuteilen. In einem stolzen Klub wie dem FC Bayern kann man da schon einmal anecken. Die Münchener sind ja gleichermaßen überzeugt, seit Jahren das Meiste richtigzumachen und verspüren daher traditionell nicht die größte Lust, dass ein Reformer von außen alles auf den Kopf stellt. Dazu erscheint Rangnick nach dem öffentlichen Werben um andere Kandidaten bestenfalls noch als Plan C, was auch nicht die beste Startvorraussetzung ist.

Es gibt keinen besseren Projektleiter als Ralf Rangnick

Und doch stecken in dieser auf den ersten Blick so schwierigen Konstellation eine Menge Chancen: Ralf Rangnick ist ohne Zweifel ein hervorragender Fußballfachmann. Wenn die Bayern zu der Überzeugung gelangt sind, dass sich einiges ändern muss, dass nach einer wechselhaften Saison alles auf den Prüfstand kommt, hinterfragt und im Zweifel neu aufgebaut wird – dann gibt es für ein solches Projekt keinen besseren als den renommierten Projektleiter Rangnick. Der scheint ja auch einzusehen, dass er beim FC Bayern anders auftreten und anderen Fußball spielen lassen muss, als bei den Reißbrettklubs TSG Hoffenheim und RB Leipzig.

Wenn sich beide Seiten aufeinander einlassen, kann dieses Projekt ein überaus erfolgreiches werden – wenngleich der Leverkusener Vorsprung nicht sofort wieder eingeholt sein dürfte. Ein wichtiger Faktor dürfte Max Eberl werden. Der Sportvorstand hat in der Vergangenheit oft bewiesen, dass er auch mit mitunter komplizierten Trainerpersönlichkeiten gut klarkommt, dass er sein Ego zum Wohle des großen Ganzen zurückstellen und als ausgleichende Kraft wirken kann. Das könnte in den kommenden Monaten noch wichtig werden.