München. Der FC Bayern hat Ralf Rangnick ein Angebot gemacht. Die Gespräche sind weit gediehen, der gewünschte Einfluss ist zugesagt. Macht er’s?

Wären die Gespräche zwischen dem FC Bayern und Trainer Ralf Rangnick, 65, über die mögliche Zusammenarbeit ein Fußballspiel, dann hätten jetzt die entscheidenden Minuten begonnen. Die Phase des Abtastens haben die Münchener und der Schwabe lange hinter sich gelassen, seit sie dem Vernehmen nach vor mehreren Wochen vorfühlten, ob etwas miteinander möglich werden könnte.

Hier und da gab es seither ein paar Vorstöße und Annäherungen, vornehmlich drängten die Ballbesitz-Bayern auf ihre Chancen. Zuweilen aber ging auch der Gegen-den-Ball-Trainer Rangnick ins Pressing, um seine Chance zu suchen. Und jetzt ist sie da, nachdem die Gespräche in dieser Woche eine Dynamik angenommen haben wie ein packendes Fußballspiel in der Schlussphase.

Ralf Rangnick mit einer Situation wie beim Elfmeter

Es ist jetzt eine Situation entstanden wie bei einem Elfmeter, der nur noch verwandelt werden muss, in diesem Fall von Ralf Rangnick. Bleibt die Frage: Macht er’s?

So ungefähr kann man sich das vorstellen mit dem FC Bayern und dem Fußballlehrer, wenngleich sie sich nun selbstredend nicht mehr als Gegner sehen wie einst, als Rangnick mit dem Aufsteiger TSG Hoffenheim im Dezember 2008 Tabellenführer der Bundesliga war und vor der Dienstreise zum deutschen Rekordmeister sagte: „Wenn Sie flotte Sprüche hören wollen, müssen Sie nach München gehen. Wenn Sie flotten Fußball sehen wollen, dann sind Sie hier richtig.“ Uli Hoeneß bezichtigte Rangnick daraufhin der „Besserwisserei“. Doch diese und andere Animositäten sind lange her.

Thomas Tuchel verabschiedet sich aus München

Stattdessen versichern sie nun in München, dass alle in der Vereinsführung geschlossen hinter dem Vorhaben stünden, Rangnick als Nachfolger des am Saisonende scheidenden Trainers Thomas Tuchel zu verpflichten. Nach allem, was bekannt ist, könnte die Einigung mit Österreichs Nationaltrainer Rangnick auf eine gemeinsame Zukunft in München rasch erfolgen.

Thomas Tuchel verlässt den FC Bayern München zum Saisonende.
Thomas Tuchel verlässt den FC Bayern München zum Saisonende. © AFP | Alexandra Beier

Die Gespräche sind jedenfalls weit gediehen und ein Angebot ist unterbreitet, wie Peter Schöttel, der Sportdirektor des Österreichischen Fußball-Bundes (ÖFB), gegenüber dem ORF verriet. Demnach habe Rangnick ihn und ÖFB-Präsident Klaus Mitterdorfer am Mittwoch über das Angebot des FC Bayern ebenso informiert wie über sein Grübeln, ob er es annehmen soll. „Wenn ein Verein wie Bayern München anklopft, ist es verständlich, dass man über das Interesse dieses Vereins nachdenkt“, sagte Schöttel.

Bei der EM im Einsatz mit Österreich

Alle Beteiligten wünschten nun „zeitnah“ eine Entscheidung, auch wegen der bevorstehenden EM, bei der Rangnick Österreichs Auswahl offenbar auf jeden Fall coachen soll. Er rechne mit Klarheit in „ein, zwei Wochen“, sagte Schöttel. Womöglich geht es aber noch schneller.

Die Gespräche zwischen dem FC Bayern und Rangnick hatten in den vergangenen Tagen ja solch eine rasante Dynamik entfaltet, dass sogar ein am Dienstag mit Rangnick geführtes Interview schon wieder weitgehend von der Aktualität überholt war, als es am Mittwoch auf dem Portal 90minuten.at veröffentlicht wurde.

Darin hatte Rangnick die Kontaktaufnahme der Bayern bestätigt, zugleich aber gesagt, es gebe im Moment „keinen Grund, mich intensiv und konkret damit zu beschäftigen“. Das werde erst der Fall sein, wenn „die Bayern sagen würden: Wir wollen Sie. Und dann muss ich mich fragen: Will ich das überhaupt?“

Vertrag läuft noch bis 2026

Inzwischen haben die Bayern Rangnick sehr klar gesagt, dass sie ihn wollen. Was aussteht, ist die Antwort, die sich Rangnick zunächst selbst und dann den Münchnern geben muss. Die Süddeutsche Zeitung schrieb, in dem Angebot der Bayern seien „allenfalls noch Nuancen und Unterparagräphchen zu klären“. Am ÖFB werde es nicht scheitern, dieser werde Rangnick gegen eine mittlere siebenstellige Ablöse aus seinem Vertrag bis 2026 freigeben. Die SZ titelte: „Er muss nur noch Ja sagen“.

Geld spiele bei seinen Überlegungen „überhaupt keine Rolle“, hatte Rangnick zuvor in dem genannten Interview gesagt. Umso mehr beschäftigten ihn aber diese Fragen: „Kann ich etwas bewegen? Kann ich etwas bewirken? Besteht die Chance, eine Mannschaft zu entwickeln und erfolgreich zu sein? Das treibt mich an.“

Rangnick wünscht sich Einfluss, und nach allem, was zu hören ist, sollen die Bayern ihm bei diesem wohl größten Knackpunkt weitreichende Zusagen gemacht haben. Eine Entscheidungshoheit über Transfers werden sie ihm zwar nicht einräumen und soll er auch gar nicht gefordert haben, wohl aber Einfluss in sportstrategischen Fragen. Dieser soll Rangnick nicht nur zugestanden werden, sein Gestaltungswillen soll sogar ausdrücklich erwünscht sein, von der Kadersanierung bis hin zum Campus.

Und was seine Fußballlehre gegen den Ball angeht, soll Rangnick signalisiert haben, beim Ballbesitzverein aus München vornehmlich auf einen dominanten Stil zu setzen. Ein überraschender Konter durch Rangnick in Form einer Absage ist aus Sicht der Bayern nun nicht mehr vorgesehen. Zumal sie ihre Abwehr ja ziemlich entblößt haben.