Sakhir. Formel-1-Weltmeister hat das erste Saisonrennen dominant gewonnen. Doch die Affäre um Red-Bull-Teamchef Horner wirkt nach.
So viel geküsst wurde noch selten in der Boxengasse der Formel 1, soviel gestritten wohl auch selten. Völlig unbeeindruckt von allen Querelen zeigte sich nur Max Verstappen. Der Formel-1-Weltmeister macht einfach da weiter, wo er aufgehört hatte in seiner Rekordsaison: er fährt allem Ärger auf und davon, rein in die Wüstennacht. Was für Gegensätze, hier die One-Max-Show, dort das Schmierentheater.
Sollten die 57 Runden beim Großen Preis von Bahrain repräsentativ sein für die längste Saison der Formel-1-Geschichte, dann ist die Frage beantwortet, von welchem Zeitpunkt an es langweilig werden könnte: ab jetzt. Max Verstappen hatte mit seinem runderneuerten Red-Bull-Rennwagen am Samstagabend 22,4 Sekunden Vorsprung auf seinen Teamkollegen Sergio Perez. Was für eine Demütigung der so hoffnungsvollen Konkurrenz, die noch viel weiter hinterherfuhr . Nach einer unerwartet knappen Qualifikation war es die befürchtete neuerliche Machtdemonstration des dreifachen Weltmeisters. Der Pilot seines Privatjets kann sich getrost schon mal mit der Route nach Kigali vertraut machen, in Ruanda werden Mitte Dezember die WM-Pokale verliehen.
Verstappen fährt eiskalt zum Sieg
Daher war es nicht nur der ungewohnt kühle Wüstenwind, der die Konkurrenz erschaudern ließ. Das Auftaktrennen zeigte, dass der 26-Jährige weiterhin eiskalt zur Sache geht. Wenn er sagt, dass sein Arbeitstag ein Genuss gewesen sei, dann darf das durchaus als Drohung verstanden werden: da kommt noch mehr als dieser eindrucksvolle Start-Ziel-Sieg. Entsprechend gelöst zeigte sich Verstappen nach dem der 55. Grand-Prix-Erfolg seiner Karriere: „Es hätte besser nicht sein können. Ich war eins mit meinem Auto.“
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Charles Leclerc im Ferrari konnte nur 300 Meter mithalten, er wurde gequält von Bremsproblemen und reihte sich am Ende als Vierter hinter seinem Kollegen Carlos Sainz jr. ein. Mercedes erlebte mit einem fünften Rang von George Russell und einem siebten von Lewis Hamilton ein bitteres Déjà-vu. Teamchef Toto Wolff gab schonungslos zu: „Max fährt nicht in seiner eigenen Liga, sondern in einer eigenen Galaxie.“ Jenseits von Gut und Böse sieht der Österreicher die Red-Bull-Jäger, auch er selbst sei „extrem frustriert“. Die sportliche Depression rührt vor allem daher, dass die Verfolger mit ihren Neukonstruktionen tatsächlich einen großen Schritt gemacht haben, dass es im Feld eng zu geht wie nie. Aber was nützt einem das schon, wenn der Champion nach Belieben das Tempo bestimmen kann?
Die einzige Hoffnung liegt darin, dass der Bahrain International Circuit eine sehr spezielle Charakteristik besitzt. Bei der Wiedergutmachung bereits an diesem Samstag in Saudi-Arabien trifft die Grand-Prix-Karawane auf eine komplett gegensätzliche, ultraschnelle Piste mit vielen Unwägbarkeiten.
Horner-Affäre überschattet perfekten Red-Bull-Start
Doch die Tatsache, dass beim ersten WM-Lauf alle Teams auf der gleichen Reifenstrategie waren, und es keine Aus- oder Zwischenfälle gab, die das Ergebnis beeinflussen hätten können, unterstreicht die untadelig überlegene Leistung von Verstappen und Perez. Eine „klinische Präzision“ bescheinigte Teamchef Christian Horner via Boxenfunk direkt nach der Zieldurchfahrt. Und noch ist nicht klar, ob Fahrer und Rennwagen überhaupt alles gezeigt haben, was noch an Potenzial in ihnen steckt.
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Der perfekte Start, wenn da nicht die weiterhin schwelende Affäre um Horner selbst wäre. Weder der Freispruch durch die ermittelnde Kanzlei nach den Anschuldigungen seiner persönlichen Assistentin wegen unangemessenen Verhaltens noch der demonstrative, Händchenhaltende und Küsschengebende Auftritt mit seiner prominenten Gattin Geri Halliwell im Fahrerlager konnte die Unruhe im Umfeld des Champion-Teams abschwächen. Kaum schienen durch die Überlegenheit seiner Fahrer alle Zweifel weggewischt, dass die Machtkämpfe hinter den Kulissen die Rennmannschaft negativ beeinträchtigt, gingen die Intrigenspielchen in die nächste Runde.
Verstappen-Vater kritisiert Horner öffentlich
Gegenüber der „Daily Mail“ sagte Rennfahrervater Jos Verstappen, dass der Rennstall explodieren werde, solange Horner im Amt bleibe. Damit hat sich erstmals jemand aus dem engeren Kreis aus der Deckung gewagt, und bestätigt, dass es hinter den Kulissen gewaltig rumoren muss. Verstappen senior dementierte zugleich, dass er hinter durchgesteckten Informationen und anonymen E-Mails mit angeblichen Screenshots von brisanten Chatprotokollen steckt. „Aber solange er in seiner Position bleibt, wird es zu Spannungen kommen“, sagt der ehemaligen Formel-1-Pilot, „er spielt das Opfer, dabei ist er derjenige, der die Probleme verursacht.“ So könne man nicht weitermachen.
Aber genau das beabsichtigt Horner. In Sakhir sprach der umstrittene Manager, dessen Machtvolumen vor allem der österreichischen Konzernzentrale ein Dorn im Auge ist, von einer großen Unterstützung im Team und meint wohl damit die operative, britische Seite. Freiwillig werde er seinen Posten auf keinen Fall räumen, er sei sich sicher, dauerhaft Teamchef zu bleiben. Dennoch können sich die Dinge weiter zuspitzen, denn auf Dauer kann ein Teamchef kaum glücklich werden, wenn sich das Verhältnis mit seinem Fahrer zu zerrütten droht. Schon gar nicht, wenn es sich um den derzeit schnellsten aller Chauffeure handelt. Es unterstreicht die These, dass sich Red Bull Racing sich in dieser Saison nur selbst schlagen kann.