Essen. Die Fronten zwischen den Parteien sind starr. Eine Neuabstimmung über den Investor soll es nicht geben. Der Druck auf die DFL steigt.

Edin Terzic spricht ungern über Themen, die nicht unmittelbar mit seiner Tätigkeit als Cheftrainer von Borussia Dortmund zu tun haben. Am Wochenende aber machte er eine Ausnahme, er kam nicht drum herum angesichts des Themas, das viele Menschen in Deutschland bewegt. „Es ist noch gar nicht so lange her, dass wir ohne Zuschauer gespielt haben. Und da haben wir auch gemerkt, dass sich das scheiße anfühlt“, sagte Terzic und forderte: „Deshalb sollten wir alle dafür kämpfen, dass dieser Sport uns weiterhin in der Zukunft Spaß macht. Dafür lasst uns alle an einen Tisch und jeder spricht sich aus für das, wofür er sein möchte.“

Doch dieser kommunikative, konstruktive Lösungsansatz scheint im immer heftiger werdenden Streit zwischen Fans und der Deutschen Fußball-Liga (DFL) weit entfernt. Die Fronten sind starr.

DFL-Proteste: Spiele standen kurz vor dem Abbruch

Seit einigen Wochen sorgen Fans, meist aktive Gruppen aus dem Kreis der Ultras, für Spielunterbrechungen bei Partien der Bundesliga und Zweiten Bundesliga. Sie werfen Tennisbälle und Schoko-Münzen auf den Rasen, zeigen Transparente mit kritischen Botschaften. Auch das Dortmunder Spiel gegen den SC Freiburg (3:0) wurde für rund zehn Minuten pausiert, andere Partien standen derweil kurz vor dem Abbruch. Das Anliegen der Anhänger richtet sich an die DFL, die im Dezember in einer geheimen Abstimmung den Weg für einen bei Fans umstrittenen Investoreneinstieg freigemacht hat. Pikant: Die Stimme, die am Ende den Deal absegnete, soll von Martin Kind, Geschäftsführer von Hannover 96, gekommen sein, der sich damit über den Auftrag seines Muttervereins hinweggesetzt hätte. Dies wäre als Verstoß gegen die 50+1-Regel zu werten.

Fans von Hannover 96 protestieren gegen Martin Kind.
Fans von Hannover 96 protestieren gegen Martin Kind. © DPA Images | Christian Charisius

Der Verband gerät angesichts der Bilder, die ganz und gar nicht gut fürs Geschäft sind, zunehmend unter Druck. „Die DFL respektiert die Haltung von Fangruppen und auch deren Meinungsäußerung in den Stadien. Eine Beeinflussung des Wettbewerbs durch Spielverzögerungen ist jedoch nicht im Sinne des Sports, der Spieler und der Ligen“, teilte die DFL auf Anfrage mit.

Doch ein kommunikativer, konstruktiver Lösungsansatz, wie ihn Terzic und einige seiner Kollegen fordern, scheint weit entfernt. Die Situation erinnert an die Causa Dietmar Hopp vor fast genau vier Jahren. Die Corona-Pandemie und die mit ihr einhergehenden Geisterspiele hatten den Machtkampf zwischen Kurven und Funktionären von einem auf den anderen Tag beendet. Heute ist klar: Er wurde damals bloß vertagt.

Fan-Vertreter lehnen Gesprächsangebot der DFL ab

In vielen Vereinen, etwa beim BVB, pflegen Ultras und Verantwortliche einen kontroversen, aber vertrauensvollen Austausch. Im Gegensatz dazu allerdings wirken die Verbände mit den Belangen aktiver Fans seit Jahren überfordert. Die DFL beteuert zwar, es habe „in den vergangenen Monaten zahlreiche Diskussionsrunden und Gespräche gegeben, sowohl innerhalb des Ligaverbands als auch mit Fans, in denen auch auf inhaltliche Kritikpunkte eingegangen worden ist. Auch aus diesem Grund unterscheidet sich das aktuelle Modell einer Vermarktungspartnerschaft signifikant von dem Modell im Mai“. Damals war ein Investoreneinstieg abgelehnt worden.

Auf den Rasenplätzen der Bundesliga-Stadien, hier in Hannover, landeten zuletzt viele Tennisbälle.
Auf den Rasenplätzen der Bundesliga-Stadien, hier in Hannover, landeten zuletzt viele Tennisbälle. © DPA Images | Swen Pförtner

Doch Fan-Vertreter fühlten sich wie bei anderen Themen übergangen, es entlädt sich derzeit auch viel Frust. Ein Gesprächsangebot der DFL als Reaktion auf den massiven öffentlichen Druck vergangene Woche lehnten Fan-Vertreter ab. „Das jetzige Dialog-Angebot ist kein Umdenken“, teilte Unsere Kurve, eines von mehreren Fan-Bündnissen, mit. „Es ist ein Feigenblatt. Denn es enthält kein Angebot für Verhandlungen.“ Die DFL betonte auf Anfrage, dass das Angebot weiterhin stünde.

DFL schließt eine zweite Abstimmung aus

In jene würden Fan-Vertreter mit der alternativlosen Forderung starten, dass es zu einer transparenten Neu-Abstimmung kommen soll. Die ist auch der Wille des VfB Stuttgart, von Union Berlin, Hannover 96 und vom VfL Osnabrück. Ein zweites Votum allerdings schließt die DFL aus: „Für den aktuell laufenden Prozess für eine strategische Vermarktungspartnerschaft gibt es einen rechtsgültigen Beschluss der DFL-Mitgliederversammlung.“ Eine Lösung des Konflikts scheint derzeit nicht vorstellbar, eher könnten sich die Protestformen verschärfen. Mögliche Spielabbrüche würden die Eskalationsspirale antreiben. Wer knickt zuerst ein? Die Gesamtlage jedenfalls dürfte auch irgendwann die beiden Investorenkandidaten Blackrock und CVC irritieren.

Für die Protagonisten auf dem Rasen werden die Unterbrechungen zur Belastung. Spieler klagten über die steigende Gefahr von Muskelverletzungen, wenn der Körper herunterfährt. Schiedsrichter seien nun auch als „Konfliktmanager und Mediatoren“ gefragt, teilte der Deutsche Fußball-Bund mit. Womöglich müssen sie diese Rolle noch länger ausüben, wenn die Tennisbälle am kommenden Wochenende wieder fliegen.