Essen. WAZ-Leser wählten die Legenden-Elf des Ruhrgebiets. Im Ruhr Museum erlebten sie nun einen besonderen Abend mit überraschenden Momenten.

Als Bernard Dietz ein altes Foto sieht, das ihn jubelnd im Trikot des MSV Duisburg zeigt, kann er sich eine bissige Bemerkung nicht verkneifen. „Früher hat man noch was zu lachen gehabt, heute nicht mehr“, sagt er. Das trifft zwar mit Blick auf die Lage der vom Regionalliga-Absturz bedrohten Meidericher zu, gilt aber nicht für diesen Abend im Ruhr Museum, an dem auch Dietz fernab von Trübsal wirkt. „Ennatz“, die Ikone des MSV, ist in Begleitung seiner Frau Petra nach Essen auf Zeche Zollverein gekommen, weil er als Teil der Legenden-Elf des Ruhrgebiets geehrt wird, die Leserinnen und Leser der WAZ gewählt haben. 100 von ihnen haben eine Teilnahme an dieser Veranstaltung gewonnen, bei der sie mit den Revier-Legenden die Sonderausstellung „Mythos und Moderne“ besuchen.

Die Ausstellung erzählt 100 Jahre Fußballgeschichte im Ruhrgebiet mit 450 Bildern in elf Kapiteln − eine Zeitreise, auf die Museumsdirektor Theodor Grütter seine Gäste mit einem Rundgang nimmt. Er zeigt sich glücklich über den prominenten Besuch: „Ich bin stolz, dass fast alle Legenden gekommen sind, das hätte ich nicht für möglich gehalten.“ Klaus Fichtel (79), Klaus Fischer (73), Olaf Thon (57/alle Schalke 04), Michael Lameck (74), Dariusz Wosz (54/beide VfL Bochum) und Dietz (75) sind dabei. „Sie sind Helden meiner Jugend“, schwärmt Manuel Neukirchner, der Direktor des Deutschen Fußballmuseums, dem Kooperationspartner des Ruhr Museums bei der Ausstellung. Von den acht noch lebenden Legenden, die eingeladen wurden, fehlen nur zwei: Jürgen Kohler (58/Borussia Dortmund) und Trainer Huub Stevens (70/Schalke). Sie seien aber entschuldigt, könnten wegen anderer Termine nicht teilnehmen, erklärt Grütter.

Als Thon und Dietz zusammen für Schalke 04 spielten

Der in Gelsenkirchen geborene Historiker und Kulturwissenschaftler lässt während seiner schwungvoll gestalteten Führung immer wieder durchblicken, dass sein Herz für Schalke 04 schlägt. „Für mich ist Bernard Dietz auch eher Schalker“, sagt Grütter und erinnert dabei an die Jahre von 1982 bis 1987, in denen der Linksverteidiger beim Revier-Kontrahenten spielte. Die MSV-Fans unter den Besuchern, von denen zwei auch im Trikot erschienen sind, können diese Sichtweise natürlich kaum nachvollziehen, zumal sich ja auch Dietz immer noch natürlich voll und ganz mit seinem Herzensverein identifiziert. Grütter verweist aber dann auf das legendäre 6:6 im Pokal-Halbfinale 1984 gegen Bayern München, bei dem auch Dietz für Schalke traf. Sogar drei Tore bei diesem Spektakel erzielte Thon, der an einer Wand auch auf einem Foto nach diesem Spiel für die Geschichtsbücher zu sehen ist.

MSV-Ikone Bernard Dietz zeigt auf ein Foto in der Sonderausstellung „Mythos und Moderne“ im Ruhr Museum. Darauf hebt er als Duisburger Kapitän die Siegerfaust.
MSV-Ikone Bernard Dietz zeigt auf ein Foto in der Sonderausstellung „Mythos und Moderne“ im Ruhr Museum. Darauf hebt er als Duisburger Kapitän die Siegerfaust. © Nils Balke-Barton

Als sich alle sechs Legenden dann gemeinsam vor der Wand versammeln, auf der die gewählte Revier-Elf in jungen Jahren abgebildet ist, zücken viele Gäste ihr Handy, um selbst ein Foto zu machen. Es ist ein spezieller Moment dieser Veranstaltung auf Zeche Zollverein, die anschließend noch im Pavillon auf dem Dach des Ruhr Museums weitergeht. Die Legenden werden hier ausgezeichnet, sie signieren das Ausstellungsbuch für die Besucher und erzählen Anekdoten auf dem Podium. Und sie alle dürfen sich auch gemeinsam amüsieren, zum Beispiel in der Situation, als Grütter bei der Ehrung von Wosz erzählt, dieser sei zu DDR-Zeiten siebenmal in die Jugendauswahl im Eisschnelllauf berufen worden. Wosz winkt bei diesen Worten direkt vehement ab und sagt, das stimme einfach nicht − wenngleich das bei Wikipedia tatsächlich so steht, wie sich schnell nachlesen lässt. Das Publikum jedenfalls lacht herzlich angesichts dieser falsch überlieferten Geschichte.

Fichtel: „In Bremen war es viel schöner als auf Schalke“

Hier und da Applaus, womöglich von jenen, die nicht dem königsblauen Lager zuzurechnen sind, bekommt Fichtel für eine bemerkenswerte Aussage. „Die vier Jahre in Bremen waren für mich persönlich sehr viel schöner als die ganzen Jahre auf Schalke“, gibt er zu Protokoll − und verleiht seinen Worten noch Nachdruck: „Das kann man so stehenlassen.“ Hingegen steht Fischer Schalke weiterhin ganz nah. Er wohnt immer noch in Gelsenkirchen, „in einer der schönsten Städte Deutschlands“, wie Fischer sagt. Über die Attraktivität Gelsenkirchens mögen Menschen zwar unterschiedlicher Auffassung sein, doch auch nach dieser Anmerkung klatschen mehrere.

Es ist ein stimmungsvoller, kurzweiliger Abend, an dem viele Fans anschließend auch noch mit den Legenden persönlich ins Gespräch kommen. Die Idole hinterlassen beim Publikum, wie zu vernehmen ist, letztlich einen besonderen Eindruck mit vor allem zwei Eigenschaften: Authentizität und Bodenständigkeit.