Berlin. Die DFB-Elf unterliegt in Berlin der Türkei. Es ist der erste Rückschlag in der noch kurzen Amtszeit von Bundestrainer Nagelsmann.

Julian Nagelsmann diskutierte noch am Spielfeldrand, versuchte seine Sicht der Dinge zu vermitteln. Dass Kai Havertz zwar ein Handspiel im eigenen Strafraum beging, doch dies auf denkbar unglückliche Art: aus kurzer Distanz kam der ja Ball geflogen. Der Bundestrainer hatte vor 72.592 Zuschauerinnen und Zuschauern im Berliner Olympiastadion sicher einen Punkt, doch das Schiedsrichter-Team ließ sich nicht mehr von der Entscheidung Handlelfmeter abbringen.

+++ Die Einzelkritik zum Spiel: Havertz ist kein Verteidiger +++

Yusuf Sari verwandelte den fälligen Strafstoß (70.) zum 3:2 (2:1)-Sieg für die Türkei über die DFB-Elf und fügte dem Bundestrainer im dritten Spiel, dem ersten auf deutschen Boden, die erste Niederlage zu – ein erster Rückschlag auf dem Weg zur Heim-EM im kommenden Sommer. Ferdi Kadioglu (38.), Kenan Yildiz (45.+1) drehten zuvor den Rückstand durch Kai Havertz (5.). Niclas Füllkrug glich kurz nach der Pause zum 2:2 aus (49.).

„In den ersten zehn Minuten hätten wir das Spiel für uns entscheiden können“, erklärte Julian Nagelsmann. „Bis zur Pause haben wir nicht mehr so viel gemacht. Für mich hat Kai Havertz ein überragendes Spiel gemacht. Meiner Meinung nach war es kein Elfmeter.“ Kapitän Ilkay Gündogan fand deutliche Worte: „Wir haben gut angefangen, waren dann aber nicht zielstrebig genug. Die Türken haben es gut gemacht. Wir haben dann keine Lösung mehr gefunden und waren zu passiv.“

Kai Havertz beginnt als Linksverteidiger

Nagelmann startete den Abend mit einer großen Überraschung. Dass Kevin Trapp von Eintracht Frankfurt den am Rücken verletzten und inzwischen abgereisten Marc-André ter Stegen im Tor vertreten würde, war abzusehen. Nicht allerdings, dass Nagelsmann für Offensivspieler Kai Havertz eine „Fantasie“ als linker Außenverteidiger hatte. „weil er ein außergewöhnlich guter Fußballer ist, er sehr viel Tempo hat, der eine außergewöhnliche Kopfballstärke hat“, sagte Nagelsmann.

Im Gespräch mit Ilkay Gündogan: Bundestrainer Julian Nagelsmann.
Im Gespräch mit Ilkay Gündogan: Bundestrainer Julian Nagelsmann. © Getty Images | Maja Hitij

Recht schnell erkannte man auch, wie Nagelsmanns Vorstellung auf dem Feld aussah. Havertz spielte weit vorgerückt, gab fast einen zweiten Außenstürmer. Die weiteren Änderungen: Der Dortmunder Mittelfeldspieler Julian Brandt rückte für Jamal Musiala in die Startelf. Joshua Kimmich, bei Nagelsmanns Premiere in den USA noch krankheitsbedingt ausgefallen, begann für Pascal Groß auf der Sechs. Jonathan Tah verteidigte innen neben Antonio Rüdiger. Benjamin Henrichs besetzte die Rechtsverteidigerposition, interpretierte diese Rolle auch deutlich defensiver als sein Gegenüber Havertz.

Frühe Führung durch Kai Havertz

Die türkischen Fans machten Alarm auf den Rängen. Es dauerte aber nur ein paar Minuten, bis die Fankurve rund ums Marathontor verstummte. Rechtsverteidiger Benjamin Henrichs spielte einen Steilpass perfekt in den Lauf von Leroy Sané. Bayern Münchens Angreifer gab den Ball nach innen - und besann sich Havertz, der Neu-Verteidiger, auf seiner Stürmerqualitäten zurück und schob zur Führung ein (5.). Elf Minuten später verpasste Sané nach Vorlage von Kimmich das 2:0 nur knapp.

Traf zum 1:0: Kai Havertz (M.).
Traf zum 1:0: Kai Havertz (M.). © DPA Images | Robert Michael

Die Spielkontrolle aber konnte die deutsche Mannschaft in der Folge nicht übernehmen, obwohl sie im Ballbesitz in der ersten Halbzeit leichte Vorteile hatte. Um entscheidend vors türkische Tor zu gelangen, reichte es nicht. Andererseits hatten auch die Gäste kleine klaren Chancen, Gündogan konnten den einzigen Torschuss von Yusuf Yazici abblocken (34.).

Kadioglu und Yildiz schockieren DFB-Elf vor der Pause

Überzeugend war der Auftritt der DFB-Elf nicht, sie offenbarte auch immer wieder die eine oder andere Unsicherheit - und eine davon führte vor der Pause noch zum verdienten Ausgleich, weil die Türken dann doch mehr investierten. Ferdi Kadioglu entwischte Sané, kreuzte vor dem Münchener und setzte den Ball schließlich trocken in die kurze Ecke (38.). Und in der ersten Minute der Nachspielzeit kam es noch dicker: Henrichs rutschte im Strafraum weg, konnte die Flanke auf Kenan Yildiz nicht verhindern. Der Angreifer von Juventus Turin, geboren in Regensburg, knallte den Ball aus kurzer Distanz zur 2:1-Führung spektakulär unter die Latte. Deutschland wurde im Kühlschrank Olympiastadion eiskalt erwischt.

Zunge raus nach einem spektakulären Treffer: Kenan Yildiz.
Zunge raus nach einem spektakulären Treffer: Kenan Yildiz. © AFP | Ronny Hartmann

Nach Wiederanpiff wiederum die Türken. Nach einem Ballverlust konterte Deutschland blitzschnell über das gesamte Feld nach vorne. Florian Wirtz setzte im richtigen Moment den bis dahin blassen Niclas Füllkrug in Szene - und der Dortmunder schob aus rund 13 Metern platziert zum Ausgleich ein (49.). Auf der Gegenseite wehrte Trapp mit einer feinen Flugeinlage den Distanzschuss des eingewechselten BVB-Profis Salih Özcan ab (52.).

Siegtreffer für die Türkei durch Handelfmeter

Das wilde Tempo des Wiederbeginns flachte danach ab. Es passiert nichts - bis Havertz unglücklich aus einem halben Meter den Ball im Strafraum an den ausgestreckten Arm bekam (70.) Schiedsrichter Bartosz Frankowski ließ zunächst weiterlaufen, wurde dann aber doch zum TV-Bildschirm gebeten. Er korrigierte seine Entscheidung. Trapp ahnte zwar beim Schuss von Yusuf Sari die richtige Ecke, konnte aber den Handelfmeter nicht parieren - 3:2 für die Türkei. Nagelsmann erste Niederlage als Bundestrainer war besiegelt. Am Dienstag geht es in Wien gegen Österreich weiter (20.45 Uhr/ZDF).