Foxborough. Das EM-Projekt des Nationalteams beginnt mit dem Test gegen die USA. Der goldene Jahrgang hat im DFB-Team noch keine Führungsrolle.
Die Krux an dieser Jahreszeit ist, dass man nie weiß, ob es das für viele Wochen letzte Mal gewesen sein könnte, in leichter Bekleidung an der frischen Luft Sport zu treiben. Die deutschen Fußballer jedenfalls genießen in dieser Woche bei ihren Trainingseinheiten auf dem Gelände des örtlichen Profiklubs New England Revolution noch mal die warmen Strahlen der US-amerikanischen Oktobersonne. Der graue Winter naht.
Joshua Kimmich musste sich am Donnerstag schon mal zwangsweise darauf einstellen. Der 28-jährige Mittelfeldspieler hatte sich schon in eine Daunenjacke eingemummelt. Eine Maßnahme, um zügig die leichte Erkältung, die er sich während des Amerika-Trips eingefangen hat, auszukurieren. Möglicherweise wird er die Premiere des neuen Bundestrainers Julian Nagelsmann an diesem Samstag in Hartford/Connecticut (21 Uhr/RTL) nicht auf dem Rasen erleben können.
Bayern-Profi Joshua Kimmich verfolgt das Training des DFB-Teams
Kimmich stand da mit verschränkten Armen, zu einem Lächeln konnte sich der Spieler von Bayern München nicht wirklich überwinden. Erkältungen nerven.
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Der leichte Infekt aber dürfte Kimmich nicht so sehr wurmen wie die Gesamtsituation. Der verhinderte Profi musste erst dabei zusehen, wie seine Mitspieler auf dem Platz versuchten, die nagelsmannsche Spielphilosophie zu verinnerlichen. Und dann wird Kimmich mitbekommen haben, wie Mats Hummels und Thomas Müller ein paar Stunden später die Lage der Fußball-Nation erklärten und damit genau die Rolle einnahmen, die doch eigentlich längst Kimmich zustehen sollte: Für die Kabine zu sprechen.
Hummels und Müller zurück im DFB-Kader: Einmal Umbruch und zurück
Hummels und Müller, beide 34, waren eigentlich schon raus, weil sie einem Generationenwechsel im Weg standen. Beide sollen auf dem Weg zu einer erfolgreichen Heim-EM sportlich jetzt doch noch einmal helfen, was kein guter Beleg für die Nachwuchsförderung im deutschen Fußball ist. Sie sollen vor allem aber auch die Kabine führen – was wiederum ein Signal an den goldenen Jahrgang 1995/96 mit dessen Chef Kimmich ist, dem dieser Job offenbar noch nicht zugetraut wird.
„Natürlich ist uns bewusst, dass wir eine verschworene Gruppe sind, die den deutschen Fußball mal gemeinsam prägen könnte“, hat Serge Gnabry mal gesagt. Vor vier Jahren war das, als Hummels, Müller sowie Jerome Boateng vom damaligen Bundestrainer Löw aussortiert worden waren. Neben Kimmich und Gnabry zählen zu diesem Club auch Leon Goretzka (28), Leroy Sané (27), Julian Brandt (27) und Niklas Süle (28) sowie die nicht mehr berücksichtigten Thilo Kehrer (27) und Timo Werner (27), der jüngst in der Hierarchie der deutschen Stürmer in Person von Niclas Füllkrug (30) und Kevin Behrens (32) zwei ältere Debütanten vor die Nase gesetzt bekommen hat.
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Die EM in Deutschland sollte das Turnier werden, das von der 95/96er-Generation bestimmt wird. Die Gesichter der Mannschaft allerdings sind wieder Müller, Hummels – und Ilkay Gündogan.
Kein Vertrauensbeweis für Joshua Kimmich
Nagelsmann hat an ihm als Kapitän festgehalten. Der 32-Jährige vom FC Barcelona erhielt im September auf Anweisung von Flick die schwarz-rot-goldene Binde von Kimmich. Etwas kurios war das, weil Kimmichs Mentalität erst wenige Wochen zuvor von Flick mit jener der Basketball-Ikonen Michael Jordan und Kobe Bryant verglichen worden war, während er davor warnte, Gündogan zu sehr in den Himmel zu loben. Überhaupt ließ Flick immer die Frage offen, ob Kimmich Kapitän bleiben würde, wenn Manuel Neuer (37) zurückkehrt. Ein Vertrauensbeweis war das nicht.
„Ich habe jetzt nicht vor, 2028 und 2030 irgendwelche Turniere zu spielen“, sagt Hummels, der dann über 40 Jahre alt wäre. Kimmich und die anderen seines Jahrgangs vielleicht schon. Dann als Leader?