Wolfsburg. Japan hat im Weltfußball aufgeholt. Samstag geht es in Wolfsburg gegen Deutschland. Die DFB-Elf ist vor allem vor Bochums Asano gewarnt

Shinji Kagawa, dieser Namen löst im Ruhrgebiet noch immer große Gefühle aus, und dort besonders in Dortmund. Er war das dribbelnde Herzstück der Meisterschaften des BVB in den Jahren 2011 und 2012, schoss Tore, gab Vorlagen und wuselte reihenweise durch überforderte Abwehrreihen hindurch.

Takuma Asano überzeugt für Japan und den VfL Bochum

Inzwischen wird auch in Bochum jemand hellhörig. Takuma Asano steht an einem recht kühlen Augustnachmittag neben dem Bochumer Ruhrstadion. Der 28-jährige Angreifer redet auf Englisch über den japanischen Fußball, er hat sich darin in den vergangenen Monaten stark verbessert. Manchmal fehlt ihm das passende Wort, aber er kann dann schnell ins Deutsche wechseln: „Gas geben!“ Dieses Attribut fällt ihm zu Kagawa ein. Harte Arbeit. Für Asano und viele andere Japanerinnen und Japaner ist der 34-Jährige, der heute wieder für seinen Heimatverein Cerezo Osaka spielt, ein Idol.

Kagawa war der erste Profi, der aus Fernost nach Europa gewechselt ist und dort für eine gewisse Zeit Weltklasse verkörperte. In Dortmund erlebte er seine mit Abstand erfolgreichste Zeit. Dass er dann das Trikot von Manchester United tragen durfte, brachte ihm vor allem Prestige ein.

Takuma Asano hat zuletzt beim VfL Bochum überzeugt.
Takuma Asano hat zuletzt beim VfL Bochum überzeugt. © firo

Sieben japanische Profis spielen in dieser Saison in der deutschen Bundesliga, vergangenes Jahr waren es noch zehn. Daichi Kamada (27, Lazio Rom) und Wataru Endo (30, FC Liverpool) wechselten zu Top-Klubs ins Ausland. Vor einem Spieler ist die deutsche Mannschaft im Duell am Samstag in Wolfsburg (20.45 Uhr/RTL) aber besonders gewarnt: Takuma Asano, der Bochumer, der Nico Schlotterbeck bei der Weltmeisterschaft in Katar davonlief und zum 2:1 gegen die DFB-Elf traf. Der Anfang des Debakels in der Wüste. „Ich freue mich sehr darauf, aber es wird ein völlig anderes Spiel im Vergleich zur Weltmeisterschaft“, sagt Asano im Gespräch mit dieser Redaktion.

Kaoru Mitoma, 26, von Brighton & Hove Albion ist ihr wertvollster Akteur. Marktwert: 32 Millionen Euro. „Er ist ein absoluter Topspieler, der im Eins-gegen-Eins stark ist“, warnt Pascal Groß, Mitomas Mitspieler in der englischen Premier League. „Da müssen wir aufpassen, dass er kein Tempo aufnehmen kann.“

Dass es in Japans Nationalelf nur so vor Spielern wimmelt, die ihr Geld in Deutschland und Europa verdienen, ist kein Zufall. Sie sind Kagawas Erben aus der Talentschmiede Fernost. „Das ist eine Mannschaft, die sich vor keiner Nation verstecken muss“, befand Dortmunds Mittelfeldspieler Julian Brandt. Wie ist ihnen das gelungen?

Pierre Littbarski: "Japaner jammern nicht rum"

„Japanische Spieler arbeiten hart, haben Disziplin“, meint Asano. „Ich glaube, dass die deutschen Teams ähnlich spielen, die Trainer hier legen darauf viel wert.“ Das lässt sich durchaus härter formulieren. „Die Japaner jammern nicht rum, wenn sie mal auf der Bank sitzen“, sagt Pierre Littbarski. „Bei uns ist jetzt ja ein verbreitetes Dilemma, dass die Leute, wenn sie mal nicht nominiert sind oder von Anfang an spielen, gleich rumheulen, statt an ihren Defiziten zu arbeiten.“

Der 63-Jährige kennt beide Welten. Als Profi des 1. FC Köln wurde er 1990 mit Deutschland Weltmeister. Im Jahr 1993 wechselte er nach Japan zu JEF United Chiba und erlebte die Gründung des Ligensystems dort mit. „Die Japaner haben den Aufbau ihrer Ausbildung klar durchdacht und überlegt, was zukunftsträchtig wäre“, sagt er. „Sie haben unser Konzept der Nachwuchsleistungszentren aufgenommen und mit ihrem System, das vor allem auf der Universitäts-Ausbildung beruht, kombiniert. Diesen Spagat haben sie gut hinbekommen.“

Nach seiner Profi-Karriere paukte Littbarski für den japanischen Trainerschein und bekam Jobs bei Yokohama FC und Avispa Fukuoka. Gero Bisanz zum Beispiel, dreimal Europameister als Trainer der DFB-Frauen, habe Gastvorträge gehalten, erinnert sich Littbarski. „Gleichzeitig hat man aber auch brasilianische und spanische Einflüsse. Man versucht, die für sich passenden Sachen herauszusuchen und umzusetzen“, sagt er. Dies sei „ein wichtiges Kriterium, weil man sich so weiterentwickelt. An der Nationalmannschaft sieht man, dass sie sich auch immer dem Trend aus Europa anpassen. Sie ist kompakter geworden, zweikampfstärker – und auch das Reklamieren, was nun zum Fußball gehört, ist ein Faktor“.

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Mit der Zeit gehen. Oder man geht mit der Zeit. „Die Japaner wissen genau, wo ihre Mängel liegen und arbeiten daran, gehen nicht davon aus, dass sie die Weisheit mit Löffeln gefressen haben“, findet Littbarski. „Sie wollen weiterkommen, passen sich an den Fußballstil an, der in Europa gespielt wird.“ Sein Beispiel: „Kamada ist ein moderner Kagawa.“

Für Japan ist das Duell mit Deutschland Teil der Vorbereitung auf den Asien-Cup im Januar. Seit 2011 hat das Land den Pokal, der aufgrund der historischen Konflikte auf dem Kontinent „fast so wichtig wie die Weltmeisterschaft ist“ (Littbarski), nicht mehr gewonnen.

Takuma Asano kämpfte sich zurück

Vielleicht kann Takuma Asano dann eine überarbeitete Auflage seines Buches veröffentlichen. Das hat er nach der WM verfasst, weil er das Gefühl hatte, dass ihn die Menschen in schwierigen Zeiten vergessen hatten: Als er bei Partizan Belgrad nicht glücklich war, als er sich in Bochum nach Verletzungen herangekämpft hatte. „Ich habe immer an mich geglaubt und wollte jedem mitteilen: Wenn du eine starke Mentalität hast, kannst du alles erreichen und dir deine Träume erfüllen.“ Den vom Asien-Cup konnte er sich wegen seiner Verletzungen nämlich noch nicht erfüllen.