Frankfurt/Main. Marius Wolf überzeugt als Rechtsverteidiger in seinem ersten Länderspiel. Der 27-Jährige bringt Fähigkeiten mit, die der Bundestrainer sucht.
Marius Wolf gehört zu jenen, die bereitwillig über das Erlebte sprechen, nicht immer tiefgründig, dafür häufig. Daher positionierte er sich auch am späten Samstagabend in Mainz vor den TV-Kameras des Zweiten Deutschen Fernsehens und berichtete von einem „sehr guten Erlebnis“, das ihm Spaß gemacht habe. Was recht gewöhnliche Worte waren für ein Spiel, an das er sich, wenn er einmal auf seine Karriere zurückblicken wird, wohl genauestens erinnern dürfte. Sein erstes Länderspiel, eines, mit dem vor einigen Monaten niemand rechnen konnte.
Marius Wolf ist ein Kämpfer
Am Ende des vergangenen Jahres musste der 27-Jährige am Herzen operiert werden, zuvor hatte er über Gleichgewichtsstörungen geklagt, kaum spielen können. Eine Einladung zur Nationalmannschaft wirkte in diesem Moment so unwahrscheinlich wie blau-weiße Trikots in Dortmund. Doch Wolf ist ein Kämpfer, vor allem auf dem Platz. So arbeitete er sich zurück, startete bemerkenswert ins Jahr 2023, rannte, ackerte als Rechtsverteidiger bei Borussia Dortmund und gilt nun plötzlich als Hoffnung, dass sich die Probleme auf der rechten deutschen Außenverteidigerposition lösen könnten.
Ruppig, hart, intensiv - So ist Marius Wolfs Fußball
Beim 2:0-Erfolg über Peru verdeutlichte er, was man von ihm erwarten kann – und was eben nicht. Wolf spielt einen physischen Fußball, ruppig, hart, intensiv. An der rechten Seitenlinie marschierte er in Mainz nach vorne, nach hinten. Manchmal, wenn ein Pass etwas zu hart anrauschte, konnte ihm die Annahme misslingen. Der gebürtige Bayer ist keiner für eine Tiki-Taka-Gala, trotzdem besitzt er so viel Gefühl in seinem rechten Fuß, dass er eine feine Flanke in den Sechzehnmeterraum gleiten lassen kann wie vor dem zweiten deutschen Tor. Niclas Füllkrug bedankte sich.
Nun sollten die Erwartungen nicht zu sehr in die Höhe schnellen, der Gegner hieß am Samstag nur Peru. Wolf erlebt gerade nach komplizierten Jahren eine beachtliche Phase in Dortmund, muss aber nachweisen, dass er diese Form langfristig halten kann. Trotzdem spricht für Wolf, dass Hansi Flick laufstarke Außenverteidiger benötigt (auf der linken Seite darf sich deswegen in der Regel David Raum versuchen), die die Lücken schließen, die sich auftun können, weil es den Großteil der deutschen Elf ins Zentrum zieht. Überhaupt: Einen Besseren als Wolf muss Flick erst mal auftun.
Vergebliche Suche nach Weltklasse
Viele haben sich schon rechts in der Viererkette versucht, wurden berufen, wieder fallengelassen; Wolf ist bereits der achte Rechtsverteidiger, den Hansi Flick ausprobiert hat. Im Kader befindet sich diesmal zudem ein gewisser Josha Vagnoman, 22, angestellt beim VfB Stuttgart. Vagnoman kann links und rechts an der Seitenlinie entlang wetzen, wenn er darf. In Stuttgart sitzt er oft auf der Bank. Flick muss nun mal diejenigen berufen, die er finden kann, und seitdem Philipp Lahm, Weltmeister von 2014, seine Karriere beendet hat, sucht man vergeblich nach Weltklasse auf dieser Position.
Deswegen wird schon lange gefordert, bessere Außenverteidiger auszubilden. Was sich leichter sagen als umsetzen lässt. Selbst aus den Jugendmannschaften der Topklubs schaffen es nur ein, zwei, vielleicht drei Talente in den Profibereich. Diese sind, ansonsten würden sie es ja nicht nach oben schaffen, in der Regel die stärksten jungen Fußballer ihres Vereins. Und die meisten Jugendtrainer halten es für eine Verschwendung, die Stärksten rechts in der Viererkette zu parken, die spielen meistens vorne.
Die Anforderungen für einen Außenverteidiger sind dabei ähnlich wie für einen Offensivspieler. Er benötigt Schnelligkeit, Durchsetzungsvermögen, Technik, viele rücken daher erst später zurück, wenn es im Profibereich nicht für die Offensive reicht. Der Deutsche Fußball-Bund möchte dem nun entgegenwirken, schon in der Jugend sollen Spezialisten für die hinteren Außenbahnen geformt werden.
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Auch Marius Wolf sollte nach seinem Wechsel von Eintracht Frankfurt eigentlich die Dortmunder Offensive beleben, stattdessen findet er sich mittlerweile meistens in der Viererkette wieder. „Er arbeitet brutal“, lobte Mitspieler Nico Schlotterbeck. „Er hat einen super Drang nach vorne, verteidigt super und hat alles, was man braucht.“ Jeder habe die Dynamik von Wolf gesehen, sagte Hansi Flick. „Er hat seine Sache sehr gut gemacht.“ Beim zweiten Tor kam „seine Flanke genau zwischen Abwehr und Torwart. So muss es sein“, ergänzte der Bundestrainer.
Wolf selbst schrieb noch einen kleinen Beitrag auf Instagram: Er sei „stolz und glücklich über diese Premiere“, berichtete der Außenverteidiger, der davon ausgehen kann, dass noch weitere Länderspiele folgen werden. Wer hätte das vor einigen Monaten gedacht?