Doha. Fünfmal standen sich die Niederlande und Argentinien bei einer WM gegenüber. Partien mit Herzpumpen, einem Kunstwerk und bösen Erinnerungen.
Die Weltmeisterschaft in Katar erwartet ein Duell mit Geschichte, die Niederlande spielen gegen Argentinien, der Sieger steht im Halbfinale. Ein Duell zweier Trainer aus unterschiedlichen Generationen, auf der einen Seite steht Argentiniens Lionel Scaloni (44), auf der anderen Seite Louis van Gaal (71). „Das sind die Freuden, die einem der Fußball bereitet“, sagte Scaloni über das Spiel am Freitag (20 Uhr deutscher Zeit/ARD) im pompösen Lusail-Stadion.
Niederlande bislang ohne WM-Titel
Schon 1974, 1978, 1998, 2006 und 2014 trafen sich die beiden Nationen bei Weltmeisterschaften. Meistens war es knapp, manchmal gar hochklassig. Zweimal durfte sich Argentinien schon als beste Fußballmannschaft der Welt bezeichnen (1978 und 1986). Die Niederlande schafften es noch nie, den goldenen Pokal in ihre Heimat zu holen, obwohl sie schon oft kurz davor waren, ihn zu berühren.
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Zuletzt trafen beide Länder vor acht Jahren in Brasilien im Halbfinale aufeinander. Gespielt wurde in der Arena Corinthians in Sao Paulo. Arjen Robben, der Wirbelwind mit kahlem Kopf, wetzte damals noch im Oranje-Trikot über den Rasen, der niederländische Trainer hieß auch zu diesem Zeitpunkt schon Louis van Gaal. 120 Minuten arbeiteten sich die Spieler aneinander ab, Tore fielen nicht. Elfmeterschießen. Herzpumpen.
Rodriguez macht den entscheidenden Elfmeter rein
Ron Vlaar verschoss, Wesley Sneijder scheiterte an Argentiniens Torhüter Sergio Romero. Maxi Rodriguez drückte den entscheidenden Elfmeter mit etwas Glück zum 4:2 über die Linie. Messi, damals schon Kapitän, rannte auf den entscheidenden Schützen zu. Es schien so, als würde sich der vielleicht talentierteste Fußballer der Geschichte auf dem Weg befinden, endlich den WM-Pokal zu gewinnen. Im Finale aber scheiterte Argentinien mit 0:1 an Deutschland. Schürrle zu Götze, der macht ihn – Sie wissen schon.
„Wir haben noch eine Rechnung mit Argentinien offen“, sagte van Gaal nun in Katar. Und: „Wir können Weltmeister werden.“
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Es bleibt bemerkenswert, dass die Niederlande, flächenmäßig eigentlich nur ein kleiner Nachbar Deutschlands, schon immer zu den Titelanwärtern gehörten – sofern sie sich für die WM-Endrunde qualifiziert hatten. Auch 1998 spielten sie um den Titel, als sich die Elftal und die Albiceleste im Viertelfinale trafen. Im niederländischen Kader tummelten sich Größen des europäischen Spitzenfußballs: Edgar Davids, Dennis Bergkamp, Frank de Boer, Patrick Kluivert. Für Argentinien stürmte Gabriel Batistuta mit wehenden Haaren. Kluivert erzielte früh die Führung, Claudio Lopez glich umgehend aus. Zehntausende quetschten sich ins Stade Velodrome in Marseille, die WM elektrisierte Frankreich, das ja später sogar das Turnier gewann.
Bergkamp schießt die Niederlande ins Finale
Kurz vor Schluss folgte der große Auftritt des feinen Technikers Bergkamp. Frank de Boer haute einen langen Ball nach vorne, Bergkamp nutzte seinen rechten Fuß wie einen Magneten für die Ballannahme, wechselte die Richtung und schoss seine Mannschaft ins Halbfinale. Das Tor zum 2:1 war ein Kunstwerk, das letztlich aber nichts nützte: Im Halbfinale scheiterten Bergkamp und seine Kollegen im Elfmeterschießen an Brasilien (2:4).
Springt man noch weiter in der Zeit zurück, gelangt man zum ersten Aufeinandertreffen. Bei der WM 1974 in Deutschland mussten beide Nationen in der Vorrunde im Parkstadion von Gelsenkirchen herausfinden, welche Mannschaft die stärkere war. Das niederländische Spiel waren damals eine Augenweide durch Fußball-Ästheten wie Johan Cruyff, Johan Neeskens und Arie Haan. 4:0 demütigten sie Argentinien. Erst im Finale scheiterte Holland an Deutschland (1:2), weil Gerd Müller den Ball aus der Drehung über die Linie bugsierte.
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Vier Jahre später stand Oranje wieder im Finale, auch Argentinien hatte im eigenen Land den Weg bis hierhin geschafft. Mario Kempes, als einziger Argentinier damals in Europa beschäftigt, erzielte beim 3:1-Erfolg nach Verlängerung zwei Tore. Ein Märchen? Im Gegenteil. In dem südamerikanischen Land herrschte zu diesem Zeitpunkt eine Militärdiktatur, während der, dies ist mittlerweile bekannt, Tausende Menschen verschleppt, gefoltert und ermordet wurden. Argentiniens Trainer-Ikone César Luis Menotti war eigentlich ein Regimekritiker, die Mannschaft führte er trotzdem zum Titel. Der Weltfußballverband Fifa dankte den Machthabern für die Organisation des Turniers; der Deutsche Fußball-Bund vermied es, die Probleme anzusprechen. Eine schmerzhafte Erinnerung.
Erster Startelf-Einsatz von Lionel Messi
Ein Duell fehlt noch. 2006 sahen sich die Niederlande und Argentinien beim Sommermärchen in Frankfurt in der Vorrunde wieder. Beide hatten sich bereits für das Achtelfinale qualifiziert, im Spiel wollten keine Tore fallen. Alles nicht der Rede wert? Nicht ganz. Ein gewisser Lionel Messi erlebte seinen ersten Startelfeinsatz bei einer Weltmeisterschaft, seine Haare trug er länger als heute, einen Bart hatte er sich noch nicht wachsen lassen, von Tattoos war nichts zu sehen. Schon zuvor war ihm im Vorrundenspiel gegen Serbien und Montenegro im Alter von 18 Jahren und 357 Tagen sein erstes WM-Tor gelungen. Eine außergewöhnliche Karriere sollte folgen.
16 Jahre später dreht sich bei den Himmelblau-Weißen immer noch alles um den mittlerweile 35 Jahre alten Messi. „Das wird eine umkämpfte Partie, wie alle bei dieser WM. Es ist eine großartige Mannschaft mit großartigen Spielern und einem brillanten Trainer. Es wird hart“, erklärte die berühmteste Nummer 10 der Fußball-Gegenwart.
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Am Mittwoch wurde auch der niederländische Kapitän Virgil van Dijk auf die Geschichte des Duells angesprochen. Diese spiele keine Rolle, entgegnete der 31 Jahre alte Abwehrchef. „Wir wissen: Wir sind im Viertelfinale und damit nur noch drei Spiele von etwas ganz Großem entfernt. Das ist unsere Chance.“ Außerdem: „Wir spielen gegen Argentinien. Alle reden über Messi. Aber das ist nicht Niederlande gegen Messi, sondern Niederlande gegen Argentinien.“
Eine Sache steht allerdings bereits fest: Das sechste Aufeinandertreffen der großen Fußball-Nationen bei einer Weltmeisterschaft wird entweder als das letzte WM-Spiel von Trainer Louis van Gaal in die Geschichte eingehen. Oder als das von Lionel Messi.