Frankfurt. Oliver Bierhoff hat nach dem WM-Aus seine Ämter beim DFB aufgegeben. Das Anforderungsprofil für einen Nachfolger ist klar umrissen.

Die Einsicht kam über das Wochenende. Eigentlich hatte Oliver Bierhoff ja weitermachen wollen, trotz des blamablen Ausscheidens der deutschen Nationalmannschaft nach der Vorrunde der Weltmeisterschaft in Katar. Doch dann vergingen die Tage, dann führte der 54-Jährige viele Gespräche, auch mit führenden Figuren beim Deutschen Fußball-Bund, die ihm nahelegten, doch noch einmal nachzudenken über seine Zukunft.

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Und nach Informationen dieser Redaktion teilte er dem DFB dann am Sonntag den auf sanften Druck zustande gekommenen Entschluss mit, den Posten als Geschäftsführer für die Nationalmannschaften und die Akademie aufzugeben. Der eigentlich bis 2024 laufende Vertrag wird aufgelöst. Ein Treffen in Frankfurt gab es nicht, am Sonntag und Montag glühten die Telefondrähte zwischen Bierhoffs Anwesen am Starnberger See, der DFB-Zentrale und Dortmund, wo Hans-Joachim Watzke sein Büro hat – der Geschäftsführer von Borussia Dortmund, der als Aufsichtsratsvorsitzender der Deutschen Fußball-Liga automatisch auch erster DFB-Vizepräsident ist und damit ein gewichtiges Wort mitspricht bei allen Entscheidungen, die nun zu treffen sind.

Bundestrainer Flick: "Zusammenhalt war die DNA unseres Teams"

Und das gilt natürlich auch für alle Personal-Entscheidungen, die nun zu treffen sind. Die erste hat sich nun ohne jede Konfrontation erledigt. Denn es war abzusehen, dass es reichlich kritische Nachfragen gegeben hätte, wenn Bierhoff an diesem Mittwoch wie vorgesehen am Krisengipfel mit DFB-Präsident Bernd Neuendorf und Watzke teilgenommen hätte. Und eine Konfrontation hätte nur Verlierer gebracht. Allen voran Bierhoff selbst, der im Fußballvolk ohnehin nie höchstes Ansehen genoss, weil sein Marketing-Sprech und die zunehmende Kommerzialisierung der Nationalmannschaft an der Basis gar nicht gut ankamen.

Nun konnte Bierhoff einen Abgang aus eigenem Antrieb verkünden, und er kann hoffen, dass die Erinnerung an die guten Zeiten seiner 18-jährigen Amtszeit wie den WM-Sieg 2014 überwiegen – an die er in seinen Abschiedsworten ebenso erinnerte wie an den Bau der Akademie, die seine Idee war und die er gegen viele Widerstände durchsetzte.

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Eine Konfrontation hätte aber auch den immer noch recht neuen Präsidenten Neuendorf beschädigt. Und sie hätte erst recht die Frage aufgeworfen, wie es mit Bundestrainer Hansi Flick weitergeht. Der hatte am Dienstagmorgen mit einer Mitteilung aufhorchen lassen, die reichlich Raum für Spekulationen bot. „Meinem Trainerteam und mir fällt im Moment die Vorstellung schwer, wie die durch Olivers Ausscheiden entstehende Lücke fachlich und menschlich geschlossen werden kann“, hieß es da. „Unsere Zusammenarbeit war immer von Loyalität, Teamgeist, Vertrauen und Zuverlässigkeit geprägt. Zusammenhalt war die DNA unseres Teams. Für mich persönlich war Oliver innerhalb des Teams mein erster Ansprechpartner und Freund.“

Das klang schon fast, als wolle da jemand auch noch seinen Abschied nehmen, mindestens aber eine gute Ausgangsposition für das Gespräch an diesem Mittwoch aufbauen. Denn die von Neuendorf eingeforderte Krisensitzung wird es dennoch geben, nun eben mit Flick als einzig geladenem Gesprächspartner. Er soll nun darlegen, was schlecht lief und was besser werden muss – und er hat am Dienstag schon einmal signalisiert, dass er gar nicht daran denkt, aus einer Position der Schwäche heraus zu argumentieren. Ich hänge nicht an meinem Job, euch dafür droht ein gewaltiges Vakuum in der sportlichen Führung, und das anderthalb Jahre vor der Europameisterschaft im eigenen Land – das konnte man zumindest in Flicks Zeilen hineinlesen, wenn man es denn wollte.

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In der Verbandsspitze aber bleibt man entspannt. Man rechnet damit, dass es weitergeht mit Flick – wenn sich nicht bei der Analyserunde plötzlich unüberwindbare Differenzen auftun sollten. Aber man hat ja jetzt auch genug zu tun mit der anderen offenen Personalie, ein Nachfolger für Bierhoff muss gefunden werden. Das Anforderungsprofil ist klar umrissen: Ein großer Name soll es sein, einer, der etwas von Sport versteht, aber auch wirtschaftliche Kenntnisse mitbringt. Er soll einerseits stark genug sein, um auch mal in Konflikt mit dem Bundestrainer zu treten, statt nur als dessen Anhängsel wahrgenommen zu werden. Er soll andererseits aber auch hinreichend kompatibel zu Flick sein, damit diese Konflikte nicht jeden Tag aufbrechen.

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Aus diesem Grund steht der Name Ralf Rangnick nach Informationen dieser Redaktion nicht auf der Liste, Matthias Sammer steht für eine Leitungsposition nicht zur Verfügung – er würde allenfalls eine beratende Funktion übernehmen. Ein Name, der aktuell heiß gehandelt wird, ist Fredi Bobic, aktuell Sportgeschäftsführer bei Hertha BSC, der sportliche und wirtschaftliche Kompetenz mitbringt – und durchaus interessiert sein soll an dem Posten.

Eine interne Nachfolgelösung ist unwahrscheinlich

Zu den personellen kommen allerdings auch strukturelle Fragen. In der DFB-Führungsetage gibt es Bestrebungen, die Aufgaben in Bierhoffs ehemaligem Geschäftsbereich Nationalmannschaften und Akademie neu aufzuteilen: Zusätzlich zum Geschäftsführer, der die großen Linien vorgibt und die Akademie leitet, soll es einen Sportdirektor oder Teammanager geben, der näher an den Mannschaften ist und vor allem die Nachwuchsarbeit des Verbandes verantwortet. Namen, die für eine solche Rolle gehandelt werden: Thomas Hitzlsperger, der als Vorstands-Chef des VfB Stuttgart reichlich Führungserfahrung sammelte, und Per Mertesacker, der nach seiner Profikarriere einige Jahre lang die Nachwuchsarbeit des FC Arsenal leitete.

Dass es interne Lösungen gibt, ist eher unwahrscheinlich. Da wären Personen wie der sportliche Leiter Joti Chatzialexiou oder Tobias Haupt, der Leiter der Akademie, die allerdings außerhalb des Verbandes kaum bekannt sind. Wie es mit ihnen und anderen bisherigen Bierhoff-Mitarbeitern weitergeht, ob sie ihre Aufgaben weiter ausfüllen, bleibt offen – das wird Bierhoffs Nachfolger entscheiden müssen.