Berlin. Was lief gut, was lief schief bei den Finals? Vor allem die Leichtathletik gibt bei der Analyse des Zuschauerzuspruchs Anlass zur Sorge.

Viel Zeit zum Entspannen nahm sich Hagen Boßdorf am Montag nicht. Am Abend zuvor war die dritte Auflage der „Finals“ zu Ende gegangen, die der 57-Jährige als Koordinator mitverantwortet. Doch weil sich das Multisportformat, das an den vergangenen vier Tagen in Berlin 14 Sportarten in der Suche nach insgesamt 190 nationalen Champions vereinte,  mittlerweile fest etabliert hat, ging es für den ehemaligen Sportkoordinator der ARD und sein Team bereits um die Lerneffekte für die kommenden Veranstaltungen. 2023 ist Nordrhein-Westfalen mit Düsseldorf und Duisburg Ausrichter, für 2024 hat Dresden starkes Interesse angemeldet.

„Wir sind sehr zufrieden mit der Entwicklung, die das Format genommen hat“, sagte Boßdorf im Gespräch mit dieser Zeitung. Insbesondere die Ausweitung des Programms von zehn Sportarten bei der Premiere 2019 in der Hauptstadt auf nun 14 sei gut angenommen worden. Auch die neuen Austragungsstätten hätten dazu beigetragen, den Sport näher zu den Menschen zu bringen. „Kugelstoßen vor dem Brandenburger Tor oder 3x3 Basketball am Neptunbrunnen hat einen ganz besonderen Reiz. Das war ein deutliches Upgrade für unser Format“, sagte Boßdorf.

ARD und ZDF hatten insgesamt 95 Stunden live gesendet

Eine differenzierte Analyse kündigte der Geschäftsführer der Finals GmbH allerdings für das Thema Zuschauerzuspruch an – und zwar sowohl für den vor Ort als auch den vor den Bildschirmen. ARD und ZDF hatten 25 Stunden im öffentlich-rechtlichen Fernsehen und zusätzlich 70 Stunden im Stream live gesendet. „Von Freitag bis Sonntag waren die Quoten mit elf bis 13 Prozent richtig gut, am Donnerstag allerdings lagen sie nur zwischen fünf und sechs Prozent. Da müssen wir uns etwas einfallen lassen“, sagte Boßdorf. Sowohl ARD-Sportkoordinator Axel Balkausky als auch Thomas Fuhrmann, Leiter der ZDF-Hauptredaktion Sport, strichen heraus, dass sich das Format bewährt und der immense personelle und materielle Extraaufwand gelohnt habe.

Verwundert war Boßdorf über den unterschiedlichen Besuch an den Austragungsstätten. Während sich beim Trendsport 3x3 Basketball bei freiem Eintritt teils Menschenmassen drängten, war die Leichtathletik im Olympiastadion bei Preisen von fünf bis 40 Euro erschreckend mäßig besucht. „Wir müssen mit den einzelnen Verbänden künftig noch rechtzeitiger Zuschauerkonzepte erstellen, um Bilder von leeren Tribünen zu vermeiden“, sagte er. Für die Leichtathletik im Speziellen sollen künftig kleinere Arenen gewählt werden. 2023 ist die olympische Kernsportart nach Kassel ausgelagert, in Dresden wird im aktuell im Umbau befindlichen Stadion ebenfalls deutlich weniger Kapazität vorgehalten.

Das Format soll sich auch auf kontinentaler Ebene etablieren

Um das Format, das sich auch auf kontinentaler Ebene mit den vom 11. bis 21. August in München geplanten European Championships etablieren soll, stetig weiterzuentwickeln, sieht Boßdorf zwei Hauptkomponenten. Die eine ist die Erschließung neuer Austragungsorte, auf die die Sportarten ihre Wettkämpfe zuschneiden. Dass zum Beispiel Rudern Titelkämpfe im 350-Meter-Sprint erschuf, um erstmals auf der City-Spree Teil des Finals-Programms werden zu können, stünde ebenso beispielhaft für die gewünschte Entwicklung wie die Meisterschaften im Speed-Kanupolo, die insbesondere auf das Trendsportkonto einzahlten.

Aber auch das Auslagern einzelner Elemente könne eine Sportart und gleichermaßen die gesamte Veranstaltung aufwerten. Hamburg zum Beispiel, das schon an der im Pandemiejahr 2020 ausgefallenen zweiten Auflage Interesse zeigte und nun für 2025 ein heißer Kandidat ist, kann kein Leichtathletikstadion vorweisen. „Aber die Sprintwettkämpfe auf dem Jungfernstieg durchzuführen und den Rest auszulagern, wie es NRW mit Kassel macht, hätte durchaus großen Reiz“, sagte Boßdorf. Bereits begonnene Gespräche sollen im August fortgesetzt werden.

Die zweite Komponente der Entwicklung ist die Aufnahme weiterer Sportarten, wobei Boßdorf die Obergrenze bei 18 sieht. „Wir wollen ja bewusst kleineren Sportarten eine Chance auf maximale TV-Präsenz geben. Wenn es zu viele werden, lohnt sich das irgendwann nicht mehr für die einzelnen“, sagt er. Klar ist bereits, dass 2023 Judo einschert, das am vergangenen Wochenende zeitgleich seine deutschen Einzelmeisterschaften in Stuttgart austrug. Diese waren vom Januar coronabedingt verlegt worden und konnten deshalb nicht rechtzeitig ins Berliner Programm integriert werden.

Wie viele andere Verbände ist auch Judo bereit, über Verschiebung angestammter Termine oder neue Wettkampfformate nachzudenken, um ein Stück vom Finals-Kuchen abzubeißen. „Die Aufmerksamkeit, die man bei den Finals erhält, ist immens wichtig für alle Randsportarten“, sagte Katharina von Kodolitsch, Vizepräsidentin des Deutschen Ruderverbands. Hagen Boßdorf wünscht sich aus Veranstaltersicht noch ein oder zwei Teamsportarten, aber keine großen Publikumssportarten wie Handball, die über regelmäßige TV-Präsenz verfügen. „Voraussetzung für jede Neuaufnahme ist aber, dass es deutsche Meisterschaften sind. Aufweichungen wie in den ersten Jahren, als auch ein Deutschland-Pokal genügte, wollen wir nicht mehr“, sagte er.

Die Finals 2022 sind Geschichte, die Finals 2023 haben am Montag begonnen.