Frankfurt/Main. Nun soll es klappen: Kapitänin Alexandra Popp will nach langer Leidenszeit und mit 31 Jahren ihre erste Frauenfußball-EM spielen.

Alexandra Popp war wie fast immer die Erste, die am Donnerstagvormittag den brandneuen Trainingsplatz vor der DFB-Akademie in Beschlag nahm. Während die meisten Mitspielerinnen noch am Rande flachsten, durchlief die Teamkapitänin der deutschen Frauen-Nationalmannschaft bereits den picobello Rasen mit Panoramablick auf die Frankfurter Skyline in voller Breite. Nach langer Verletzungspause gibt es noch einiges aufzuholen für die 31-Jährige, die bei der letzten Einheit des ersten Trainingslagers auf die bevorstehende EM in England (6. – 31. Juli) erkennbar Spaß hatte. Die 31-Jährige jubelte jedenfalls am lautesten, nachdem ihre Gruppe ein Laufspielchen gewonnen hatte. Wie ohnehin die Stimmung recht gelöst scheint, von der sich tags zuvor auch der von einer Covid-Infektion genesene DFB-Präsident Bernd Neuendorf bei einer Stippvisite im Teamhotel in Gravenbruch vor den Toren der Mainmetropole überzeugt hatte.

Die meinungsfreudige Popp tauschte sich beim Mittagessen am Tisch ausführlich mit dem interessierten Verbandschef aus, der sogar seinen Urlaub unterbrechen wird, um das wichtige EM-Auftaktspiel der DFB-Frauen gegen Dänemark (8. Juli) in Brentford im Westen von London vor Ort zu verfolgen. Popp empfindet den präsidialen Support als „Zeichen von Wertschätzung“, denn noch immer hat nicht mal jeder DFB-Funktionär wirklich auf dem Zettel, dass dieser Sommer eigentlich nicht der Nations League der Männer, sondern der Europameisterschaft der Frauen gehört.

Popps lange Leidensgeschichte

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Es ist erstaunlicherweise das erste Turnier dieser Art für die vielfach dekorierte Popp, die vor der EM 2013 in Schweden mit einem lädierten Sprunggelenk und vor der EM 2017 in den Niederlanden mit einem kaputten Meniskus ausfiel. Keiner kennt sich mit Rückschlägen so gut aus wie die mit ihren 113 Länderspielen (53 Toren) erfahrenste Akteurin. Erst im Frühjahr hatte die Stehauffrau ihre neunmonatige Leidenszeit wegen einer komplizierten Knieverletzung mitsamt Knorpelschaden beendet. Sie ist dem VfL Wolfsburg und vor allem Cheftrainer Tommy Stroot sehr dankbar, dass sie schon wieder auf recht viel Einsatzzeit kam, auch wenn sie beispielsweise beim DFB-Pokalfinale vor zwei Wochen nur auf der Bank saß.

Während alle anderen VfL-Spielerinnen erst beim nächsten Trainingslager in Herzogenaurach (12. bis 18. Juni) einsteigen, verkürzte die ehemalige Tierpflegerin ihren Urlaub auf eine Woche, um „für die EM voll da zu sein“. Noch fehle ihr, sagt sie offen und ehrlich, „die Spielfitness“, aber es ist verbürgt, dass die mit ihr seit frühen Tagen eng verbandelte Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg sie allein wegen ihrer Ausstrahlung und Persönlichkeit auf dem Platz haben möchte. Wobei die Allrounderin wie schon bei der WM 2019 in Frankreich eine klassische Neun und nicht wie in Wolfsburg auf der Sechser- oder Achter-Position spielen soll.

Einsätze als Joker? Kein Problem

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Von Sebastian Weßling und Marian Laske

Das ist jedenfalls der Plan, den beide Seiten verabredet haben. „Die Stürmerzellen muss ich erst wieder aktivieren“, erklärte sie lachend auf der digitalen Pressekonferenz und auf die Nachfrage, ob sie sich hinter der auf Vereins- und Nationalmannschaftsebene deutlich verbesserten Torjägerin Lea Schüller (FC Bayern) notfalls auch in die zweite Reihe zunächst auf die Bank begeben würde, versicherte sie: „Wenn ich den Joker spiele und das hinterher Erfolg bringt, ist das auch völlig fein.“

Hauptsache, der deutsche Frauenfußball kann nach zwei Rückschlägen bei der WM 2019 und EM 2017 wieder einen Schritt nach vorne machen. Wo die deutsche Elf, die ihren letzten Titel mit dem Olympiasieg 2016 unter Popps Zutun feierte, wirklich stehe, sei „schwer zu beurteilen“. Spanien, Frankreich, England, neuerdings Schweden, nicht zu vergessen Titelverteidiger Niederlande, fallen Popp als Titelfavoriten ein – und diese Liste sei nicht mal vollständig.

Man habe sicherlich die letzten Turniere „nicht auf optimalem Niveau“ gespielt, räumte Popp rückblickend ein, und deshalb sei der Respekt vor dem achtfachen Europameister auch verloren gegangen. „Da wollen wir aber wieder hin. Die Qualität ist unglaublich hoch, da kann wieder viel entstehen.“ Am liebsten würde sie sich wünschen, dass die anderen Mannschaften denken: „Oh Gott, da ist Deutschland. Wir müssen gegen Deutschland spielen! Diese positive Arroganz würde ich mir erhoffen.“ Und dafür arbeitet sie bei bester Laune in diesen Juni-Tagen.