Barcelona. Was für ein Spektakel: 30.000 Frankfurter Fans feierten den historischen Triumph in Barcelona. Nun rückt das Finale in den Blickpunkt.

Rückblickend hatten die Funktionäre von Eintracht Frankfurt wohl doch Recht, das Duell gegen den FC Barcelona als „Jahrhundertspiel“ zu titulieren. Denn in einer fast surrealen Nacht lieferte das mit 3:2 gewonnene Viertelfinal-Rückspiel beim katalanischen Renommierverein alle Zutaten für einen speziellen Platz in den Geschichtsbüchern der Hessen. Der erneute Einzug ins Europa-League-Halbfinale nach 2019 war das eine, die besonderen Begleitumstände mit mindestens 25.000 ganz in Weiß gekleideten Frankfurter Fans im gewaltigen Camp Nou das andere.

Selbst der sonst so besonnene Trainer Oliver Glasner griff dafür tief ins emotionale Regal. „Das hat sich eingebrannt ins Herz für immer. Diese Gefühle werde ich mitnehmen, bis ich irgendwann hoffentlich mal eine Etage höher bin“, sagte der Österreicher, der jegliche Komplimente für eine taktische Meisterleistung am RTL-Mikrofon umgehend weiterleitete. „Riesenlob an die Spieler, was sie hier geleistet haben. Riesenlob an unsere Fans, die hier etwas vollbracht haben, was es sonst kaum gibt auf der Welt.“

Frankfurts Fans sorgen für Gänsehautmomente weit nach Spielschluss

Geschätzt 30.000 Anhänger waren in die katalanische Metropole gereist und sorgten erst für Heimspielatmosphäre, dann für Gänsehautmomente bis weit nach Spielschluss. Den ganzen Gründonnerstag hatten sie die Sozialen Medien mit Bildern und Kurzvideos geflutet. „Nicht nur wie wir diesen absoluten Weltklub bespielt, sondern wie wir uns als Klub in Barcelona präsentiert haben“, fand Aufsichtsratschef Philip Holzer „historisch“ und merkte an: „Wir haben auch für die Bundesliga eine Visitenkarte abgegeben, die wir unser Leben lang nicht vergessen werden. Das war sicherlich einer der größten Siege der letzten 62 Jahren – dafür lieben wir die Euro League.“ Dem früheren Investmentbanker war die Sensation deshalb mehr wert als der UEFA-Cup-Sieg 1980, weil die finanzielle Kluft zwischen Klubs wie dem FC Barcelona und Eintracht Frankfurt inzwischen so gewaltig sei.

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Der im Mittelmaß gefangene Bundesligist bot abermals auf internationaler Bühne eine Bravourleistung, führte nach einem Doppelpack von Filip Kostic (4./Foulelfmeter und 67.) sowie dem Traumtor von Rafael Borré (37.) verdient mit 3:0, ehe Sergio Busquets (90.+1) und Memphis Depay (90. +11) zu spät verkürzten. Barca-Coach Xavi Hernandez verortete bei seinem Klub eine „riesige Enttäuschung“ und erhob den Vorwurf eines „Planungsfehlers“, dass so vielen Karten auf allen möglichen Kanälen an die Eintracht-Fans gelangt waren, weshalb die Barcelona-Kurve aus Protest sogar kurzzeitig ihre Plätze verließ.

Frankfurt reist nun nach London zu West Ham United

Vorstandssprecher Axel Hellmann wies darauf hin, so etwas kaum verhindern zu können (und wollen) – und kündigte flugs auch eine „Adler-Invasion“ für London an, wenn die Eintracht am 28. April das Halbfinal-Hinspiel bei West Ham United bestreitet. Mal unabhängig davon, ob die sprachliche Begrifflichkeit gerade passt, könnte sich tatsächlich eine ähnliche Größenordnung aus der Anhängerschaft in die englische Hauptstadt begeben. Das Rückspiel steigt dann am 5. Mai. Viele Frankfurter haben zudem bereits einen Trip für den 18. Mai nach Sevilla geplant. Wurde vor drei Jahren in einem dramatischen Elfmeterkrimi beim FC Chelsea der Einzug ins Europa-League-Endspiel verpasst, „wollen wir jetzt ins Finale“, erklärte Torwart Kevin Trapp, der seine Vorderleute dafür lobte, den „Plan in Perfektion umgesetzt“ zu haben.

Wer mit Betis Sevilla und FC Barcelona zwei spanische Spitzenklubs mit Champions-League-Ambitionen eliminiert, der muss unter den letzten Vier der Europa League keinen Gegner mehr fürchten – und kann auch von einem (deutschen?) Finale träumen. „Das Finale ist das ganz klare Ziel“, betonte Sportvorstand Markus Krösche, dessen nüchterne Herangehensweise dem Klub gerade zu Saisonbeginn half. Trotz des Pokalaus bei Waldhof Mannheim und Startschwierigkeiten in der Bundesliga stärkte der Manager nämlich seinem anfangs mit der Eingewöhnung fremdelnden Trainer den Rücken.

Vorbereitung auf Union? Ganz egal

Nicht umsonst erwähnte Glasner auf dem vorläufigen Höhepunkt seines Schaffens diese schwierige Phase: „Wenn mir einer nach dem Ausscheiden in Mannheim gesagt hätte, wir würden in Barcelona so weiterkommen, hätte ich ihn für verrückt erklärt“, gestand der 47-Jährige, der sich bei einem Diver auf dem Rasen seine Hose zerriss. „Die ist jetzt kaputt, aber egal“, sagte der Fußballlehrer, der spontan das für Freitagmorgen in Barcelona angesetzte Vormittagstraining strich und statt dessen einen Strandspaziergang zum Ausnüchtern ansetzte.

Denn die Spieler waren ausdrücklich aufgefordert worden, sich nach diesem epochalen Triumph nicht mit einem kräftigen Schluck Mineralwasser zu begnügen. Wie in dieser Feierlaune und diesem Freudentaumel die Vorbereitung aufs nächste Bundesliga-Auswärtsspiel bei Union Berlin (Sonntag 17.30 Uhr) gelingen soll, wusste auch Glasner nicht so genau. Aber es war in den magischen Momenten von Barcelona auch einfach mal egal.