Freiburg. Bayerns Missgeschick macht den 4:1-Sieg in Freiburg zur Nebensache. Hat der Wechselfehler doch noch Folgen für den Rekordmeister?

Viele Geschichten hatte das Spiel hervorgebracht, doch diese rückten ebenso in den Hintergrund wie der souverän erwirtschaftete 4:1-Sieg des FC Bayern beim SC Freiburg. Wäre der Erfolg ohne größere Vorkommnisse geblieben, hätte der gelungene Einstieg in die entscheidende Saisonphase den Nachhall bestimmt.

Es wäre um die Bestärkung vorm Hinspiel im Viertelfinale der Champions League beim FC Villarreal am Mittwoch gegangen. Genauso wie um Leon Goretzkas Führungstor in der 58. Minute bei seiner erfolgreichen Rückkehr nach vier Monaten Verletzungspause sowie um Marcel Sabitzers erstes Tor im Bayern-Trikot (90.+6). Dazwischen lag noch Nils Petersens Ausgleich durch sein 100. Pflichtspieltor für Freiburg 17 Sekunden nach seiner Einwechselung (63.), das 1:2 von Serge Gnabry 33 Sekunden nach seiner Einwechselung (73.) und Kingsley Comans 1:3 (82.). Doch die Geschichte des Spiels war eine ganz andere.

Bayern für 16 Sekunden mit zwölf Spielern

Die Geschichte handelte von einem sportlich bedeutungslosen Wechselfehler, zu dessen Kuriosität und Wirrwarr beitrug, dass Konsequenzen offenbar nicht klar definiert sind und nun sogar die Gelehrten darüber debattieren, welche Regeln und Paragrafen angewendet werden könnten und müssten. Durch den Wechselfehler liefen die Bayern in der Schlussphase für 16 Sekunden mit zwölf Spielern über den Rasen.

Ihr Trainer Julian Nagelsmann bezeichnete das Durcheinander samt langer Spielunterbrechung als „skurril“. Zu dieser Bezeichnung passte jene Szene, in der er während des Spiels mit den Fingern durchgezählt hatte. Für Schiedsrichter Christian Dingert war es eine „total konfuse Situation“, die eine achtminütige Nachspielzeit verursachte. Zuerst hatten die Freiburger in Person von Verteidiger Nico Schlotterbeck nachgezählt und bei Dingert interveniert. „Relativ schnell kam die Info an mich: Bitte unterbrechen, hier stimmt was nicht“, berichtete der Schiedsrichter.

Schiedsrichter-Chef Fröhlich sieht Redebedarf

Der Hergang des Fauxpas konnte immerhin aufgeklärt werden. Dieser war zustande gekommen, weil Bayerns Teammanagerin Kathleen Krüger die frühere Trikotnummer 29 von Coman auf der Wechseltafel signalisiert hatte und nicht seine aktuelle 11. Coman fühlte sich nicht angesprochen, für Sabitzer vom Feld zu gehen, als dieser selbiges voreilig betrat. Weil der Münchner Wildwechsel auch dem zuständigen Vierten Offiziellen Arno Blos durchrutschte, spielten plötzlich zwölf Bayern gegen elf Freiburger.

Erfolgserlebnis: Leon Goretzka erzielte in seinem ersten Spiel nach fast viermonatiger Zwangspause den Führungstreffer der Bayern.
Erfolgserlebnis: Leon Goretzka erzielte in seinem ersten Spiel nach fast viermonatiger Zwangspause den Führungstreffer der Bayern. © dpa

„Die Verwirrung kam auch in Köln an“, berichtete Videoassistent Felix Zwayer im ZDF-Sportstudio. Über die Folgen zweifelsfrei aufklären konnte der Fifa-Schiedsrichter auch nicht. „Am Ende ist es ein gemeinschaftlicher Job zwischen dem Vierten Offiziellen und dem Teammanagement, dass die richtige Anzahl auf dem Feld ist“, sagte Nagelsmann über Blos und Krüger. Lutz Michael Fröhlich, Schiedsrichterchef des Deutschen Fußball-Bundes (DFB), verwies gegenüber der dpa auf die Verantwortung der Unparteiischen: „Es hat etwas mit Konzentration und mit Übersicht zu tun. Darüber müssen wir mit den Schiedsrichtern intern nochmal sprechen.“

Als Klaus Augenthaler vier Mal auswechselte

Es hat seit 1963, seit Bestehen der Bundesliga, schon einige irreguläre Wechsel gegeben, die teils auch in den Saisonrückblicken noch für Heiterkeit im Publikum sorgten. Wie 1995, als der damalige Bayern-Trainer Giovanni Trapattoni beim 5:2-Sieg in Frankfurt das Talent Dietmar Hamann einwechselte und damit einen Vertragsamateur zu viel. Das Spiel wurde 2:0 für die Eintracht gewertet.

1996 vertrat bei den Bayern Klaus Augenthaler im letzten Ligaspiel Franz Beckenbauer, der angeblich wegen einer Nierenkolik fehlte. Drei Tage zuvor hatten die Münchner den Uefa-Cup gewonnen und danach sehr viel gefeiert. Augenthaler wechselte beim Stande von 0:2 gegen Fortuna Düsseldorf vier Mal aus, die Bayern holten noch ein 2:2.

Freiburger können bis Montag Einspruch einlegen

Obwohl vier Wechsel damals irregulär waren, behielten die Münchner den Punkt, weil Düsseldorf wegen der Bedeutungslosigkeit des Spiels auf einen Einspruch verzichtete. In der ersten Pokalrunde der laufenden Saison wechselte Mark van Bommel als damaliger Wolfsburger Trainer bei Preußen Münster sechs Mal aus und damit ein Mal zu viel – übrigens ebenfalls unter Dingerts Spielleitung. Münsters Einspruch beim DFB hatte Erfolg. Der 3:1-Sieg des VfL wurde als 0:2 gewertet, der Regionalligist kam weiter.

Einspruch könnten nun auch die Freiburger einlegen, und das müssten sie sogar bis zu diesem Montag, damit überhaupt über Konsequenzen des Wechselfehlers befunden werden kann. Freiburgs Trainer Christian Streich konnte es gar nicht glauben, dass es im Regelwerk keine klar definierten und automatischen Folgen gibt. „Das kann ich mir nicht vorstellen“, sagte er, „das wäre ja absurd. Es gibt ja für alles Regeln. Es gibt ja auch keinen Einspruch beim Eckball oder beim Freistoß.“

Sportlich entscheidend war der Wechselfehler nicht

Doch selbst die Gelehrten sind uneins, wie zu verfahren ist. Ob die Freiburger Einspruch einlegen, ließen sie vorerst offen. Täten sie es, wäre vom DFB-Gericht die Verantwortung für den Wechselfehler zu klären. Eigentlich muss das Schiedsrichtergespann dafür Sorge tragen, dass die korrekte Anzahl an Spielern auf dem Feld ist. Dingert und seine Assistenten hätten Sabitzer also gar nicht aufs Feld lassen dürfen, bevor nicht ein anderer Spieler für ihn weicht, in diesem Fall Coman. Sähe das DFB-Gericht die Schuld beim Schiedsrichtergespann, müsste der Fehler wohl spielentscheidend gewesen sein, damit die Spielwertung geändert werden kann.

Doch spielentscheidend waren Bayerns Wildwechsel kurz vor Schluss und die 16 Sekunden in Überzahl beim Stande von 1:3 wohl kaum.