Essen. Der britische Motorsport-Verband verweigert dem Russen den Start. Ziehen andere nach? Mick Schumacher könne einen neuen Partner bekommen.

Das vorzeitige Geburtstagsgeschenk des Motorsport-Weltverbandes Fia für Nikita Masepin kassierte David Richards am eigentlichen Ehrentag wieder ein. „Es ist unsere Pflicht, jeden Einfluss und jedes Druckmittel zu nutzen, um diesen völlig ungerechtfertigten Angriff auf die Ukraine zu stoppen“, sagte der Vorsitzende des britischen Verbandes Motorsport UK und begründete damit eine folgenschwere Entscheidung: Russische und belarussische Fahrer sind bis auf Weiteres von Rennen in Großbritannien ausgeschlossen. Die Fia hatte am Montagabend noch den Start unter neutraler Flagge erlaubt – entgegen der Empfehlung des Internationalen Olympischen Komitees, das für einen vollständigen Bann der Athleten plädiert hat.

Die Zukunft des 23 Jahre alten Masepin in der Formel 1 steht damit weiter in den Sternen. Fahren dürfte er – aber wird er das auch beim Saisonauftakt der Königsklasse am 20. März in Bahrain? Am Grand Prix in Silverstone Anfang Juli darf der Russe schon mal nicht teilnehmen. Gut möglich, dass sich weitere Motorsport-Verbände den britischen Kollegen anschließen.

Für den Rennstall Haas fährt auch Mick Schumacher

Die Sorgenfalten bei Günther Steiner werden nach dem Statement von Motorsport UK nicht geringer geworden sein. Der 56 Jahre alte Südtiroler ist Teamchef von Haas, des Rennstalls, für den neben Masepin auch der Deutsche Mick Schumacher (22) in der Formel 1 unterwegs ist. „Es muss eine Lösung gefunden werden“, kommentierte Steiner kürzlich den Fall Masepin.

Haas und Masepin, das ist mehr als eine Team-Fahrer-Beziehung. Dass der junge Mann aus Moskau überhaupt in einem der begehrten Cockpits sitzt, hat er vor allem seinem Vater Dimitri zu verdanken. Der 53-Jährige ist Mehrheitsaktionär des russischen Bergbau-Unternehmens Uralkali – Hauptsponsor von Haas.

Bilder zeigen Nikita Masepin mit Wladimir Putin

Nach dem russischen Überfall auf die Ukraine aber hatte der Rennstall seine Wagen bei den Testfahrten in Barcelona umlackiert und die Uralkali-Logos sowie die russischen Nationalfarben entfernt. „Als Team haben wir in diesem Moment die richtige Entscheidung getroffen, auch um ein Zeichen an alle zu senden“, sagte Steiner. Auch ohne die Geldzuschüsse aus Russland sei Haas „finanziell breit genug aufgestellt, um diese Saison durchzustehen“, sagte Steiner. Derzeit prüft der Rennstall die Trennung vom Sponsor.

Tragbar war Dimitri Masepins Firma da schon lange nicht mehr. Der Multimilliardär pflegt enge Beziehungen in den Kreml. Staatspräsident Wladimir Putin verlieh dem in Minsk geborenen Geschäftsmann mehrere Orden. Werbung für ein Unternehmen, das einen Angriffskrieg in Europa mitfinanziert? Das traut sich selbst in der Formel 1 derzeit niemand – obwohl die grundsätzlich nicht davor zurückschreckt, sich mit Diktatoren zu umgeben, solange sie dafür viel Geld kassiert. Auch Nikita Masepin musste – gewollt oder nicht – das Spiel des Vaters mitspielen. Am 7. Oktober 2020 hatte er bei Instagram ein Foto veröffentlicht, das ihn mit Putin zeigt. Darunter schrieb der Nachwuchsrennfahrer: „Vielen Dank für alles, was Sie für den russischen Sport tun.“

Pietro Fittipaldi steht als Ersatz parat

Derzeit aber spüren Sportler wie er die Nebenwirkungen von Putins aggressiver Politik. Neben Masepin dürften weitere russische Rennfahrer wie Top-Talent Robert Schwarzman (22) in der Formel 2 in Schwierigkeiten geraten, sollten sich andere nationale Motorsport-Verbände den britischen Maßnahmen anschließen. Noch dürfen sie unter Flagge der Fia starten. Zudem drohen ja weitere politische Sanktionen wie beispielsweise Visa-Einschränkungen für russische Staatsbürger seitens der Europäischen Union und ihrer westlichen Partner.

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Wie es für Nikita Masepin nun weitergeht, liegt in den Händen des Haas-Teams: Das stärkste Argument für die Beschäftigung des mäßig talentierten Masepin war bislang das Geld des Vaters. Sollte der Rennstall an dem russischen Fahrer festhalten, böte das reichlich Stoff für Diskussionen, die auch der Formel 1, die den Großen Preis von Russland abgesagt hat, nicht gefallen dürften.

Dann müsste sich Günther Steiner nach einem neuen Partner für Mick Schumacher umschauen. Der erste Anwärter trägt wie der Rekordweltmeistersohn einen prominenten Namen: Pietro Fittipaldi (25), Enkel von Emerson Fittipaldi (75), dem zweimaligen Champion in den 1970er-Jahren.