Peking/Berlin. Kurz vor ihrem 50. Geburtstag startet Eisschnellläuferin Claudia Pechstein beim Massenstart. Es ist ihr letzter Olympia-Auftritt.

Worauf soll man noch hoffen? Gewiss, der Massenstart zum Abschluss der olympischen Eisschnelllauf-Wettbewerbe am Samstag (ab 8 Uhr/ZDF und Eurosport) ist eine Lotterie. Und wenn etwas Sensationelles passieren kann, dann am ehesten hier. Doch der Realismus erlaubt dem deutschen Verband keine großen Träume. Nicht nach den vielen traurigen Tagen von Peking.

Keine Gedanken bei Claudia Pechstein an die Platzierung

Warum sich also nicht einfach einlassen auf die letzten olympischen Runden einer herausragenden Athletin? Ganz ohne Platzierungen im Hinterkopf, in Gedanken nur die Höhepunkte der Vergangenheit. Bereit zu schwelgen in einer Karriere ohne Gleichen. Es gehört nicht viel Fantasie dazu, um sich auszumalen, dass Claudia Pechstein an diesem Samstag mit dem Massenstart von der olympischen Bühne abtritt. Obwohl sie das noch nicht endgültig gesagt hat.

Doch drei Tage später wird sie 50 Jahre alt. Überhaupt noch einigermaßen mitzuhalten mit der Weltspitze ist jetzt schon schwer genug. Dass sie es getan hat, bescherte der Deutschen Eisschnelllauf- und Shorttrack-Gemeinschaft (DESG) wenigstens ein paar erfreuliche Schlagzeilen. Als erste Frau überhaupt ist Pechstein zum achten Mal bei Olympia dabei. Ihre Lebensleistung fand auch Anerkennung in der Tatsache, dass sie die deutsche Fahne bei der Eröffnungsfeier tragen durfte. „Olympiasieger gibt es ganz viele, aber Fahnenträger nicht so viele. Deswegen bin ich ganz stolz, dass ich in dem erlesenen Kreis dabei sein darf“, sagt die Berlinerin.

Genau dafür lohnte sich der beschwerliche Weg nach China, die Qual durch die lange Qualifikation, die ihr nur mit Mühe glückte. Überall wurde ihr in Peking gehuldigt ob ihres Durchhaltevermögens, das auf der einen Seite unter dem endlosen Kampf um die Rehabilitation nach einer ungerechtfertigten Dopingsperre litt. Auf der anderen aber genau darin immer wieder Nahrung fand. Pechstein feierte Titel und Triumphe, welche die aktuelle und die kommenden beiden Generationen deutsche Eisschnellläufer wohl zusammen nie erreichen werden.

Claudia Pechstein: Folgt jetzt die Trainerkarriere?

Fünf Olympiasiege, je zweimal Silber und Bronze machen sie nach den Rodel-Coups zwar nicht mehr zur erfolgreichsten deutschen Winterolympionikin. Eine einzigartige Sportlerin ist sie dennoch, eine Athletin, welche die DESG in absehbarer Zeit sehr vermissen wird. Der Verband steuert auf die dritten Spiele in Folge ohne Medaille zu, ist mit bislang nur einer Top-Ten-Platzierung (2018 waren es noch 8, 2014 sogar 9) so weit entfernt von der Spitze wie nie zuvor. „Seit bestimmt 20 Jahren wurden Fehler gemacht“, sagt Pechstein.

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Die müssen jetzt ausgebügelt werden, ihr Lebensgefährte und Verbandspräsident Matthias Große will die DESG wieder erfolgreich machen, fit für die nächsten Spiele. Vielleicht leistet auch Pechstein ihren Beitrag, sie absolviert ihre Trainerausbildung. Noch aber steht sie vorrangig auf dem Eis, zumindest bis zum Ende der Saison. Spätestens dann dürfte sich die Frage stellen, ob es noch ein sportliches Ziel gibt, das sie als Eisschnellläuferin verfolgen kann. Oder ob sie ihre Karriere alsbald ausklingen lässt.

Keine große Hoffnung auf olympisches Wunder

In Peking immerhin trägt sie sich noch mit Ambitionen. Über die 3000 Meter zum Beginn der Spiele ist ihr widerfahren, was sie vermeiden wollte. „Natürlich will ich nicht als Letzte ins Ziel kommen“, so Pechstein. Nach dem Rennen hat sie die Zeit in Peking genossen wie nie zuvor, sich viele Wettbewerbe angeschaut, deutsche Athleten angefeuert. Nun gilt es noch einmal für sie, ebenso für Michelle Uhrig (Berlin) und Felix Rijhnen (Frankfurt). Ohne große Hoffnung auf ein olympisches Wunder. Aber mit der Aussicht auf ein beherztes letztes Rennen im Zeichen der Ringe einer Eisschnelllauf-Legende.