Inglewood/Essen. Die Los Angeles Rams gewinnen den Super Bowl im eigenen Stadion. Auch neben dem Platz ist der Super Bowl wieder eine Show der Superlative.
Die Frage liegt ja auf der Hand. Was nur hätte Taylor Rapp gemacht, wenn dieses Football-Spiel einen anderen Ausgang genommen hätte? So aber konnte der 25-Jährige ganz lässig hinter seinen Rücken greifen, ein kleines schwarzes Schachtelchen zücken und auf die Knie gehen. Natürlich nahm die Noch-Freundin den Antrag an. Die Familie Rapp durfte sich unter dem Nachthimmel von Inglewood über gleich zwei Ringe freuen.
Bald-Ehemann Taylor hat sich seinen in den knapp vier Stunden selbst erarbeitet. Die Los Angeles Rams gewannen mit 23:20 gegen die Cincinnati Bengals im 56. Super Bowl, dem Finale der nordamerikanischen Football-Liga NFL. Und wie das so üblich ist im US-Sport gibt es für jeden Spieler der siegreichen Mannschaft anschließend einen dicken Klunker an den Finger.
Super Bowl 2022: Aaron Donald gelingt die entscheidende Aktion
Aaron Donald war da schon längst völlig aufgelöst. „Es ist das beste Gefühl der Welt, Gott ist großartig“, schwärmte das 129-Kilogramm-Kraftpaket mit Tränen in den Augen, als das Siegerkonfetti von oben auf ihn herab regnete. Wenige Minuten zuvor gelang dem Rams-Profi der wichtigste Verteidigungsaktion seines Lebens.
39 Sekunden Rest-Spielzeit, 23:20 für Los Angeles. Eine letzte Chance für Cincinnati. Ein paar Yards musste Quarterback Joe Burrow noch zurücklegen, um seinen nervenstarken Kicker Evan McPherson in Position zu bringen - ein Field Goal hätte gereicht, um die Partie in die Verlängerung zu bringen. Doch Burrow benötigt zu viel Zeit für den Pass. Aaron Donald stürmt heran, reißt den Spielmacher der Bengals zu Boden. Das Zuspiel kommt nicht an. Die Rams siegen in einem schon verloren geglaubten Super Bowl. „Ich wollte das so sehr, ich habe davon geträumt“, sagte Donald, der sich anschließend den Helm vom Kopf riss und immer wieder auf seinen Ringfinger zeigte. Mein Schatz.
Super Bowl 2022: Spektakuläre Halbzeit-Show mit Eminem und Dr. Dre
Siebenmal rang die starke Defense um Abwehrchef Aaron Donald Quarterback Burrow zu Boden. Zum wertvollsten Spieler der Partie aber wurde Rams-Receiver Cooper Kupp gewählt, der zwei Touchdowns erzielte - seinen zweiten beim Stand von 16:20, 85 Sekunden vor Schluss. „Ich habe keine Wort. Ich bin so dankbar für jeden in meinem Leben“, sagte der 28-Jährige. Trainer Sean McVay, mit 36 Jahren jüngster Super-Bowl-Gewinner der NFL-Geschichte, meinte: „Die Jungs haben im großen Stil abgeliefert.“
Ein Spielende, das passte zu dieser Show der Superlative. Fünf Milliarden Dollar hat das nagelneue SoFi Stadium verschlungen. 100 Millionen TV-Zuschauer allein in den USA, mehr als 70.000 Fans in der Arena, darunter etliche Promis, etwa Basketballer LeBron James, und Hollywood-Stars wie Dwayne Johnson, der vor dem Kick-off eine elektrisierende Rede hielt. Bei der Halbzeitshow gaben sich Hip-Hop-Größen wie Dr. Dre oder Eminem die Ehre.
Super Bowl 2022: Eminem wie einst Colin Kaepernick
Letzterer kniete sich während seines Auftritts hin - wohl in Anlehnung an den früheren Football-Star Colin Kaepernick, der auf diese Weise gegen Rassismus und Polizeigewalt protestiert hat.
Der Triumph der favorisierten Rams beruht auf einer ziemlichen Zockerei. Denn eine Star-Auswahl im American Football zusammenzustellen, hat einen Preis. Im Sommer wechselte Quarterback Matthew Stafford von den chronisch erfolglosen Detroit Lions an die Westküste. Erst im November verstärkte frühere Super-Bowl-Champion Von Miller den Kader. Dafür aber kann Los Angeles nun bis zum Jahr 2024 keine Talente mehr in der ersten Draft-Runde verpflichten. Auch Zugriffsrechte für Spieler aus zweiter und dritter Runde wanderten reihenweise in Tausch-Geschäften zu anderen Teams. Ein riskanter Plan: jetzt alles oder erst mal länger nichts.
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Quarterback Stafford (34), Verteidiger Donald (30), Miller (32) oder Pass-Empfänger Odell Beckham jr. (29), der sich im Super Bowl erneut am Knie verletzte und in der zweiten Hälfte nicht mehr auflaufen konnte, werden nicht mehr lange auf Top-Niveau spielen können. Das Heimspiel im pompösen, fünf Milliarden Dollar teuren SoFi Stadium war die für längere Zeit wohl einmalige Chance auf die dritte NFL-Meisterschaft der Franchise-Geschichte.
Super Bowl 2022: Cincinnati Bengals blicken dank Joe Burrow großer Zukunft entgegen
Deutlich zuversichtlicher dürften die Cincinnati Bengals trotz der bitteren Niederlage in die Zukunft schauen. In der vergangenen Saison zählte das Team aus Ohio noch zu den schlechtesten der Liga. Jetzt aber haben die Bengals den von einem Kreuzbandriss genesenen Joe Burrow in ihren Reihen.
Der 25 Jahre alte Spielmacher führte Cincinnati zum ersten Play-offs-Sieg seit 1991 - und fast zum großen Coup im Super Bowl. Lässig posierte Burrow unter der Woche mit Sonnenbrille bei Medienterminen, zu „besonderen Anlässen“ wie nach dem Halbfinal-Sieg gegen die Kansas City Chiefs gönnt sich „Joe Cool“ in der Kabine gerne mal eine Zigarre.
Sonst so über den Dingen schwebend wirkte Burrow allerdings doch konsterniert, als er am späten Sonntagabend die Fragen der Reporter beantworten musste. „Ich bin insgesamt enttäuscht über meine Leistung, ich habe gedacht, dass ich besser spielen und uns eine bessere Chance geben konnte“, meinte Burrow, „du lebst und lernst.“ Dann zuckte er leicht mit der Schulter. „Wir hatten ein gutes Jahr, auch wenn das Spiel nicht so ausgegangen ist, wie wir das wollten. Ich werde trotzdem mit den Jungs feiern.“ Eben doch ziemlich cool.