Gelsenkirchen/Enschede. Die Fans von Schalke und Twente sind seit Jahren befreundet. Dazu gehört der Fanklub Blau und Weiss Enschede mit einem Eurofighter als Mitglied.

Mitte Mai 2001 entgleitet dem FC Schalke 04 die Meisterschaft. Am 33. Spieltag kassieren die Gelsenkirchener ein 0:1 gegen den VfB Stuttgart und rutschen auf den zweiten Tabellenplatz. Die Ausgangslage vor dem Saisonabschluss ist schlecht: Nach vier Spieltagen an der Spitze sind plötzlich die Bayern wieder Erster – und bleiben es auch. Während also die Hoffnungen auf den Titel schwinden, bekommt der niederländische Schalke-Fan Henny ten Vergert einen Anruf. Es meldet sich Youri Mulder, Schalkes Mittelstürmer, der gegen Stuttgart noch eingewechselt wurde.

„Er hat gesagt: Komm bei mir vorbei, schimpfe und sag alles, was du über das Spiel denkst. Wir können reden“, erzählt ten Vergert. Der Fan besucht den Profi. Offen sei Mulder gewesen, erinnert sich der 73-Jährige, immer bereit zum Gespräch. Aber warum meldet sich der Spieler ausgerechnet bei ihm? Es ist vor allem eine Sache, die beide Männer verbindet: der Fanclub Blau und Weiss Enschede. Henny ten Vergert ist Vorsitzender, Youri Mulder noch immer Mitglied. „Ich bin einige Male bei ihm Zuhause gewesen und er war auch einige Male bei uns, als wir Schalke-Abende gefeiert haben“, erzählt ten Vergert. Der ehemalige Profi lebt selbst in Enschede, eine Stadt nahe der deutsch-niederländischen Grenze. Bevor Mulder nach Gelsenkirchen kam, spielte er beim ortsansässigen FC Twente.

Schalke und Twente: "Wir trinken ein Bierchen zusammen"

Zu Schalke 04 gibt es eine besondere Verbindung: Die Anhänger beider Klubs führen seit Jahren eine Fan-Freundschaft. „Man kann in Enschede nicht mit einem Trikot von Ajax, Feyenoord oder dem BVB herumlaufen, aber mit einem Schalke-Trikot wird man überall begrüßt“, sagt ten Vergert. Als die Vereine im Uefa-Cup 2008 und der Europa League 2012 gegeneinander spielten, habe es große Fan-Partys gegeben. „Es werden zum Glück immer weniger, aber für einige Leute bedeutet Deutschland gegen Holland so etwas wie Krieg. Wir haben gezeigt, dass es auch fanfreundlich geht“, sagt der Vorsitzende: „Wir trinken ein Bierchen, wir singen zusammen, wir tanzen miteinander – auch im Stadion.“

Henny ten Vergert (Mitte) mit den Ex-Schalkern Marco van Hoogdalem (links) und Youri Mulder.
Henny ten Vergert (Mitte) mit den Ex-Schalkern Marco van Hoogdalem (links) und Youri Mulder. © ten Vergert

Die Fan-Freundschaft habe es schon gegeben, als der Fanclub im Oktober 1995 gegründet worden ist. In dieser Zeit erlebten die Gelsenkirchener eine der erfolgreichsten Phasen ihrer jüngeren Geschichte. „Wir sagen manchmal scherzender Weise: Als Blau und Weiss Enschede gegründet wurde, kamen auch die Erfolge auf Schalke“, erzählt ten Vergert. Für ihn sei der Sieg im Uefa-Cup 1997 das absolute Highlight gewesen.

Schalke-Fanclub in Enschede mit über 300 Mitgliedern

Zum Fan wurde der 73-Jährige aber schon Jahrzehnte früher. In der Glückauf-Kampfbahn sah er im Dezember 1969 sein erstes Spiel, die Schalker empfingen damals Rot-Weiss Essen. „Das war eine sensationelle Partie“, erinnert sich ten Vergert. Königsblau machte aus einem 1:3-Rückstand noch einen 5:3-Sieg, drei Gelsenkirchener Treffer fielen innerhalb von vier Minuten. „Da war die Hölle los“, erzählt er: „Das Spiel, die Atmosphäre und das Drumherum haben mich so fasziniert, seitdem bin ich Schalke-Fan.“

Bis heute verfolgt Henny ten Vergert jede Partie, und wenn die Corona-Pandemie es zulässt, fährt der Vorsitzende mit seinem Fanclub ins Stadion. Über 300 Mitglieder zählt die Gruppierung mittlerweile, für die Partien organisieren sie regelmäßig gemeinsame Busfahrten. „Jedes Jahr denke ich, das wird schon abnehmen, aber die Mitglieder bleiben und die Zahl steigt sogar. Die Begeisterung ist wirklich groß in den Niederlanden“, sagt ten Vergert.

Lob für Schalkes Niederländer Thomas Ouwejan

Und das, obwohl Schalke sich gerade von einer Krise erholt. Der Abstieg sei eine „riesige Enttäuschung“ gewesen, so der 73-Jährige. Er denke manchmal noch zurück, wie es dazu kommen konnte. Vor allem die Schulden in Millionenhöhe seien für ihn bis heute unbegreiflich. „Vielleicht ist es besser, dass wir auf dem Nullpunkt anfangen, um den Verein wieder aufzubauen“, sagt er.

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Mit der bisherigen Saison zeigt sich ten Vergert zufrieden. Dimitrios Grammozis habe es geschafft, ein Team zu formen, es werde wieder gekämpft auf dem Platz. „So möchten wir Fans das gerne sehen“, erklärt er. Auch Sportvorstand Rouven Schröder müsse er ein Kompliment machen, er war es, der auch den Niederländer Thomas Ouwejan nach Gelsenkirchen holte. „Ouwejan hat mich positiv überrascht und das nicht, weil er Holländer ist“, erzählt ten Vergert.

Ist der linke Außenverteidiger nun auch ein Kandidat für den Fanclub? Miteinander sprechen konnten sie noch nicht, sagt der Vorsitzende: „Aber wenn alles wieder normal wird und er bleibt bei uns, dann nehmen wir bestimmt mal Kontakt zu ihm auf.“