Melbourne. Rafael Nadal hat als erster Spieler den 21. Grand-Slam-Titel gewonnen. Der Spanier drehte gegen Daniil Medwedew einen 0:2-Rückstand.

Seit er mit 19 Jahren als zupackender Debütant erstmals die French Open gewann, hatte Rafael Nadal immer wieder die Tennis-Geschichtsbücher umgeschrieben und Bestleistungen pulverisiert. Er machte Roland Garros zu seinem roten Paradies, er gewann an allen Grand-Slam-Turnier-Orten, er wurde neben Roger Federer und Novak Djokovic zum größten Spieler der goldenen Epoche seines Sports.

Kämpfer Rafael Nadal gab nach 0:2-Rückstand nicht auf

Superlative sind schnell und zuverlässig gefunden bei Nadal, dem unverwüstlichen Gladiator der Centre Courts – aber dennoch: Seinen allergrößten und unwahrscheinlichsten Sieg, sein eindrucksvollstes Comeback überhaupt in mehr als anderthalb Jahrzehnten im Wanderzirkus feierte der legendäre Mallorquiner in der denkwürdigen Finalnacht der Offenen Australischen Meisterschaften 2022.

Als er nach fünf Stunden und 24 Minuten einen unglaublichen Entfesselungsakt geschafft und einen schier aussichtslosen 0:2-Satzrückstand gegen Daniil Medwedew aus Russland noch in einen 2:6, 6:7, 6:4, 6:4, 7:5-Marathontriumph umgebogen hatte, war Nadal auf einmal der alleinige Spitzenreiter im faszinierenden Kampf um Grand-Slam-Rekorde. Doch jenseits der imponierenden Zahlen – Nadal nun mit 21 Siegen, dahinter Roger Federer und Novak Djokovic mit 20 –, stand eine Titelmission in Melbourne, die ihresgleichen suchte, auch und besonders noch einmal im letzten Centre-Court-Duell.

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„Ich hätte jeden für verrückt erklärt, der mir das vor einem halben Jahr gesagt hätte“, sagte Nadal in dieser außergewöhnlichen Australian-Open-Nacht – der Mann, der vor einigen Wochen noch wegen seiner komplizierten Fußverletzung über ein Karriere-Aus grübeln musste.

Ein Wunder? Ein Märchen? Ein Mysterium? Hexerei, Zauberei? Irgendwie alles zusammen. Was wohl auch Nadal dachte, als er nach seiner verwegenen Aufholjagd am Netz stand und, soeben zum zweiten Mal Melbourne-König geworden, vor lauter Verblüffung erst mal nur flüchtig grinste. Und dann lange mit dem Kopf schüttelte, als müsse er sich selbst fragen, wie das alles passieren konnte. „Ich habe einfach das gemacht, was mich immer stark gemacht hat: an mich glauben, in jeder Sekunde“, sagte er später. „Es war eines der emotionalsten Matches in meinem Leben.“

 Cool und defensivstark trotzte der Russe Daniil Medwedew in der Rod-Laver-Arena lange der Atmosphäre.
Cool und defensivstark trotzte der Russe Daniil Medwedew in der Rod-Laver-Arena lange der Atmosphäre. © dpa

Daniil Medwedew gehört die Zukunft

0:2-Sätze lag er bereits hinten gegen den trickreichen Moskowiter Medwedew, doch Nadal wehrte das Unheil in der Paraderolle des willensstarken Fighters ab, er gewann den dritten Satz, er gewann den vierten Satz. Und er, der mit 35 zehn Jahre ältere Spieler, war im fünften Durchgang plötzlich der frischere, entschlossenere, willensstärkere und ging mit 7:5 durchs Ziel. Erstmals in der modernen Tennis-Ära war somit auch ein Finalcomeback nach 0:2-Rückstand in Melbourne perfekt.

Oben auf der Ehrentribüne zückte da auch Rod Laver, der Namensgeber des Centre Courts, sein Smartphone und hielt die geschichtsträchtigen Szenen fest. Nadal, der nach der ersten Verwunderung über diesen Triumph auf die Knie ging. Nadal, der den Pokal aus den Händen des ehemaligen Gewinners Jim Courier erhielt und die Trophäe überglücklich den Fans präsentierte. Ein „Phänomen“ sei dieser Kerl, gab Altmeister Laver zu Protokoll. „Er macht Dinge möglich, die unmöglich sind.“

Nadal - aus Schmerzen auferstandener Champion

Begonnen hatten die Australian Open ja lange vor den ersten Ballwechseln mit der leidigen Affäre um den Weltranglisten-Ersten Novak Djokovic. Es war großes Drama, es ging um Visafragen, um Impfung, um Paragrafen, schließlich um Einreise oder Ausweisung. Doch als die Grand-Slam-Festspiele ihren letzten Tag erlebten, war der Sport mit aller Macht zurückgekehrt.

Mit Nadal, diesem denkwürdigen, aus Schmerzen und Sorgen auferstandenen Champion. Und auch mit Medwedew, dem Mann, der sich trotz seiner Niederlage als kommende Führungsfigur der Branche empfahl. „Es war ein sehr, sehr starker Auftritt von Medwedew. Er hat nicht nur gegen Nadal, sondern praktisch gegen das ganze Stadion gespielt“, sagte Schwedens ehemaliger Weltklasseprofi Mats Wilander.

Nächster Stopp Paris - die zweite Heimat von Nadal

Bei den US Open im vergangenen Herbst hatte Medwedew seine Rolle als Spielverderber sogar mit dem überraschenden Sieg gegen Djokovic veredelt. Auch der „Djoker“ stand damals vor historischen Großtaten, vor dem Gewinn des Kalender-Grand-Slams, vor Major-Titel Nummer 21. Den hat nun Nadal, dem Djokovic in den Sozialen Medien eher distanziert gratulierte („Erstaunliche Leistung“, „Immer beeindruckender Kampfgeist“), während Roger Federer regelrecht schwärmte: „Was für ein Spiel! Auf meinen Freund und großen Rivalen! Man sollte einen großen Champion nie unterschätzen.“

Rafael Nadal gewann als erst vierter Spieler - neben Novak Djokovic, Rod Laver, Roy Emerson - jedes Grand-Slam-Event mindestens zweimal.
Rafael Nadal gewann als erst vierter Spieler - neben Novak Djokovic, Rod Laver, Roy Emerson - jedes Grand-Slam-Event mindestens zweimal. © dpa

Der nächste Stopp ist Paris, im Frühling. Die zweite Heimat von Nadal. Das Rennen geht weiter.