Mönchengladbach. Max Eberl fühlt sich erschöpft und gibt deshalb seinen Job als Sportdirektor auf. Für Borussia Mönchengladbach ist das ein Schock in der Krise.

Als Max Eberl das Wort ergreifen sollte, zögerte er einen Moment. Er atmete tief durch, rang um Fassung, Tränen schossen ihm in die Augen. Dann sagte er: „Es ist wahrscheinlich die mit Abstand schwerste Pressekonferenz, die ich halten muss, seit ich Sportdirektor sein durfte.“ Der langjährige Manager von Borussia Mönchengladbach erklärte am Freitag hochemotional seinen Rücktritt aus gesundheitlichen Gründen: „Ich bin erschöpft und müde und habe nicht mehr die Kraft, die Position so auszuführen, wie es der Verein verdient hätte.“ Der Klub verliert eine große Figur, die bei dem Fußball-Bundesligisten eine Ära geprägt hat.

Der Kampf mit den Tränen

Am Donnerstag hatte der 48-Jährige die Vereinsführung über seine Rücktrittsabsicht informiert. „Wir haben das respektiert, nicht akzeptiert. Natürlich waren wir enttäuscht, zumal wir den Vertrag mit Max Eberl Ende 2020 noch verlängert hatten“, sagte Präsident Rolf Königs, der gemeinsam mit Max Eberl, Geschäftsführer Stephan Schippers und Vizepräsident Rainer Bonhof auf dem Podium saß. Es sei „kein schöner Tag, ein blöder Tag, ein Mist-Tag“, betonte Königs – und räumte ein: „Wir haben nicht erkannt, dass das für ihn eine so starke Belastung ist.“

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Während der Präsident sprach, senkte Eberl immer wieder den Kopf, er kämpfte mit den Tränen, vergrub das Gesicht in seinen Händen. Er selbst dementierte Spekulationen, sein Rücktritt hänge mit der massiven sportlichen Krise des Klubs zusammen: „Nach 23 Jahren beende ich etwas, das mein Leben war. Die Arbeit hat mir in dieser Zeit immer Freude und Spaß gemacht. Doch viele Dinge, die um diese Arbeit herum passieren, machen mir keine Freude mehr.“

Eberl wirkt schon länger angeschlagen

Eberls Stimmungslage schien bereits am 18. Januar, dem Tag vor dem Pokal-Aus beim Zweitligisten Hannover 96, stark verändert zu sein. Der Mann, der sich sonst meist eloquent, ausführlich, freundlich geäußert hatte, wirkte plötzlich schwer angeschlagen. Er war kurz angebunden, auch unkonzentriert. Nach dem Spiel in Hannover war Eberl krankgeschrieben. Nun sagte er: „Ich kann für diesen großartigen Klub nicht mehr arbeiten. Ich will einfach raus aus der Mühle.“

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Eberl war 1999 als Spieler von Bayern München nach Gladbach gekommen. 2008 wurde er Sportdirektor, 2010 stieg er in die Geschäftsführung an die Seite von Schippers auf. 2011 rettete sich die Borussia erst in der Relegation vor dem Abstieg, unter Eberls Regie qualifizierte sich der Klub aber seitdem dreimal für die Champions League. Eberl war der Architekt des Gladbacher Erfolges.

Doch er musste auch meist die ganze Last schultern, vor allem dann, wenn es darum ging, den Verein zu repräsentieren und mitunter auch kon­trovers diskutierte Entscheidungen zu erklären.

Eberl kritisiert die Social-Media-Blase

Bemerkenswerte Kritik übte Eberl am Freitag an der Online-Öffentlichkeit. „Man wird bei Social Media schon beleidigt, alles wird kommentiert, da hat der Betroffene noch nicht ein Wort gesagt“, klagte Eberl. Er wünscht dem Fußball einen Ausstieg aus der Hysterie, die auch ihn „krank gemacht“ habe. Wie Königs erklärte, hatte Eberl die Klubspitze erstmals im vergangenen Oktober wegen eines möglichen Rückzugs angesprochen.

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Anfang 2021 hatte er sich bereits eine Auszeit in der Schweiz genommen, die er aber abbrechen musste. Im Februar verkündete der Klub dann den Abschied von Trainer Marco Rose, der für 5 Millionen Euro Ablöse im Sommer zu Borussia Dortmund wechselte. Im April präsentierte Eberl den Nachfolger Adi Hütter, der für 7,5 Millionen Euro von Eintracht Frankfurt kam.

Das Saisonziel, die Rückkehr ins internationale Geschäft, scheint bei neun Punkten Rückstand auf einen Europapokal-Platz kaum noch erreichbar. Gladbach schwebt stattdessen mit nur drei Punkten Vorsprung auf den Relegationsrang in Abstiegsgefahr. Eberls Rücktritt kommt angesichts des sportlichen Absturzes zu einem denkbar schlechten Zeitpunkt.

Gladbach: Ein Nachfolger wird bereits gesucht

Die Suche nach einem neuen Sportdirektor läuft bereits. „Der Nachfolger von Max Eberl sollte menschlich wie fachlich zu Borussia passen. Ansonsten sind wir in dieser Gelegenheit sehr offen“, sagte Königs. Fest steht: Rouven Schröder, dem Kontakte nach Gladbach nachgesagt wurden, wird es nicht, er bleibt vorerst bei Schalke 04.

Gladbach hat sich zunächst für eine Übergangslösung entschieden. „Wir sind in der glücklichen Situation, dass wir in Steffen Korell einen tollen Scouting-Direktor im Verein haben, der die Kontakte aufrechterhalten wird und sich zunächst den anstehenden Aufgaben annehmen wird“, erklärte Bonhof. Eberl hat ganz andere Pläne: „Ich will die Welt sehen, ich will einfach Max Eberl sein. Zum ersten Mal in meinem Leben denke ich an mich.“