Melbourne. Hamburger Tennis-Profi ist der letzte verbliebene Deutsche Einzelspieler bei den Australian Open. Klare Niederlage für Kohlschreiber.

Philipp Kohlschreiber war gerade Anfang Zwanzig, als er im Januar 2005 zum ersten Mal ans andere Ende der Welt reiste – zu den Australian Open. Er kam gleich bei seinem Debüt ins Achtelfinale, er wurde zum Stammgast beim Pokalkampf Down Under, er scharte sogar eine kleine treue Fangemeinde auf dem Fünften Kontinent hinter sich. Drei Mal spielte er in der zweiten Turnierwoche mit, er hatte immer mal wieder große Auftritte, etwa gegen Rafael Nadal, Juan Martin del Potro oder Andy Roddick. Der erste Grand Slam der Saison sei „eigentlich immer gut“ zu ihm gewesen, „sehr gern“ habe er stets den Trip auf den Fünften Kontinent angetreten, sagte Kohlschreiber über den Tennis-Schauplatz Melbourne.

Ein Spiel wie eine Prügelstrafe für Philipp Kohlschreiber

Ratlos. Tennis-Profi Philipp Kohlschreiber bei seiner frustrierend deutlichen Niederlage bei den Australian Open gegen den Spanier Roberto Bautista Agut.
Ratlos. Tennis-Profi Philipp Kohlschreiber bei seiner frustrierend deutlichen Niederlage bei den Australian Open gegen den Spanier Roberto Bautista Agut. © dpa

Als er am Donnerstag seinen Arbeitsplatz im National Tennis Center verließ, war allerdings ein ziemlich unrühmliches Kapitel für den Veteran der Tour hinzugekommen. Der 1:6, 0:6, 3:6-Zweitrundenschocker gegen den Spanier Roberto Bautista Agut glich einer Prügelstrafe für den 38-jährigen Augsburger, eine vergleichbare Niederlage hatte er jedenfalls in 17 Melbourne-Jahren noch selten bezogen. „Ich wüsste gern, was da los war. Aber ich habe keine Erklärung“, sagte Kohlschreiber nach dem demütigenden Grand Slam-Auftritt. Bautista Agut, ein solider, unspektakulärer spanischer Profi, musste überwiegend nur den Ball im Spiel halten, den Job erledigte dann Kohlschreiber, der die Bälle wie mit der Schrotflinte streute. 44 leichte Fehler standen schließlich in seiner Matchbilanz, „schlimmer hätte es gar nicht laufen können“, befand der Deutsche da grimmig, „das war ein heftiger Tag für mich. Das ganze Spiel lief wie verhext.“

Nur wenig Lichtblicke in Melbourne aus deutscher Sicht

Die ganze Erwartungslast der deutschen Tennisfreunde lag damit aufs Neue bei Alexander Zverev, dem einzig verbliebenen Grand Slam-Solisten. Zverev traf am Freitag auf den Moldawier Radu Albut, ein Gegner, der ihn nicht am Einzug ins nächste Major-Achtelfinale hindern sollte. Der 24-jährige Hamburger ist derzeit aber auch der einzige deutsche Herrenspieler, der in der engeren oder auch erweiterten Weltspitze eine tragende Rolle im Wanderzirkus spielt. Neun männliche DTB-Akteure waren zu den Knockout-Partien in Melbourne angetreten, aber die Lichtblicke waren rar gesät – etwa in Gestalt des Karlsruhers Yannick Hanfmann, der selbst bei seinem Zweitrunden-Aus gegen Rafael Nadal überzeugte. Jan-Lennard Struff dagegen, der in den zurückliegenden Spielzeiten immer mal wieder für echte Grand Slam-Coups gesorgt hatte, setzte seine Formkrise auch bei diesen Australian Open fort – gegen den jungen Niederländer Botic van de Zandschulp verlor er das Auftaktmatch völlig chancenlos. Ein absoluter Topspieler neben Zverev ist gegenwärtig nicht in Sicht, große und hochgehandelte Talente wie Rudi Molleker und Nicola Kuhn sind vorerst in der Versenkung verschwunden – neueste Problemfälle beim komplizierten Transfer vom Junioren- zum Erwachsenentennis.

Buh-Rufe gegen Daniil Medwedew

Lange nach Kohlschreibers kläglichem Turnierende trotzte Mitfavorit Daniil Medwedew (Russland) der frühen Australian Open-Herausforderung gegen Showmann Nick Kyrgios und dessen heimische Tennis-Afficionados. Medwedew, nach dem schlagzeilenträchtigen Abgang von Frontmann Novak Djokovic nun der höchstplatzierte Profi im Tableau, hielt in der aufgeheizten Atmosphäre in der Rod Laver-Arena eiskalt seine Nerven zusammen und rückte mit dem letztlich ungefährdeten 7:6 (7:1), 6:4, 4:6, 6:2-Sieg in die dritte Runde vor. Auch einige Provokationen der Fans steckte der Weltranglisten-Zweite ungerührt weg: „Ich habe meinen Schläger sprechen lassen.“ Zuschauer, die ihn zwischen den Aufschlägen ausgepfiffen und ausgebuht hatten, nannte Medwedew allerdings später giftig „Leute mit wahrscheinlich geringem IQ.“

Altmeister Andy Murray (4:6, 4:6, 4:6 gegen den japanischen Qualifikanten Taro Daniel) schied am vierten Wettkampftag genau so aus wie seine Landsfrau Emma Raducanu, die Überraschungsgewinnerin der US Open. Raducanu scheiterte mit 4:6, 6:3 und 4:6 an der Montenegrinerin Danka Kovinic. Auch Garbine Muguruza, die amtierende WTA-Weltmeisterin aus Spanien, musste ihre Titelträume in Melbourne nach einem 3:6, 3:6-Debakel gegen die Französin Alize Cornet begraben.