Bratislava. Zwei weitere Corona-Fälle dezimieren das deutsche Handball-Nationalteam. Sportmediziner Bloch sieht keine Chance, das Virus zu stoppen.
Die Zahl der Coronafälle in der deutschen Handball-Nationalmannschaft hat sich am Mittwoch auf neun erhöht. Weniger als drei Stunden vor dem abschließenden Gruppenspiel gegen Polen (18.00 Uhr/ZDF) teilte der Deutsche Handballbund (DHB) mit, dass auch Torhüter Till Klimpke und Marcel Schiller positive Ergebnisse bei PCR-Tests aufwiesen. Das DHB-Team wird somit mit 14 Spielern gegen Polen antreten.
Warum die deutsche Mannschaft derart stark betroffen ist, ist dem DHB ein Rätsel. Die Handball-Bundesliga (HBL) blickt mit großer Sorge auf den Corona-Ausbruch. Geschäftsführer Frank Bohmann: „Das sind natürlich schlechte Nachrichten. Wir werden nicht mit dem nackten Finger auf jemanden zeigen.“ Schuldzuweisungen seien in dieser Situation „vollkommen unangebracht“, so Bohmann. Dennoch müsse man „jetzt eine klare Risikobewertung auch aufgrund der hohen Infektiösität vornehmen. Alle Varianten müssen auf den Tisch und mit allen Beteiligten ergebnisoffen diskutiert werden.“ Also auch die Abreise?
Mediziner Bloch: Weitere Ansteckungen zu befürchten
Wilhelm Bloch, Sportmediziner der Sporthochschule Köln, gab sich schon am Dienstagmittag keinen Illusionen hin, was eine Eindämmung von Corona bei der EM betrifft. „Wenn eine so hoch ansteckende Variante wie Omikron einmal im Turnier drin ist mit so vielen Fällen, dann wird man das Virus nicht mehr herausbekommen“, sagte Bloch. „Man muss leider noch viele Ansteckungen befürchten. Es würde mich jedenfalls sehr wundern, wenn die aktuelle Welle jetzt vorbei ist.“
Selbst einen Rückzug des deutschen Teams hielt Bloch nicht für ausgeschlossen - als es noch sieben Fälle waren. In den nächsten ein bis zwei Tagen werde man sehen, sagte er, „wie es sich weiterentwickelt. Wenn jedoch nun immer neue Infektionen dazukommen, macht es aus meiner Sicht keinen Sinn mehr“. Wenn zudem auch andere Teams „ähnliche Infektionsketten wie die deutsche Mannschaft bekommen, wäre es ratsam, die EM abzubrechen“.
Bitter, Wiede und Drux reisen an
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Von einer Corona-Infektion betroffen sind mittlerweile neben Klimpke und Schiller auch Torhüter Andreas Wolff, Rückraumspieler Kai Häfner, Rechtsaußen Timo Kastening, Linksaußen Lukas Mertens und Spielmacher Luca Witzke. Zuvor waren Rückraumspieler Julius Kühn sowie der nachnominierte Hendrik Wagner positiv getestet worden.
Als Ersatz hatte Gislason Torwart Johannes Bitter vom HSV Hamburg sowie die Feldspieler Fabian Wiede, Paul Drux (beide Füchse Berlin), Rune Dahmke (THW Kiel) und Sebastian Firnhaber (HC Erlangen) nachnominiert. Das Quintett kann gegen Polen aber nur zum Einsatz kommen, wenn es vorher einen negativen PCR-Test vorlegt. Bitter ist nach dem Ausfall Klimpkes der einzige Torhüter, der einsatzfähig ist.
Herber Rückschlag für Bundestrainer Alfred Gislason
Für Gislasons Team kommt das Beben vom Montagabend zur Unzeit. In der Partie gegen Polen kämpft das DHB-Team schließlich um mehr als nur den Gruppensieg. Da die Punkte aus dem Polen-Spiel definitiv mit in die nächste Turnierphase genommen werden, geht es schon um die deutschen Halbfinalchancen. Nach den klaren Erfolgen gegen Belarus (33:29) und Österreich (34:29) rückt nun jedoch Corona mehr denn je in den Mittelpunkt.
Kapitän Johannes Golla: Die Sicherheit ist weg
Bereits Kühns Fall hatte die Sinne im deutschen Team geschärft. „Der positive Befund hat viel durcheinander geworfen“, sagte Kapitän Johannes Golla nach dem Österreich-Spiel und nannte die Infektion des Rückraumspielers eine „Schocknachricht“ für die Mannschaft. Man habe sich „vorher sicher gefühlt, weil wir uns streng an alle Vorgaben gehalten haben“.
Dieses Gefühl der Sicherheit ist nun futsch. „Am Abend nimmt man das Thema auch mit ins Bett“, hatte der nun infizierte Witzke noch gesagt: „Es kann jeden erwischen, das weiß jeder von uns.“ Auch Christoph Steinert hatte Vorahnungen. „Die Situation geht einem nicht so einfach aus dem Kopf. Man spürt, dass die Einschläge näher kommen“, so der Linkshänder.
Julius Kühn könnte nach negativen PCR-Tests in der Hauptrunde spielen
Ein positives Testergebnis muss nicht gleichbedeutend mit dem EM-Aus sein. Kühn könnte nach überstandener Quarantäne mit zwei negativen PCR-Tests also theoretisch schon im Laufe der am Donnerstag startenden Hauptrunde wieder mit von der Partie sein. (fs/dpa/sid)