Essen. Am Donnerstag beginnt das Handball-Turnier in Ungarn und der Slowakei. Wer sind die Favoriten trotz aller Corona-Sorgen? Ein Überblick.

Kurz vor dem Turnierstart hatte Martin Hausleitner nur einen Wunsch: Dass die an diesem Donnerstag beginnende Handball-Europameisterschaft sportlich in Erinnerung bleiben wird – und nicht als Corona-EM. Zu gut dürfte auch der Generalsekretär der ausrichtenden Europäischen Handball-Föderation noch die letztjährige WM in Ägypten in Erinnerung haben, die als erstes und im Vorfeld sehr umstrittenes Handball-Großturnier während der Pandemie wohl ewig mit dem Virus in Verbindung gebracht werden wird.

Der Aufschrei ist nicht mehr ganz so groß, wenn am Donnerstag die EM in Ungarn und der Slowakei beginnt. Corona gehört zum Alltag, die Profis sind an regelmäßige Tests, strenge Hygieneregeln und spärlich gefüllte Hallen gewöhnt. Dennoch konnte auch der Österreicher Hausleitner nicht verhindern, dass vor dem EM-Start weiter über das Virus diskutiert wurde und noch immer wird. Denn die EM 2022 wird ein Turnier mit vielen Fragezeichen.

Topstars sehen bei Handball-EM zunächst nur zu

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Da wäre zunächst die Favoritenfrage zu klären, die aber wohl auch nur mit Blick auf das Virus und die brachiale Omikron-Variante beantwortet werden kann: Wessen Leistungsträger sind eigentlich gesund? Spielen darf bei der EM nur, wer vollständig geimpft ist. Dennoch mussten etliche Profis schon während der Vorbereitung pausieren, knapp die Hälfte aller 24 Mannschaften hatte in den jüngsten Tagen Corona-Fälle zu beklagen. So werden Stars wie die Kroaten Domagoj Duvnjak (THW Kiel) und Luka Cindric (FC Barcelona) coronabedingt fehlen, wenn es am Donnerstag zum Turnierauftakt zum Topspiel gegen Olympiasieger Frankreich kommt (20.30 Uhr/Eurosport). Dänemark, ein weiterer Titelfavorit, muss zu Beginn auf Bundesliga-Keeper Jannick Green (SC Magdeburg) verzichten, bei Gegner Montenegro befanden sich zuletzt noch vier Spieler in Isolation. „Wer die wenigsten Corona-Fälle hat, wird Europameister“, prognostizierte jüngst Ex-DHB-Vizepräsident Bob Hanning.

Die Europäische Handball-Föderation reagierte, indem sie den Zeitraum der verpflichtenden Quarantäne positiv getesteter Spieler von 14 auf 5 Tage verkürzte. So bedeutet eine Corona-Infektion je nach Schwere des Verlaufs also nicht mehr zwangsläufig das komplette EM-Aus. Nach zwei negativen PCR-Tests ist die Rückkehr aufs Spielfeld erlaubt. Dennoch hoffen auch die deutschen Handballer, die am Mittwoch ihr Hotel im Zentrum des slowakischen Bratislava bezogen und am Freitag das erste Spiel gegen Belarus bestreiten werden (18 Uhr/ARD), dass sie von Corona verschont bleiben. Im Teamhotel sind sie so gut es geht abgeschottet von der Außenwelt, geschlafen wird in Einzelzimmern, es gibt einen eigenen Speisebereich und feste Ansprechpartner beim Hotelpersonal. Auch am Flughafen kam das Team am Mittwoch im abgeschotteten Charter-Bereich kaum in Kontakt mit anderen Personen. „Es ist ja wirklich so, dass es jeden treffen kann. Von einem auf den anderen Tag kann das Turnier für jeden von uns vorbei sein“, sagt Rückraumspieler Julius Kühn.

Die deutsche Wundertüte

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Nach der WM der leeren Ränge in Ägypten sind nun allerdings wieder Zuschauer zugelassen. Was auch Fragen aufwirft. In der Slowakei dürfen 25 Prozent der Hallenkapazitäten ausgelastet werden, das entspricht in Bratislava 2500 Zuschauern, bei Co-Ausrichter Ungarn sind dagegen volle Tribünen erlaubt. Wie geht man als Teilnehmer damit um? „Ich bin aktuell froh, dass wir die Vorrunde nicht in Ungarn spielen“, sagt Axel Kromer, Sportvorstand des Deutschen Handballbunds. „Zuschauer und Stimmung in der Halle werden uns sicher helfen, zumal wir auch deutsche Fans in Bratislava erwarten. Aber zu Beginn muss es keine Vollauslastung der Halle sein.“

Nach Budapest würde es Deutschlands Handballer ohnehin erst im Halbfinale verschlagen, denn auch die Hauptrunde würde das Team von Bundestrainer Alfred Gislason bei Erreichen weiterhin in Bratislava spielen. In den sechs Vorrundengruppen mit jeweils vier Teams qualifizieren sich die ersten zwei Mannschaften fürs Weiterkommen, die zwei jeweils Höchstplatzierten der beiden Hauptrundengruppen stehen dann im Halbfinale.

Mit Titelverteidiger Spanien ist bei Handball-EM zu rechnen

Während das deutsche Team mit derzeit acht Turnierdebütanten einer Wundertüte gleicht, sind die Favoriten aber die üblichen, auch jenseits der Corona-Sorgen. Weltmeister Dänemark um Starspieler Mikkel Hansen gehört dazu, die Franzosen um Nikola Karabatic, auch wenn sie verletzungsbedingt unter anderem auf Bruder Luka Karabatic verzichten müssen, und Vize-Europameister Kroatien um Domagoj Duvnjak. Doch Titelverteidiger Spanien hat den großen Umbruch erneut verschoben, mit den erfahrenen Haudegen von Trainerfuchs Jordi Ribera ist also auch nach zwei EM-Titeln in Folge ein weiteres Mal zu rechnen.