Essen/Frankfurt. Christian Seifert hat die DFL zu einem schlagkräftigen Unternehmen geformt. Zum Abschied gibt es viel Lob – aber er hinterlässt auch Probleme.
Christian Seifert muss grinsen, als er sich daran erinnert, wie vor 17 Jahren alles begann. Wie er bei einer Sitzung der Deutschen Fußball-Liga am Frankfurter Flughafen als neues Mitglied der Geschäftsführung vorgestellt wurde und der Mainzer Manager Christian Heidel ihn in der Kaffeepause fragte: „Sie waren vorher bei Karstadt-Quelle? In der Hosen-Abteilung, oder was?“
Vom Anfang erzählt der heute 52-jährige Seifert gerne, nun, da seine Zeit im deutschen Fußball zu Ende geht: Seinen Vertrag hat er aus freien Stücken nicht mehr verlängert, am Mittwoch war sein letzter Arbeitstag. Der Anfang, das waren 24 DFL-Mitarbeiter in einem Anbau beim Deutschen Fußball-Bund (DFB), wo der damalige Generalsekretär Horst R. Schmidt peinlichst genau darauf achtete, dass das Logo des Ligaverbandes nicht größer würde als das des DFB-Reisebüros.
Natürlich erzählt Seifert diese Geschichten nicht nur zu Unterhaltungszwecken – sie illustrieren praktischerweise die rasante Entwicklung des Verbands der 36 deutschen Profiklubs unter seiner Führung: zum Multimilliarden-Unternehmen mit sieben Tochtergesellschaften, das längst in einem schicken Glasbau im Frankfurter Bankenviertel residiert, Standorte in Singapur und New York hat und viel Geld einbringt: In Seiferts Amtszeit stiegen die Erlöse aus Vermarktung und Fernsehen um mehr als 250 Prozent, der aktuelle TV-Vertrag bringt 1,1 Milliarden Euro pro Saison. „Er hat die Liga geprägt, ihr ein Gesicht verliehen und außerordentlich erfolgreich gearbeitet“, lobt Borussia Dortmunds Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke.
Seifert wurde immer mächtiger
Und Seifert ist immer mächtiger geworden: Gab es anfangs noch mehrere Geschäftsführer und einen Ligapräsidenten, war da zuletzt niemand mehr, der ihm ins Steuer hätte greifen können. Das rief auch Kritiker auf den Plan, aber selbst die erkennen die positive Entwicklung an. „Dass die DFL heute sehr innovativ und eine der anerkanntesten Liga-Organisationen der Welt ist, erfüllt mich mit Stolz“, sagt Seifert selbst. „Wir sind eines der innovativsten und internationalsten Medienunternehmen Deutschlands.“
Medienunternehmen – da zucken viele Fußballtraditionalisten zusammen, für die Seifert ohnehin Sinnbild des ausufernden Kommerzes und damit ein rotes Tuch ist. Aber der Ligamanager zielt nicht auf den Applaus der Kurve. Er arbeitet sich immer wieder am seiner Meinung nach zu großen Einfluss der Ultras ab. Und er fordert, dass die DFL „den Mut hat, dazu zu stehen, dass sie Teil der Unterhaltungsindustrie ist“.
Die betont unromantische Sicht auf den Fußball als Wirtschaftszweig ist nicht populär, war aber sehr hilfreich in jener Zeit, die Seifert „die größte physische und psychische Herausforderung meines Berufslebens“ nennt: Als wegen der Corona-Pandemie im Frühjahr 2020 der Spielbetrieb unterbrochen wurde, ging es für so manchen Klub und damit für die gesamte Liga um nicht weniger als die Existenz. Und der Krisenmanager Seifert wurde auch außerhalb der Fußballblase zur öffentlichen Figur. Zuvor war er alle vier Jahre in die Schlagzeilen gekommen, wenn es wieder neue Rekord-Erlöse bei den Medienrechten gab. Seifert, der Milliardenmann, hieß es dann, was dem nicht besonders gut gefiel: „Ich habe auch in der Zeit dazwischen gearbeitet.“
In der Krise war er omnipräsent, er warb in Pressekonferenzen, Interviews und vielen Gesprächen mit Politikern für die Fortsetzung des Spielbetriebs. Und natürlich schmeichelte es seinem Ego, als die Bundesliga dank eines ausgefeilten Hygienekonzepts und viel Lobbyarbeit als erste Sport-Organisation der Welt wieder loslegte und alle Welt wissen wollte, wie diese Deutschen das angestellt hatten.
Das robuste Selbstbewusstsein blitzt nun häufiger durch, wenn der Fußball-Chef etwa die Politik für ihr Corona-Management abwatscht – als sei es nicht komplizierter, ein Land mit 82 Millionen Einwohnern und sehr unterschiedlichen Interessen durch eine Pandemie zu lenken als 36 Klubs, die alle das Gleiche wollten: so schnell wie möglich wieder spielen. Doch auch die Interessen der Klubs driften immer weiter auseinander, der Streit um die Verteilung der TV-Milliarden wird rauer – und ob die Einnahmen nach der Corona-Krise wieder sprudeln wie zuvor, ist längst nicht sicher. Die Goldgräberzeiten scheinen vorbei.
Deutliche Worte an den DFB
Es ist ein günstiger Zeitpunkt zum Abschied, den Seifert für deutliche Worte in Richtung DFB nutzt: „Ich habe den Eindruck, das Verhältnis ist auf dem absoluten Tiefpunkt“, sagt er. „Aber auch darin liegt eine Chance: Von jetzt an kann es nur noch aufwärts gehen.“ Auch darum wird sich seine Nachfolgerin Donata Hopfen kümmern müssen.
Seifert wird erst einmal eine Auszeit nehmen und irgendwann im kommenden Jahr eine neue Aufgabe antreten. Wohin es geht, mag er noch nicht verraten, eines aber ist sicher: In der Hosenabteilung von Karstadt wird er nicht landen.