Wolfsburg. Das DFB-Team kann gegen Liechtenstein überzeugen. Thomas Müller tritt auf Euphoriebremse: “Muss ein bisschen relativieren.“

Dass es nicht nur Gewinner gibt, wenn eine Mannschaft die Fesseln der Vergangenheit entknotet, wird anhand von Mats Hummels deutlich. Denn noch kämpft der 32-Jährige darum, ein Teil der Gegenwart zu sein. Am Donnerstag weilte er jedoch nur in Wolfsburg, weil der Weltmeister von 2014 zu den Größen der Vergangenheit zählt und Joachim Löw verabschiedete. Und so musste Hummels einen Tag später erleben, wie nicht über seine Leistung diskutiert werden konnte, sondern nur über die etwas gewagte Garderobe. „Auch Jogi hat der Mantel gefallen“, schrieb er daher, als er ein Bild von sich und dem ehemaligen Bundestrainer veröffentlichte.

Ansonsten konnte man an diesem Abend aber den Eindruck gewinnen, dass ein Neuanfang etwas Befreiendes haben kann. Der Deutsche Fußball-Bund hat die 15-jährige Ära von Löw (61) nun endgültig hinter sich gelassen. Auch wenn die Zeremonie etwas dröge geriet, scheint dieses Loslassen auf beiden Seiten neue Kräfte freigesetzt zu haben. Löw kündigte vor dem Anpfiff im TV an, demnächst vielleicht wieder woanders an der Seitenlinie zu stehen. Anschließend demonstrierte die deutsche Mannschaft, dass sie es unter Nachfolger Hansi Flick wieder versteht, die Fans mitzureißen.

DFB-Team: Flick stellt neuen Startrekord auf

Ein 9:0 gegen ein überfordertes und lange in Unterzahl spielendes Liechtenstein sollte zwar nicht überbewertet werden. Immerhin aber verwaltete Flicks Elf dieses eigentlich unerhebliche WM-Qualifikationsspiel nicht einfach, sondern drängte beständig nach vorne, kombinierte sich zum eindeutigsten Erfolg seit dem 13:0 gegen San Marino am 6. Dezember 2006. Für den neuen Bundestrainer war dies der sechste Sieg im sechsten Spiel, damit übertraf der 56-Jährige den Startrekord von Joachim Löw (fünf Siege). Am Sonntag in Armenien (18 Uhr/RTL) soll der siebte Erfolg folgen. Für die Winter-WM in Katar im kommenden Jahr hat sich Deutschland bereits qualifiziert.

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Einige Nationalspieler erhalten deswegen eine Pause. Marco Reus und Torhüter Manuel Neuer reisen nicht mit in die Kaukasusregion. Leon Goretzka hat sich durch den üblen Tritt des Liechtensteiners Jens Hofer eine Prellung im Kopf-Hals-Bereich zugezogen. Antonio Rüdiger kassierte die zweite Gelbe Karte und ist gesperrt. In Armenien solle das Jahr vernünftig abgeschlossen werden, meinte Hansi Flick. Schon der Auftritt gegen Liechtenstein habe ihm sehr zugesagt. Die Stimmung sei fantastisch gewesen. „Das Zusammenspiel zwischen Mannschaft und Fans war toll“, sagte der Bundestrainer. „Es ist enorm wichtig, dass jeder die Art und Weise wie wir spielen wollen mitgeht, und den Eindruck haben wir.“

In Top-Form: Nationalspieler Leroy Sané.
In Top-Form: Nationalspieler Leroy Sané. © getty Images

Daher lassen sich nach diesem Abend einige Erkenntnisse zusammentragen. Erstens verdeutlichte Leroy Sané erneut, dass er der Unterschiedsspieler dieser Mannschaft sein kann. Zwei Tore, viele Dribblings, „die letzten Wochen haben einfach gezeigt, was er für ein toller Spieler ist“, erklärte Flick. „Was mir noch mehr gefällt, ist sein Wille, dem Ball nachzujagen, den Gegner unter Druck zu setzen.“ Zweitens zeigte Thomas Müller, ebenfalls Doppeltorschütze, dass er die Offensive weiterhin auf seine eigene Art und Weise prägen kann, indem er zwischen den gegnerischen Verteidigern umher huscht. Drittens kommen Profis wie Ridle Baku (23) nach, die sicherlich noch Zeit benötigen, um auf dem höchsten Niveau zu bestehen, trotzdem schon jetzt den Konkurrenzkampf beleben. Bei seinem ersten Länderspieltor streichelte der 23-Jährige den Ball in den linken Winkel.

Beim DFB könnte in der Zukunft etwas entstehen

„Man muss es ein bisschen relativieren, da wir keine extrem schwierigen Gegner in unserer Gruppe haben“, sagte Thomas Müller. „Wie nah wir an der Weltspitze sind, kann man jetzt nicht sagen, die Gegner waren nicht auf dem Niveau, auf dem wir gefordert sein werden“, meinte Marco Reus. Tatsächlich muss sich erst zeigen, ob der mutige Angriffsfußball unter Flick gegen Top-Mannschaft funktioniert. Zudem wird den DFB Corona wohl noch länger begleiten. Der ungeimpfte Joshua Kimmich, eigentlich Führungsspieler, harrt derzeit etwa in Quarantäne aus. Wie sich die pandemische Lage im kommenden Jahr entwickelt, bleibt abzuwarten.

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Trotzdem deutete die gegenwärtige Elf an, dass in Zukunft etwas entstehen könnte, während die Vergangenheit auf der Tribüne saß. „Wir wollen uns jedes Spiel weiterentwickeln“, sagte Hansi Flick. „Wir haben gesehen, dass der Wille da ist, die Bereitschaft da ist, die Dinge umzusetzen.“ Mats Hummels wird dabei nicht entgangenen sein, dass er sich strecken muss, um nach einem Länderspiel wieder Fotos veröffentlichen zu können, auf denen er das deutsche Trikot und keinen Mantel trägt.