Hamburg. Auf der Spielmacherposition hat Flick die Qual der Wahl. Thomas Müller oder Marco Reus und Kai Havertz sind die Kandidaten.

Es ging schon langsam in Richtung Mitternacht, da tauchte auf einmal Marco Reus auf. Das war ein wenig überraschend, die Journalisten hatten eigentlich auf Bundestrainer Hansi Flick erwartet. Aber nun stellten sie eben Reus ihre Fragen zum WM-Qualifikationsspiel gegen Rumänien, dass die deutsche Nationalmannschaft mit viel Mühe, aber letztlich doch sehr verdient mit 2:1 (0:1) gewonnen hatte. Das „erwartet schwere Spiel“, hatte Reus erlebt, mit vielen Unkonzentriertheiten und Ungenauigkeiten auf deutscher Seite. Aber: Mit unserer Moral und unserem Willen war ich sehr einverstanden, auch mit dem Zug zum Tor“, sagte der Kapitän von Borussia Dortmund.

Reus hatte in diesem Moment schon seinen zweiten überraschenden Auftritt im Hamburger Volksparkstadion, auch in der Startelf hatten ihn viele nicht erwartet. Denn jetzt war doch Thomas Müller dabei, der bei den ersten drei Spielen unter Flick gefehlt hatte. Und dann würde dieser Müller auch spielen, weil er unter Flick eigentlich immer spielte, als beide noch beim FC Bayern zusammenarbeiteten – so lautete die allgemeine Erwartungshaltung. Aber Flick entschied anders. Er wollte möglichst wenig ändern nach den drei erfolgreichen Spielen im September, und vielleicht wollte er Reus auch die Gelegenheit geben, sich mit all den Bayern-Profis einzuspielen, die rund um die Spielmacherposition aufgestellt sind. Müller hat das nicht mehr nötig. Und so musste er mit dem ungeliebten und ungewohnten Platz auf der Bank vorliebnehmen und Reus spielte. Aber am Ende redeten doch alle wieder über Müller.

Reus: "Es ist noch einiges zu tun"

Der nämlich war dann doch noch zum Einsatz gekommen, nachdem eine gute Stunde gespielt war. Und dann machte er in der 81. Minute eines dieser Tore, die so typisch sind für sein Spiel: Scheinbar unbeteiligt schlich er vor einem Eckball durch den Strafraum, und als sein Bewacher einmal kurz nicht aufpasste, setzte er sich mit zwei, drei, vier schnellen Schritten ab und lief zum langen Pfosten. Genau dorthin, wo der Ball nach der entscheidenden Kopfballverlängerung durch Leon Goretzka landete.

Marco Reus während des Länderspiels gegen Rumänien.
Marco Reus während des Länderspiels gegen Rumänien. © firo

Ein Tor, das so nicht gefallen wäre, wäre es nach dem Trainer gegangen, denn Müller hatte für den Eckball andere Anweisungen: „Da hat er eigentlich nichts zu suchen“, sagte Flick, aber er lächelte dabei. Flick weiß ja, dass das unorthodoxe, unerwartbare Spiel Müllers diesen erst so gefährlich für den Gegner macht. „Ich habe manchmal das Problem, was aber auch ganz gut ist, dass ich ein bisschen freier unterwegs bin“, sagte er selbst.

Diesmal brachte das den späten 2:1-Siegtreffer, mit dem das Spiel gedreht war, nachdem Ianis Hagi nach feinem Dribbling die überraschende Führung für die Gäste erzielt (9.) und Serge Gnabry ausgeglichen hatte (52.). „Es ist trotzdem noch einiges zu tun“, resümierte Reus und das war eine treffende Zusammenfassung.

DFB mit Überangebot im offensiven Mittelfeld

In Sachen Wille, Kampf, Einsatz hatte die Mannschaft bedingungslos überzeugt, das honorierten auch die 25.000 Zuschauer. In Sachen Durchschlagskraft und Abstimmung gab es Luft nach oben, weil der letzte Pass misslang, weil Bälle in aussichtsreichen Situationen versprangen und weil vor allem der unglückliche Mittelstürmer Timo Werner oft rätselhafte Laufwege wählte.

Jubelt über seinen Siegtreffer gegen Rumänien: Thomas Müller.
Jubelt über seinen Siegtreffer gegen Rumänien: Thomas Müller. © firo

„Die Mannschaft hat enorme Qualität, aber es geht darum, dass wir im Strafraum eine gute Positionierung finden“, meinte Bundestrainer Flick. „Das werden wir ansprechen und in der Videositzung thematisieren.“ Viel Zeit für grundliegende Änderungen ist nicht, am Samstag stand Regenration auf dem Plan, am Sonntag das Abschlusstraining im Millerntor und der Flug nach Skopje, wo es am Montag (20.45 Uhr/RTL) gegen Nordmazedonien geht.

Dann soll es flüssiger laufen im Offensivspiel und dann steht Flick wieder vor der Frage: Reus oder Müller? Oder doch Kai Havertz? Theoretisch wäre da auch Ilkay Gündogan, wenn der praktisch nicht verletzt wäre.

Nordmazedonien hatte den DFB im März geärgert

Kaum eine Position im deutschen Kader ist so umkämpft wie die Spielmacherposition, auch die Youngster Florian Wirtz und Jamal Musiala drängen in die Mannschaft. Flick hat die Qual der Wahl, aber die hat er gerne: „Wir haben nicht nur die Zehnerposition gut besetzt“, sagte er. „Wir haben viele Positionen gut besetzt und können nachlegen. Die Qualität im Team ist sehr groß.“

Groß genug, um auch in Nordmazedonien zu bestehen, wo mit einem Sieg die WM-Qualifikation so gut wie gesichert wäre. Noch im März hatte sich die deutsche Mannschaft beim 1:2 gegen den Fußballzwerg gewaltig blamiert. Dieses Spiel, so kündigte Flick an, wird bei der Vorbereitung auch noch einmal aufgearbeitet werden. Bei der Entscheidung Reus oder Müller aber wird der Blick in die Vergangenheit nicht helfen, beide haben ein Alibi: Reus fehlte verletzt, Müller war von Flick-Vorgänger Löw noch aussortiert. Und nun wollen beide für Wiedergutmachung sorgen.