Hamburg. Auch in Hamburg wird die Nationalmannschaft mit dem Vorwurf fehlender Fannähe konfrontiert. Das Thema ist in Corona-Zeiten besonders kompliziert.
Am Ende gelingt es doch, einen Blick hinter die Kulissen zu werfen. Der Deutsche Fußballbund hat zwar wie gewohnt Sichtschutzplanen um Trainingsplatz sechs des Hamburger SV gezogen, möglichst wenig soll nach außen dringen vor den WM-Qualifikationsspielen gegen Rumänien am Freitag und in Nordmazedonien am Montag (beide 20.45 Uhr/RTL). Aber einige findige Jungen sind auf ein paar Altglascontainer gekraxelt und können zumindest in Teilen sehen, was sich hinter der Plane abspielt.
Es sind Bilder, die dem DFB wenig gefallen dürften. Denn sie zahlen ein auf das Image der unnahbaren Nationalmannschaft, die sich von ihren Fans abschottet. Schon am Montag, bei der Anreise, hatte es Unmut gegeben, weil nur Antonio Rüdiger für einige Selfies beim wartenden Anhang stehenblieb.
Thomas Müller: Es ist chwer, eine klare Linie zu finden
Das Thema ist nicht neu, Vorwürfe dieser Art begleiten den Verband schon seit Jahren: wenig nahbare Stars, immer ausuferndere Marketingmaßnahmen, familienunfreundliche Anstoßzeiten – es ist einiges zusammengekommen, und die schwachen sportlichen Auftritte in den letzten Jahren der Ära Löw haben nicht geholfen.
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Aktuell aber ist es besonders kompliziert. Denn einerseits hat man im Verband erkannt, dass man nahbarer sein muss: „Wir haben den Spielern klar gesagt: Nationalspieler bist du immer“, sagt DFB-Direktor Oliver Bierhoff. „Dazu gehört nicht nur Leistung auf Platz, sondern auch das Auftreten in der Öffentlichkeit, der Umgang mit Fans und anderen Beteiligten.“ Andererseits aber ist da eben die Corona-Pandemie. Anfangs war die Sache klar, die Spieler mussten sich in einer Blase abschotten, Kontakt nach außen war strengstens verboten.
Inzwischen aber entspannt sich die Lage, die Hygieneprotokolle werden lockerer – und die Spieler sind verunsichert, was sie nun dürfen und was nicht. „Es ist schwer für alle Beteiligten, eine klare Linie zu finden“, sagt Thomas Müller. „Ich halte mich noch sehr zurück was direkten Kontakt anbelangt. Ich versuche zwar, Fotos mit zwei Meter Abstand zu machen, gebe aber ungern Autogramme.“
Zuschauerinteresse wertet DFB als positives Zeichen
Nähe lasse man ja auch über die Sozialen Medien zu, sagt Müller, und beim DFB verweist man unter anderem auf digitale Gesprächsrunden mit Fans. Außerdem ist in den Tagen von Hamburg das Bemühen zu erkennen, den direkten Kontakt zu erhöhen, nach dem Mittwochstraining schrieben Bundestrainer Hansi Flick und einige Spieler fleißig Autogramme. „Wir haben grundsätzlich die klare Haltung und Devise, dass wir das machen“, sagt Bierhoff.
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Das einfachste und schnellste Mittel, um die Fans zufrieden zu stellen, sei ohnehin begeisternder Fußball und sportlicher Erfolg, sagen sie beim DFB. Für diese These spricht, dass nach dem starken Start unter Flick für das Spiel am Freitag bis auf Restbestände alle 25.000 Tickets verkauft sind. Für eine Nationalmannschaft keine gigantisch große Zahl, einerseits. Nach Jahren des Zuschauerschwunds aber wertet man es im Verband als positives Zeichen, dass die Kluft zwischen Mannschaft und Anhang sehr schnell sehr viel kleiner werden kann.