München. Die Pfiffe gegen Sané beim 3:2 gegen Köln zeigen, wie sehr Julian Nagelsmann beim FC Bayern als Trainer, Psychologe und Moderator gefordert ist.
Julian Nagelsmann versuchte Leroy Sané einen aufmunternden Klaps zu geben, doch die Hand des Trainers verfehlte den Flügelspieler, weil sich dieser abgewendet hatte. Es war eine unscheinbare Szene nach dem 3:2 (0:0) des FC Bayern gegen den 1. FC Köln am Sonntagabend, und doch stand sie durchaus sinnbildlich für Sanés Zeit in München.
Dass ein Trainer den Hochbegabten nicht richtig erreicht, dieser Eindruck drängt sich ja nicht zum ersten Mal auf. Bei Nagelsmann lässt sich das bisher zwar nur am missglückten Klaps festmachen und nicht inhaltlich, weil der neue Münchner Trainer noch viel zu kurz mit Sané arbeitet. Allerdings war schon Nagelsmanns Vorgänger Hansi Flick nicht ganz durchgedrungen zu dem 25-Jährigen, der sich dem FC Bayern als Königstransfer des Sommers 2020 für knapp 50 Millionen Euro Ablöse von Manchester City angeschlossen hatte, mit einem Jahr Verspätung nach seinem Kreuzbandriss.
Bei Nagelsmanns Münchner Heimdebüt in der Bundesliga wurde Sané nun für Teile des Publikums zum Buhmann. Mit Pfiffen reagierten einige Zuschauer auf Ballverluste von Sané, seine Auswechselung wurde mit höhnischem Applaus belegt. Für ihn kam zu Beginn der zweiten Halbzeit Jamal Musiala, und der 18-Jährige bereitete Robert Lewandowskis 1:0 mit einem Weltklasse-Solo vor (50.). Dieses bezeichnete Kölns Trainer Steffen Baumgart voller Anerkennung als „Sahne“, als wolle er einen Kontrast zu Sané betonen.
Bayerns Ex-Boss Rummenigge erinnert an Arjen Robben
Die Bayern waren vor allem damit beschäftigt, das Thema Sané zu moderieren, und Nagelsmann versuchte es mit Appellen. „Am Ende gehört’s sich, dass die eigenen Fans die Spieler unterstützen“, sagte er. Über Sané sagte Nagelsmann: „Demotiviert jetzt zu spielen, würde ja keinen Sinn machen, dann würden die Pfiffe nicht weniger werden.“ Vielmehr empfahl er Sané, „noch motivierter aufzutreten, weiter zu arbeiten“.
Karl-Heinz Rummenigge äußerte am Montag bei Bild live gar „Mitleid“ mit Sané. „Er bemüht sich, hat aber kein Selbstvertrauen“, sagte der frühere Vorstandschef. Er fühle sich „an den todtraurigen Arjen Robben erinnert“, an dessen Elfmeterfehlschüsse 2012 im Champions-League-Finale und gegen Dortmund, woraufhin die Fans gegen ihn gepfiffen hatten. „Arjen war fast so weit, um seine Freigabe zu bitten“, erzählte Rummenigge, aber Robben sei „extrem ehrgeizig“ gewesen. 2013 schoss er die Bayern zum Titelgewinn in der Champions League gegen den BVB. Und der sensible Sané?
Die Bayern verlängern mit Kimmich
Die Bayern setzten am Montag zudem ein neues Thema, indem sie die Vertragsverlängerung mit Joshua Kimmich bis 2025 verkündeten. Den Leistungsträger langfristig gebunden zu haben, sei „ein ganz, ganz wichtiges Signal“, sagte Vorstandschef Oliver Kahn. Kimmich, 26, sprach von einer „Entscheidung für meine hoffentlich besten Jahre“ aus der Überzeugung heraus, mit dem FC Bayern die Champions League gewinnen zu können. Er hoffe, dass sein Mittelfeldkollege Leon Goretzka, 26, mit seiner Unterschrift nun „nachzieht“.
Zugleich nutzte Kimmich die Gelegenheit, um sich hinter Sané zu stellen. Als „echt frech und auch bitter“ sowie als „nicht in Ordnung“ und „nicht gerechtfertigt“ habe er die Pfiffe gegen seinen Mitspieler empfunden. „Das geht gar nicht. Unsere Fans müssen unsere Spieler unterstützen“, forderte Salihamidzic. „Es geht jetzt für Leroy darum, das wegzustecken“ und seinen Willen zu zeigen, sich zu verbessern, ergänzte Kahn aber auch mahnend.
Pfiffe gegen Sané
Nagelsmann ist derweil nach einer Vorbereitung, in der die vielen Nationalspieler wie Sané größtenteils fehlten, im gesamten Spektrum des Jobprofils eines Fußballlehrers gefordert, in Bezug auf Sané vor allem als Psychologe. Zumal Teile des Publikums ihre Unzufriedenheit über den insgesamt fehlerhaften Vortrag der Münchner an der Reizfigur ausließen.
Nagelsmann kritisierte lieber allgemein „sehr viele Ballverluste im vordersten Drittel“. Zusammen mit dem unzureichenden Nachrücken der Kollegen sei das eine „tödliche Mischung“, sagte er bei DAZN. Hinzu kamen die schlecht verteidigten Kölner Angriffe und Hereingaben von den Flügeln vor den Gegentoren von Anthony Modeste (60.) und Mark Uth (62.) zum 2:2 nach Bayerns 2:0-Führung.
Sonderlob für Musiala und Gnabry
Es fügte sich ins Bild, dass Nagelsmann Sanés Flügelkollegen Musiala und Serge Gnabry explizit lobte. Musiala habe „offensiv ein herausragendes Spiel gemacht“ und „seine Eins-gegen-eins-Qualitäten gezeigt“. Und Gnabry, Torschütze zum 2:0 (59.) und 3:2 (71.), habe „einen unglaublich guten Abschluss. Es ist gut, dass er sich das zutraut und seine gute Schusstechnik auch zeigt“, sagte Nagelsmann.
Er meinte damit das Siegtor, bei dem Gnabry mit dem rechten Vollspann wuchtig vollendet hatte. Die Komplimente für Musiala und Gnabry klangen auch wie eine indirekte Aufforderung an Sané, es den Kollegen gleichzutun.