Tokio. Jonathan Horne kann erster und vorerst letzter deutscher Olympiasieger im Karate werden - und will Menschen für den Sport begeistern.
Wer bislang gedacht hatte, dass der Gewinn der Goldmedaille das höchste Ziel ist, das sich Leistungssportler vor ihrem Olympiastart setzen können, der kennt Jonathan Horne nicht. „Die Kirsche auf der Sahne“ wäre ein Triumph in Tokio für ihn, sagt der 32-Jährige, aber es geht um mehr als nur den Titel. In Japan, dem Mutterland seines Sports, erlebt Karate dank des Zugeständnisses an das Gastgeberland, zwei Sportarten seiner Wahl ins Programm zu hieven, seine Premiere unter den fünf Ringen. In drei Jahren in Paris ist der Kampfsport wieder außen vor. Horne, der in der Kategorie Kumite am Samstag (7. August/Start ca. 9 Uhr deutscher Zeit) in der Klasse über 75 Kilogramm startet, könnte also der einzige deutsche Olympiasieger der Geschichte werden.
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Die Mission des Jonathan Horne – Mutter Deutsche, Vater ein in der Pfalz stationierter US-Soldat – geht allerdings darüber hinaus. „Natürlich wäre Gold das Nonplusultra für mich persönlich“, sagt er, „aber ich möchte mit meinen Auftritten dazu beitragen, dass die Welt sieht, was für ein faszinierender Sport Karate ist, damit die Premiere in Tokio nicht der letzte olympische Auftritt bleiben muss.“ Dass das Aus für 2024 schon beschlossen war, bevor sich Karate auf der weltgrößten Sportbühne präsentieren konnte, ärgert nicht nur den besten deutschen Starter.
2018 wurde Jonathan Horne Karate-Weltmeister
„Niemand hat uns gesagt, warum so entschieden wurde. Aber davon lasse ich mich nicht beeinflussen, ich kann nur mein Bestes geben, um zu zeigen, dass wir mehr verdienen“, sagt er. Zuzutrauen, da sind sich die Experten einig, ist ihm der Sprung aufs Siegerpodest allemal. Im Schwergewicht über 84 kg, das in Tokio im Limit über 75 kg eingefasst ist, gewann der Familienvater 2018 den WM-Titel. Für Japan qualifizierte er sich als einziger der insgesamt vier deutschen Olympiastarter – Jasmin Jüttner (28/Wiesbaden) und Ilja Smorguner (37/München) scheiterten im Formenlauf Kata in der Qualifikation, Noah Bitsch (31/Gotha) in der Kumite-Klasse bis 75 kg in der Gruppenphase – auf direktem Weg, weil er bei der EM in Porec (Kroatien) im Mai den Titel gewann. Der olympische Modus sieht vier Kämpfe in der Gruppenphase vor, anschließend duellieren sich die je zwei Besten der zwei Vorrundenpools im Halbfinale um die Teilnahme am Goldduell (13.05 Uhr).
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Den Weg in seinen Sport fand der 193 Zentimeter große und rund 100 Kilogramm schwere Topathlet tatsächlich über die Filme mit Bruce Lee und Jackie Chan. Als Fünfjähriger stand er erstmals auf der Matte, seitdem hat er sich mit viel Beharrlichkeit Schlag um Tritt in die Weltklasse hochgearbeitet. Jonathan Horne lebt nach den Werten, die er am Karate so schätzt: Respekt, Selbstdisziplin, Höflichkeit, Eigenantrieb, Selbstbehauptung. Nach dem Ende seiner aktiven Karriere möchte er diese Charakterschulung als Trainer an den Nachwuchs weitergeben. Den Olympiasieg braucht er nicht, um seinen Status im Karate, das in Deutschland von rund 160.000 Menschen in knapp 2500 Vereinen betrieben wird, zu zementieren. „Deshalb mache ich mir auch keinen Druck, unbedingt eine Medaille holen zu müssen. Ich will es, aber ich muss es nicht“, sagt er.
Jonathan Horne kämpft bei der WM in Dubai um die World-Games-Qualifikation
Sollte der historische Triumph gelingen, bliebe kaum Zeit zum Verschnaufen. Mitte November steht in Dubai die WM an. Dort geht es neben weiteren Titelehren auch um die Qualifikation für die World Games 2022 in Birmingham (USA), die Weltspiele der nicht-olympischen Sportarten, bei denen Deutschlands Topstar bereits 2009 und 2013 Gold gewinnen konnte. Sie sind für die Karateka der alle vier Jahre lockende sportliche Höhepunkt. Dass es nicht so bleiben muss, dass sie Olympia nach ihrem Kurzauftritt in Japan wieder nur aus der Ferne erleben können, dazu will Jonathan Horne nun am Samstag alles beitragen, was in seiner Macht steht.